Schneider Electric im Interview:

\“Es geht um die Effizienz der gesamten Wertschöpfungskette!\“

Interview mit Clemens Blum und Michael Kuhnert
Auf der SPS IPC Drives hatte die Redaktion des SPS-MAGAZINs Gelegenheit zum Gespräch mit Clemens Blum, Executive Vice President und Leiter des Industrie-Business bei Schneider Electric sowie mit Michael Kuhnert, der das OEM-Segment im deutschsprachigen Raum verantwortet. Mit beiden sprachen wir über die gegenwärtigen Entwicklungen bei Schneider Electric, mit besonderem Schwerpunkt auf die Themen der Automatisierungstechnik.

Welche besonderen Highlights zeigen Sie den Besuchern der SPS IPC Drives?

Kuhnert: Wir zeigen hier eine neue skalierbare Steuerungsplattform. Die kleinste Variante ist dabei die Modicon M221, die einen sehr einfachen Einstieg in die Automatisierung ermöglicht. Sie ist über eine Basis-Software sehr einfach handhabbar. Damit hat der Kunde die Möglichkeit, ohne große Programmierkenntnisse einfache Applikationen selber zu programmieren. Diese Programme können ohne Änderungen in performantere Steuerungen geladen werden, beispielsweise in die Modicon M242, die M251 oder auch in den Motion-Controller LMC078, je nachdem wie viel Performance man benötigt. Der LMC078-Controller ist der leistungsfähigste Vertreter in dieser Familie, mit dem man auch hoch synchronisierte Achsen über sercos realisieren kann.

Ist es richtig, dass Sie die neuen SPSen über den Elektrogroßhandel vertreiben werden?

Blum: Wir vertreiben manche unserer SPSen bereits seit langem über den Elektrogroßhandel, allerdings nicht in allen Ländern. Das hängt nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Marktgewohnheiten zusammen. In engem Kontakt mit unseren Großhändlern bauen wir den Vertrieb auch dieser Produkte weiter aus. Und natürlich entwickeln wir diesen Vertriebsweg weiter, sodass dort die notwendige technische und Applikationskompetenz vorhanden ist, um erfolgreich in diesem Segment unterwegs zu sein.

Sie haben ja für Ihre Steuerungen viele vorgefertigte Lösungen (TVDA). Werden Sie dieses Konzept auch für die kleinen und skalierbaren Steuerungen anbieten?

Blum: Wir wollen im Vertrieb neue Wege gehen und die Steuerung nicht einfach nur als weitere Hardwareplattform anbieten. Vielmehr werden wir auch hier komplette Lösungen anbieten: Das könnten beispielsweise kleine Lösungen sein, die bereits ein Programm und die notwendige Sensorik und Aktorik enthalten. Wir sehen heute eine wachsende Bedeutung von Online-Communities. Für unsere Top-Kunden gibt es bereits einen interaktiven Chat-Raum, in dem sie etwas posten können, z.B. wenn sie Unterstützung brauchen oder Ideen und Anregungen haben. Dort können Kunden auch mit Kunden kommunizieren. Unsere Experten betreuen dieses Kundenforum und geben Tipps und Hilfestellung. Wir prüfen gerade, inwieweit sich dieses Modell auf den Bereich unserer Kleinsteuerungen übertragen lässt.

Die neue Steuerungsfamilie ist eine skalierbare Kleinsteuerungs-Lösung. Inwieweit können Anwender damit auch Antriebsanwendungen realisieren?

Kuhnke: Frequenzumrichter können wir über Modbus oder CANbus ansteuern. Wir haben verschiedene Protokolle über Ethernet integriert, zudem aber auch die Möglichkeit, unseren Lexium 32 über den CANbus einzubinden, wenn sie nicht interpolierend verfahren müssen. Außerdem haben Anwender die Möglichkeit, ihr Programm unverändert auf dem Motion Controller LMC078 ablaufen zu lassen. Dort steht dann auch sercos zur Verfügung, um interpolierende Anwendungen im SoMachine-Bereich zu realisieren. Für Puls/Richtungs-Funktionen steht der Lexium 28 zur Verfügung, mit dem Lösungen sehr einfach umsetzbar sind.

Welche neuen Entwicklungen gibt es bezüglich Ihres Engineering-Systems SoMachine?

Kuhnke: Derzeit bieten wir unseren Kunden mit SoMachine und SoMachine Motion zwei Entwicklungswerkzeuge, je nachdem, wie anspruchsvoll die Aufgabe ist. Ursprünglich war geplant, diese beiden Tools zusammenzuführen. Wir haben uns jedoch zunächst dazu entschlossen als nächsten Schritt umfangreiche Safety-Funktionen in SoMachine Motion zu integrieren, sodass Anwender sicherheitsgerichtete Anwendungen über den Feldbus ohne Wechsel der Engineeringumgebung in SoMachine entwickeln können. Aus diesem Grund haben wir die geplante Zusammenführung der beiden Entwicklungsumgebungen zunächst einmal zurückgestellt. Heute haben unsere Kunden die Möglichkeit, mit SoMachine bis zu acht synchronisierte Achsen in ihrer Anwendung zu fahren. Damit bieten wir eine ausreichende Skalierbarkeit im unteren Segment. Auf der anderen Seite bieten wir SoMachine Motion-Kunden auch im High-End-Segment eine umfassende Skalierbarkeit. Der weite Bereich, der sich am oberen Ende auf bis zu 99 Achsen erstreckt, wurde nach unten jetzt mit einem Controller ohne Achs-Funktionalität erweitert. Die Safety-Integration ist auf jeden Fall ein Riesenschritt und stellt für Anwender den größten Mehrwert dar.

Was kommt aus Ihrer Sicht in Bezug auf Industrie 4.0 auf den OEM-Maschinenbau zu?

Blum: Vernetzte Maschinen sind aus meiner Sicht heute Standard, auch wenn um dieses Thema noch immer viel Wirbel gemacht wird. Was für Maschinenbauer wesentlich wichtiger ist, sind Online-Tools mit denen sie die gesamte Produktionseffizienz beim Endkunden steigern können. So können sie ihr Geschäftsmodell um Online-Services erweitern und die Performance-Daten der Produktion als Dienstleistung auswerten. Bereits Ende der 90er-Jahre haben wir mit der Transparent Factory gezeigt, was mit durchgängiger Ethernet-Kommunikation möglich ist. Wir haben das Thema seither weiter entwickelt und vorangetrieben. Wir sind beispielsweise die ersten, die jetzt mit der Modicon M580 einen Controller anbieten, der über eine durchgehende Ethernet-Backplane verfügt. Wir waren bei dem Thema immer vorne dran, weshalb das für uns nicht so der superneue Hype ist.

Kuhnert: Heute haben alle unsere Steuerungen Ethernet-Schnittstellen an Board. Das vereinfacht natürlich die Einbindung in überlagerte Strukturen. Passend dazu stellen wir heute zahlreiche Apps zur Verfügung, die sich der medialen Welt immer mehr öffnen.

Welchen Einfluss hat die Akquisition von Invensys für Schneider Electric insbesondere im Prozessbereich?

Blum: Diese Akquisition wird Schneider Electric den Marktzugang zu Segmenten der klassischen Prozessindustrie eröffnen. Das bietet uns ganz neue Möglichkeiten. Bereits heute bieten wir in Teilbereichen der Prozesstechnik Komplettlösungen an, beispielsweise für die Zementindustrie oder die Wasserwirtschaft. Unser Portfolio reicht hier bis zur Wassernetzwerkoptimierung mit Echtzeit-basierender Modellierungssoftware, wo Wassernetzwerkbetreiber bei Rohrbrüchen die Situation sofort analysieren können und dementsprechend entscheiden können, welche Ventile geschlossen und welche geöffnet werden müssen oder wie der Druck in den einzelnen Pumpstationen verändert werden muss, um die Leckage einzugrenzen usw. Wir bieten hier eine durchgängige Lösung bis zur IT-Integration in das ERP-System. Die Akquisition von Invensys wird für Schneider Electric neue Marktsegmente in der Prozesstechnik erschließen und damit unsere Branchenfokussierung und -segmentierung deutlich erweitern.

Auch die Themen rund um Energieeffizienz spielen in Ihrem Angebot eine wichtige Rolle.

Blum: Es geht hier nicht nur um Energieeffizienz, sondern um die Effizienz der gesamten Wertschöpfungskette für einen Produktionsbetrieb. Das Energiemanagementsystem dient dazu, die Verbräuche den Produktionseinheiten zuzuordnen und bildet daher eine wesentliche Voraussetzung. Mit unseren Produkten können wir jedoch mehr tun und unseren Kunden dabei helfen, diese Wertschöpfungskette insgesamt zu optimieren. Mit den Verbrauchsdaten der Produktion helfen wir den Herstellern Optimierungspotenziale zu entdecken. Und was wir häufig sehen bei Kunden, die mehrere gleichartige Anlagen betreiben, sind firmeninterne Benchmarks, die zu deutlichen Einsparungen führen können.

Welche Bedeutung hat das Thema Energieeffizienz im Maschinenbau?

Kuhnert: Dieses Thema wird auch im Maschinenbau immer wichtiger. Wir haben heute schon in SoMachine die Möglichkeit, Anlagen auf die Energieeffizienz hin zu simulieren und zu optimieren. Und wir können unseren Kunden dort auch aufzeigen, was es heißt, wenn eine Maschine doppelt so schnell läuft, sodass der Stromverbrauch sich vielleicht vervielfacht. Damit können wir einfach herausfinden, wie die Abläufe in der Maschine energieeffizient gestaltet werden können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass bei der Auslegung der Antriebe natürlich auch die Energieeffizienz berücksichtigt werden muss. Und hier muss man abwägen: Ein Maschinenbauer will natürlich nach Möglichkeit viele Gleichteile in der Maschine haben. Aus Energieeffizienzgründen würde man sicherlich überall den idealen Motor wählen. Wenn man am Ende jedoch zwölf Varianten in einer kleinen Maschine hat, dann ist das im Service einen riesiger Nachteil. Ein dritter Punkt, mit dem wir im Moment sehr großen Erfolg haben, ist der Ersatz vieler Drehstrommotoren mit Synchronantrieben, wobei es uns dabei sehr entgegen kommt, dass wir integrierte Synchronmotoren haben – also Servomotoren mit integrierter Elektronik. Hier spielt die Energieeffizienz eine wichtige Rolle.

In welchem Bereich erwarten Sie die größten Wachstumspotenziale für 2014? Ist das der OEM-Maschinenbau oder ist es eher der Akquise- mit dem Prozessbereich?

Blum: Wenn ich mir den deutschen Markt anschaue, dann ist das natürlich der Maschinenbau. Das ist ein wichtiger Markt für uns und er ist auch für uns aus Industriesicht der wichtigste Markt in Deutschland. Die Konjunkturdaten sehen seit geraumer Zeit schon wieder positiv aus; alleine das müsste schon dazu beitragen, dass 2014 deutlich erfreulicher wird.

Wie viel Anteil Ihres Geschäftes macht der OEM-Maschinenbau in Deutschland aus?

Blum: Im Deutschland-Geschäft von Schneider Electric macht das OEM-Segment einen sehr stark überproportionalen Anteil aus. Wenn ich mein gesamtes Geschäftsfeld berücksichtige, dann macht das, was ich als OEM-Geschäft bezeichne – Direkt-, Produkt- und Lösungsgeschäft – mehr als zwei Drittel aus.

Welche Wachstumszahlen erwarten Sie für Ihren Bereich bei Schneider Electric für 2014?

Blum: Ich gehe davon aus, dass wir positiv wachsen werden. Wir haben sehr viele Innovationen im Industriebereich vorgestellt und bezüglich unserer Marktanteile haben wir im Industriebereich immer noch genug Potenzial zu wachsen. Wir sind gut aufgestellt für ein erfolgreiches Geschäftsjahr und die externen Faktoren sehen auch positiv aus. Es gibt keinen Grund, nicht zu wachsen.

Schneider Electric GmbH

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