Die rauen Umgebungsbedingungen in vielen industriellen Anwendungen stellen eine erhebliche Herausforderung an Sensorik und Hardware dar. Starke Temperaturschwankungen, elektromagnetische Felder und Vibrationen können zu Störeffekten, etwa einer verschlechterten Signalqualität, bis hin zu einem Ausfall von Sensoren und somit des gesamten Condition-Monitoring-Systems führen. Viele Betreiber scheuen daher den Einbau zusätzlicher Sensoren, weil sie eine abnehmende Zuverlässigkeit der Gesamtanlage befürchten. Tatsächlich zeigte eine Untersuchung bei Windenergieanlagen, dass Sensorfehler die dritthäufigste Ursache bei den Komponentenausfällen darstellten. Dies zeigt die Notwendigkeit, auch das Condition Monitoring System sowie die dafür verwendeten Sensoren auf Fehler, z.B. anhand abweichender Signalmuster, zu überwachen, um die Zuverlässigkeit und Robustheit insgesamt zu erhöhen.
Hydraulischer Prüfstand
Zur Erprobung des rein datenbasierten Condition-Monitoring-Konzeptes und zur Gewinnung von geeigneten Trainingsdaten wurde ein hydraulischer Prüfstand entwickelt und realisiert, mit dem typische Schadens- und Verschleißmechanismen reversibel simuliert werden können, etwa verzögertes Schaltverhalten eines Wegeventils, interne Pumpenleckage, Gasleckage des Hydrospeichers, aber auch eine verminderte Kühleffizienz. Während die verschiedenen Schadensarten und ihre Schweregrade in einer Charakterisierungsmessung (typische Dauer 1-2 Tage) kombiniert werden, durchläuft der Prüfstand vordefinierte, konstante Arbeitszyklen mit statischen und transienten Lastbereichen, was einem typischen industriellen Anwendungsszenario entspricht. Der Prüfstand ist mit 17 Prozesssensoren ausgestattet, mit denen an verschiedenen Stellen Öldrücke, Volumenströme, Temperaturen und Vibration, aber auch die elektrische Leistung überwacht werden, und anhand derer weitere Kennwerte (Kühleffizienz, Kühlleistung und Gesamtwirkungsgrad) mit einem physikalischen Modell generiert werden. Die jeweilige Abtastrate ist anhand der zu erwartenden Zeitkonstante der zugrundeliegenden Messgröße gewählt und reicht von 1Hz bei Temperatur- und (Effektivwert-)Schwingungssensoren bis hin zu 100Hz bei den Druck- und Leistungssensoren, was zu einer Messdatenaufnahme von knapp 50.000 Werten pro Minute führt.
Bewertungsalgorithmus
Die Auswertung der Sensordaten erfolgt automatisiert in einem mehrstufigen Prozess mit statistischen Methoden und Mustererkennungsalgorithmen. Im ersten Schritt der Auswertung werden aus den Sensorrohdaten breitbandig Merkmale extrahiert. Hierbei wird der Arbeitszyklus zunächst in dreizehn verschiedene Intervalle unterteilt (z.B. Ventilschalten, Drucksprung, etc.). In diesen werden aus den Daten der einzelnen Sensoren Signalform-Merkmale (Steigung, Extremwerte, Position von Extremwerten) sowie statistische Parameter (Median, Varianz, zentrale Momente) berechnet. Daraus ergibt sich ein verfügbarer Merkmalspool von knapp 1.500 Merkmalen je Arbeitszyklus. Um daraus die jeweils schadensspezifisch signifikanten Kennwerte auszuwählen, erfolgt ein Ranking anhand des Korrelations- oder Streuverhaltens der Merkmale in Bezug auf die Zielgröße, d.h. dem Schadensverlauf über die Zeit. Ausgewählt wurden die 20 besten Merkmale je Schadensart. Diese Merkmale werden mithilfe der linearen Diskriminanzanalyse, einem Verfahren zur überwachten Dimensionsreduzierung, auf zwei Diskriminanzfunktionen abgebildet, mit denen schließlich eine Zustandsbewertung durchgeführt werden kann (Bild 1). Die simulierten Schadenszustände am Prüfstand konnten mit diesem Vorgehen selektiv schon in der Entstehungsphase detektiert und zuverlässig quantifiziert werden. Der Ansatz lässt sich auf die Erkennung von Sensorfehlern erweitern: Extrahiert man Merkmale, die Signalrelationen wie Mittelwertverhältnisse und Korrelationen der Sensoren untereinander beschreiben, können Sensorfehler wie Rauschen, Drift, Offset und Signalausreißer erkannt werden, bevor sie zu einem Fehlalarm der Zustandsüberwachung der Anlage führen. Wird die Fehlfunktion eines Sensors erkannt, werden die Daten des betroffenen Sensors aus den Trainingsdaten ausgeschlossen und das automatisierte Anlernen mit dem reduzierten Datensatz erneut durchlaufen, sodass die verbleibenden, höchstkorrelierten Merkmale für die Zustandsüberwachung ausgewählt werden. Auch wenn man bei den Prüfstandsdaten der Reihe nach die je nach Schadensfall wichtigsten Sensoren exkludiert, so ist dennoch aufgrund inhärenter Korrelationen zwischen den Sensorsignalen eine Kompensation mehrerer ausgefallener Sensoren möglich, ohne dass sich die Erkennungsrate merklich verschlechtert. Erst bei mehr als fünf ausgefallenen signifikanten Sensoren ist ein deutlicher Abfall der Detektionsrate zu erkennen (Bild 2), wobei eine Bewertung nach jedem einzelnen Arbeitszyklus untersucht werden.
Fazit
Das vollständig automatisierte datenbasierte Verfahren zur Zustandsüberwachung ist vielfältig einsetzbar und wurde erfolgreich am Beispiel eines hydraulischen Systems erprobt, bei dem sowohl schadhafte Hydraulikkomponenten als auch defekte Prozesssensoren detektiert werden konnten. Im Rahmen der Untersuchung konnte zudem gezeigt werden, dass sich angelernte statistische Modelle zwischen ähnlich aufgebauten Anlagen übertragen lassen, was die Methode vor allem für die Überwachung von homogenen Maschinenparks interessant macht. Auch ist es möglich, neben den Prozesssensordaten spektrale Schwingungsdaten für die Analyse zu nutzen, um weitere Szenarien wie etwa Wälzlagerschäden frühzeitig detektieren zu können.