Engineering unter einem Dach

Mit dem Automation Builder hat ABB eine Lösung vorgestellt, bei der das gesamte Steuerungsengineering unter einem Dach vereint wird. Wir haben uns mit Dr. Sönke Kock, Internationaler Produktmanager für den ABB Automation Builder, über Technologie, Kundennutzen und zukünftige Ausrichtung unterhalten.

Mit dem Automation Builder geht ABB den Weg der integrierten Softwareplattform für Steuerungstechnik, Antriebstechnik inklusive Safety. Was war der Hauptmotivator dafür, alles unter ein Software-Dach zu packen?

Dr. Kock: Die Anforderungen an die Software unserer Kunden wachsen. Gleichzeitig verkürzen sich die geforderten Entwicklungszeiten. Die Idee des Automation Builder ist, mit weniger Lieferantenschnittstellen, einfacher Geräte- und Datenintegration, vorgefertigten Lösungen, effizienter Wiederverwendung und leistungsfähiger Diag-nose den Nutzern eine erhöhte Effizienz zu ermöglichen. Wir nennen das \’Engineering Productivity\‘.

Benötigen Anwender also zukünftig tatsächlich nur noch ein Tool, wenn sie mit ABB automatisieren?

Dr. Kock: Das Ziel ist, dass der Nutzer mit dem Automation Builder alles bekommt, was er braucht, um seine Automatisierung mit ABB effizient zu projektieren. Wir starten mit einer integ-rierten Suite von Softwarewerkzeugen und werden die Integrationstiefe weiter erhöhen.

Bei der Einführung von solch integrierten Softwarelösungen gibt es ja typischerweise Übergangsphasen, z.B. weil noch nicht alle Geräte integriert sind. Wie gestaltet sich der Übergang für ABB-Anwender von der bisherigen Arbeitsweise hin zur Nutzung des Automation Builders?

Dr. Kock: Bei der Gestaltung des Produktes war es uns wichtig, den Übergang für die Nutzer mit wenig Aufwand und Unannehmlichkeiten zu verbinden. Darum haben wir kein völlig neues Tool geschaffen, sondern stützen uns auf unsere etablierten Werkzeuge Control Builder Plus, RobotStudio, PanelBuilder 600 und Mint Workbench. Damit ist eine weite Geräteunterstützung gegeben, und der Nutzer kann sich darauf konzentrieren, den Zusatznutzen durch die integ-rierte Datenhaltung in seinen Projekten umzusetzen.

Kommen wir zur Antriebstechnik. Wie weit geht in diesem Bereich die Integration vonstatten? Können sämtliche Antriebe inklusive Frequenzumrichter, Servoantriebe, koordinierte Bewegungen, Bahnsteuerungen und Roboter mit dem Automation Builder programmiert werden? Wo liegen da die Grenzen?

Dr. Kock: Die große Mehrzahl unserer Antriebe kann bereits heute mithilfe des Automation Builder konfiguriert werden, wenn es eine Verbindung über die SPS und über Profibus oder Profinet gibt. Für andere Konfigurationen brauchen wir noch eine Direktverbindung zum Antrieb und müssen auf antriebsspezifische Werkzeuge zurückgreifen. Die Antriebsprogrammierung ist zurzeit auf den Industrieantrieb ACS880 (in Codesys) und den MicroFlex e150 (in Mint) beschränkt. Mit unserer neuen Version der PLCopen-kompatiblen Motion-Control-Bibliothek PS-552 können wir jetzt auch Mehrachsensteuerungen mittels SPS realisieren. Für räumliche Bahnsteuerungen sind aber nach wie vor die NextMove-Steuerung und natürlich unsere Robotersteuerung IRC5 prädestiniert. Wir arbeiten auch hier an einer weiteren Harmonisierung und einer noch höheren Durchgängigkeit der Steuerungsplattformen und der zugehörigen Werkzeuge.

Welche neuen Funktionen beinhaltet der Automation Builder, die über die hinausgehen, die bei den verteilten Tools schon zur Verfügung gestanden haben?

Dr. Kock: Der Automation Builder bietet die Möglichkeit, komplette Servo-Motion-Projekte zusammen mit dem SPS-Projekt zu verwalten. Außerdem gibt es jetzt die Möglichkeit, auch Codesys-basierte Anwendungsprogramme direkt für den Antrieb zu erstellen sowie mehrere verschiedene Steuerungen im gleichen Projekt zu verwalten. Neu ist auch die automatisierte Einbindung von Antriebs-Funktionsblöcken ins Steuerungsprogramm sowie die Schnittstelle zwischen SPS und Roboter über Profinet.

Wie erfolgt die Einbindung von Fremdgeräten anderer Hersteller?

Dr. Kock: Fremdgeräte können wir über Gerätebeschreibungsdateien für eine große Anzahl von Feldbussen einbinden. Außerdem haben wir natürlich die Möglichkeit, über Internet-Protokolle oder Ethernet-Sockets zu kommunizieren.

Welche Bedeutung messen Sie der Möglichkeit zu, Funktionsblöcke jetzt auch in C programmieren zu können? Wer ist dafür die Zielgruppe?

Dr. Kock: In der Steuerung von Windturbinen werden komplexe mathematische Modelle gerechnet. Für diese wird dann häufig aus Simulationstools heraus direkt C-Code erzeugt. Daher kommt ein Teil der Nachfrage. Aber auch andere Maschinenbauer programmieren mittlerweile komplexe Funktionen in der Sprache C, die ja eher aus dem Embedded-Bereich kommt. Zum einen werden Embedded-Entwickler verstärkt in der Steuerungs- und Automatisierungstechnik nachgefragt und bringen ihre Programmiererfahrungen mit. Zum anderen werden proprietäre, eingebettete Steuerungen durch SPSen ersetzt, und existierender C-Code wird portiert. Die Anforderungen an die Automatisierungstools steigen auf jeden Fall weiter.

Welche Strategie verfolgt ABB, wenn es um den gesamten Engineering-Prozess geht, also vom E-CAD, M-CAD über PDM bis hin zur Qualitätssicherung?

Dr. Kock: Unser 3D-Simulationstool RobotStudio kann die gängigen CAD-Datenformate importieren. E-CAD-Signale können wir über das CSV-Format importieren. Eine erweiterte Schnittstelle im Sinne eines Collaborative Engineering zwischen E-Planung und Steuerungsentwicklung ist in Vorbereitung. Der Automation Builder fasst Projektdateien aller angeschlossenen Tools zu einer einzigen Projektdatei zusammen. Zusätzlich kann der Nutzer an seine Objekte z.B. PDF-Dateien, Skizzen oder beliebige andere Dateien anhängen, die dann ebenfalls im Projekt gespeichert werden. Kunden, die kein PDM-System besitzen, können auf diese Weise, beispielsweise in Verbindung mit einer Versionskontrolle, eine Art PDM-\’Light\‘ erzeugen. In Zukunft werden wir auch die Automatisierungsobjekte selbst von außen zugänglich machen, sodass eine Integration in externe Werkzeugketten mit guter Datengranularität möglich wird.

Wo geht aus Ihrer Sicht die weitere Entwicklung des Steuerungsengineerings hin? Was sind die Themen, die uns die nächsten Jahre beschäftigen werden?

Dr. Kock: Wir sehen die folgenden drei Schwerpunkte, die unseren Kunden helfen sollen, Software-Komplexität und Engineering-Effizienz zu beherrschen: Modularisierung, Simulation und Kollaboration. Es wird aber auch aus der Richtung Cloud Computing und Social Networking befruchtende Impulse geben.

Ganz herzlichen Dank für das interessante Interview. (mbw)

www.abb.de

ABB Automation Products GmbH
http://www.abb.de

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