Energieeffizienz – von der Kür zur Pflicht

Das Thema \'Energieeffizienz\' ist nicht erst seit des im Jahr 2007 durch die Bundesregierung initiierten integrierten Energie- und Klimaprogramms in aller Munde. Neben dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien eröffnet die Verbesserung der Energieeffizienz von Geräten und Systemen sowie Maschinen und Anlagen ein großes Potenzial zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele. Gleichzeitig soll so auch die Abhängigkeit von Energie-Importen verringert werden (siehe Bild 1). Welchen Beitrag die Automatisierungstechnik hierzu liefern kann, zeigt der folgende Beitrag.

Wenn es um die Reduzierung der Energiebezüge geht, erweist sich die Automatisierungstechnik als kritischer Faktor. Sie wird benötigt, um Informationen hinsichtlich des Energieverbrauchs in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, die wiederum Basis für den energieeffizienten Betrieb von Maschinen und Anlagen sind. Vor dem Hintergrund eines sich stetig verkürzenden Lebenszyklus der gefertigten Produkte sowie einer steigenden Variantenvielfalt und damit einher­gehend sinkender Losgrößen musste die Automatisierungstechnik bis dato jedoch andere Bedingungen erfüllen. Die Anwender verlangen hier nach Lösungen, die sich flexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen umstellen lassen, damit auch die \’Losgröße 1\‘ wirtschaftlich hergestellt werden kann. Gleichzeitig soll die Kapitalbindung möglichst gering sein und der Return on Invest (ROI) in kurzer Zeit erreicht werden. Dies führt dazu, dass Maschinen und Anlagen heute auf maximale Produktivität ausgelegt sind und das Thema \’Energieverbrauch\‘ nur eine untergeordnete Rolle spielt. Standardisierung auf System- und Geräteebene erforderlich Zwecks Erfüllung der Produktivitätsziele werden also derzeit Automatisierungssysteme verwendet, die sich einfach und schnell an die unterschiedlichen Produktionssituationen anpassen lassen. Dabei steht die Steuerung über industrielle Kommunikationssysteme wie Profinet mit den in der Maschine oder Anlage verbauten Sensoren und Aktoren in Verbindung. Darüber hinaus kommuniziert sie via Standard-Ethernet-Protokoll mit den überlagerten Leitsystemen. Die SPS erhält also sowohl Informationen über den Maschinenstatus als auch auftragsbezogene Daten. Somit liegen ihr alle Angaben und Übertragungswege vor, um die Maschine oder Anlage energieeffizient steuern zu können. Warum wird das Thema \’Energieeffizienz\‘ trotzdem nicht beim Design der Automatisierungslösung berücksichtigt? Dies ist u.a. darin begründet, dass der Anwender derzeit relativ wenig über den Energieverbrauch der einzelnen Geräte sowie des gesamten Systems weiß. Häufig ist lediglich bekannt, wie viel Energie im Leerlauf und unter Volllast konsumiert wird. Informationen über den optimalen Arbeitspunkt der Maschine in Bezug auf den Energieverbrauch und die in diesem Fall gefertigten Stückzahlen existieren in der Regel nicht. Ferner fehlt es an Standardisierungen auf der System- und Geräteebene, so dass Teile der Maschine oder Anlage bei wechselnder Auslastung gezielt in einen Energiespar­zustand geschaltet werden können. Direkte Kopplung der Systeme Zwecks Reduzierung des Energieverbrauchs setzen die Anwender zunehmend Energie-Managementsysteme ein, die zunächst ein Energie-Monitoring, also die Ermittlung des Energieverbrauchs nach Ort, Zeit und Auftragssituation ermöglichen. Dazu werden verschiedene physikalische Messgrößen regelmäßig erfasst und von der jeweiligen Kleinsteuerung direkt in die zentralen SQL-Datenbanken geschrieben (Bild 2). Auf diese Da­ten können Analyse-Tools zugreifen, die die relevanten Auswertungen vornehmen und die Maschine oder Anlage dann über das Leitsystem entsprechend steuern. Dabei ist es wichtig, ausreichend Messdaten pro Einzelverbraucher zu erheben, um deren Energieeffizienz systematisch verbessern zu können. Außerdem müssen die Werte produktionsmengenbezogen gemessen werden, da sich nur so die Energiemenge ermitteln lässt, die für jedes hergestellte Produkt benötigt wird. Auf dieser Basis wird nun der optimale Arbeitspunkt errechnet. Sofern die Angaben zum Energieverbrauch bereits heute gesammelt werden, speichert sie der Anwender meist lediglich ab und analysiert sie erst im Nachhinein. Auf diese Weise kann der Herstellungsprozess nur unzureichend optimiert werden, denn die erfassten Echtzeitdaten lassen sich nicht zur Steuerung des laufenden Produktionsverfahrens nutzen. Es ist also unumgänglich, dass die Überwachungssysteme direkt mit dem Leit- und Steu­erungssystem gekoppelt sind, um den Energieverbrauch bezogen auf die Fertigungsmenge zu reduzieren. Die Steuerungen aus der Produktfamilie der Inline Controller (ILC) von Phoenix Contact bieten diese Möglichkeit. Sie sind via Standard-Interfaces mit den Messstellen verbunden und schreiben die dort gesammelten Daten über IEC61931-Bausteine direkt in die Datenbanken. Die Maschinensteuerung verwendet die Informationen dann zur Online-Optimierung des Energieverbrauchs der Maschine (Bild 3). Verbrauch während Stillstandszeiten senken Der Energieverbrauch lässt sich nicht nur in der Produktionsphase, sondern auch während der Stillstandszeiten senken. Aktuell laufen Maschinen und Anlagen oftmals in den Pausen sowie am Wochenende im Leerlauf, weil sie nicht gezielt in einen definierten Energiesparzustand herunter- und bei Bedarf wieder hochgefahren werden können. Untersuchungen zeigen, dass die Fertigungsanlagen der Automobilindustrie bis zu 60% ihrer Energie im Leerlauf verbrauchen. Sie verursachen somit auch in produktionsfreien Zeiten erhebliche Kosten. Zur nachhaltigen Verbesserung dieser Situation wurde auf Anregung der Automatisierungsinitiative der deutschen Automobilindustrie (AIDA) innerhalb der Profibus Nutzerorganisation (PNO) ein Arbeitskreis initiiert, der ein Profil zum Betrieb von Geräten in Automatisierungssystemen beschreibt. Das Profienergy-Profil legt fest, welche Zustände eine Komponente einnehmen kann respektive soll und welche Dienste zur Aktivierung oder Deaktivierung des jeweiligen Zustands erforderlich sind. Da die bereits im Profinet-Standard spezifizierten Dienste genutzt werden, ändern sich das Engineering des Systems sowie die verwendete Infrastruktur nicht. Aufgrund der Standardisierung verhalten sich alle Geräte im System einheitlich, was die Projektierung und Umsetzung energieeffizienter Lösungen erheblich vereinfacht. Deshalb wird die Unterstützung des Profienergy-Profils in der Automobilindustrie zukünftig eine wesentliche Anforderung beim Einkauf von Geräten und Systemen sein. Fazit Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass moderne Automatisierungslösungen bereits heute alle notwendigen Kommunikationsverbindungen und Informationen bieten, um den Energieverbrauch der gesamten Maschine oder Anlage zu reduzieren. Dazu ist es allerdings notwendig, dass die erfassten Daten sofort, also in Echtzeit, zur energieeffizienten Steuerung der Anwendung genutzt werden. Die Standardisierung des Verhaltens der einzelnen Geräte hinsichtlich ihres Energieverbrauchs unterstützt darüber hinaus bei der einfachen Realisierung des Energiespar-Konzepts. In Verbindung mit dem Einsatz energiesparender Komponenten erschließen sich so erhebliche Potenziale zur Optimierung der Energiebezüge. Spielte die Betrachtung des Energieverbrauchs bei der Konzeption von Maschinen und Anlagen bis dato nur eine untergeordnete Rolle, wird sie zukünftig zu einem wesentlichen Design-Merkmal werden. Die Automatisierungstechnik hilft hier bei der Erfüllung der festgelegten Energiesparziele (Bild 5). Kasten 1: Anwendungsfälle des Profienergy-Profils Die Entwicklungsarbeiten am Profienergy-Profil orientieren sich an vier allgemein gültigen Anwendungsfällen (use cases): – Use case 1 beschreibt das Abschalten der Produktionsmittel während der Betriebspausen in einen optimalen Energiesparzustand, der die sofortige Wiederaufnahme der Produktion am Pausenende ermöglicht. – In use case 2 ist der maximale Energiesparzustand in produktionsfreien Zeiten wie Wochenenden oder Betriebsferien definiert. Die Wiederaufnahme der Fertigung erfordert hier ein zeitgerechtes Anschalten der Anlagenteile. – Use case 3 beschäftigt sich mit der auslastungsabhängigen Maschinensteuerung, denn nicht alle Anlagenteile müssen zu jedem Zeitpunkt produktionsbereit sein. Durch die Vernetzung mit den Fertigungsaufträgen kann das Energiemanagement den Energiesparzustand bei nicht benötigten Funktionseinheiten aktivieren. – Use case 4 legt das Ab- und Zuschalten von Hilfsprozessen bei drohenden Lastspitzen fest. Durch deren Überwachung können die Versorgungseinheiten auf einen niedrigeren Sollwert dimensioniert werden, um die Bereitstellungskosten des Versorgers zu reduzieren (Bild 5). SPS/IPC/Drives Halle 9, Stand 341

Phoenix Contact GmbH & Co. KG
http://www.phoenixcontact.com

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