Das rasche Wirtschaftswachstum in Schwellenländern bringt einen steigenden Energiebedarf mit sich. Das Augenmerk der industriellen Abnehmer liegt dabei zunehmend auf biogenen Quellen, zu denen nicht zuletzt Abfälle aus der Lebensmittelerzeugung zählen. So auch im Süden von Vietnam, wo das Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Leibniz Universität Hannover mit mehreren Pilotanlagen in Containern ein integriertes Konzept für Abwasserbehandlung, Abfallentsorgung und Wertstoffrückgewinnung erprobt. Passavant-Roediger, eine global tätige Tochter von Drake & Skull International PJSC mit fast 200-jähriger Tradition in der Wasser- und Energiewirtschaft, hat dafür eine spezielle Anlage zur anaeroben Gaserzeugung aus Abwasser der Fischverarbeitung geliefert. \“Neben unserem Kerngeschäft in den Bereichen der Wasseraufbereitung, Abwasser-, Schlamm- und Abfallbehandlung, sehen wir in der Energierückgewinnung aus Biomasse einen wachsenden Markt\“, sagt Matthias Haberkorn, Projektingenieur für Elektro-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik bei Passavant-Roediger. Zu den aktuellen Meilensteinen des Unternehmens gehört die in Shanghai Bailonggang installierte, weltgrößte anaerobe Schlammfaulungsanlage zur Energieerzeugung. Für das Pilotprojekt der anaeroben Gaserzeugung aus Abwässern der Fischverarbeitung entwickelte Passavant-Roediger einen 40-Fuß-Container, mit Flotationseinheit, Pumpen, Dosiertechnik, Reaktionsbehälter und Gasverwertungseinheit. Für die Steuerung und Regelung aller Komponenten der Anlage kommt ein lüfterloser Nanobox PC, Simatic IPC227D von Siemens zum Einsatz.
Kälte aus Schlamm
Das Abwasser der Fischverarbeitung wird zunächst in einer Flotationseinheit vorbehandelt, um für die nachfolgende anaerobe Abwasserbehandlung energiereiche organische Bestandteile zu konzentrieren. Nach dem Homogenisieren und Neutralisieren durchläuft die Suspension mit einem Volumenstrom von bis zu 3.000l pro Stunde eine Aquaflow-Einheit zur Sauerstoffanreicherung. Im nachfolgenden Flotationstank erfolgt schließlich die Trennung in Klarwasser und Flotatschlamm. Dem abgeschöpften Schlamm kann in einem Vorversäuerungsreaktor bei Bedarf Lauge zugeführt werden, um den gewünschten pH-Wert zu gewährleisten. Nächster Schritt ist die Erwärmung der Masse im Anaerobreaktor auf eine zum mesophilen Vergären optimale Prozesstemperatur von 35 bis 37°C. Das durch anaeroben Abbau organischer Stoffe gewonnene Biogas wird in einem 5m³ großen Gasballon gespeichert bzw. Spitzenproduktion abgepuffert, bevor das Biogas energetisch genutzt wird. Der Faulschlamm fließt in einen Sedimentationstank. Die dort sedimentierte Biomasse wird zum Teil in den Zufluss des Anaerobreaktors zurückgepumpt, um den Zuschlag anzuimpfen, die Biomassenkonzentration zu erhöhen und einen weitergehenden organischen Substratabbau mit entsprechender Energiegewinnung zu erhalten. Das Biogas kann je nach Standort und Bedarf für die lokale Energieversorgung, Prozesswärme oder den Betrieb von hydraulischen Systemen genutzt werden. Des Weiteren bezieht auch die Anlage selbst ihre Energie aus dem gewonnenen Biogas, wie der seitens der Universität Hannover für die Inbetriebnahme und Optimierung der Anlage verantwortlichen Projektleiter Niklas Trautmann hervorhebt. Die erzeugte Energie wird für die Klimatisierung des Bedienraums genutzt. Wie wirtschaftlich und wirksam die Gas- und Kältegewinnung tatsächlich funktioniert, kann Niklas Trautmann quasi hautnah beurteilen, da er einen Teil seiner Doktorarbeit unmittelbar vor Ort im Container schreibt. \“Die einfache anaerobe Behandlung ist für diese Art der dezentralen energetischen Abwasserverwertung gerade in tropischen Gegenden ideal, wo sie durch die vorherrschenden Temperaturen begünstigt wird, und eignet sich natürlich ebenso für andere tierische oder pflanzliche Abfälle und Abwässer aus der Lebensmittelindustrie oder der Landwirtschaft\“, so der Wissenschaftler. \“Das Verfahren verspricht hohe Biogaserträge bei gleichzeitiger Reduzierung des überschüssigen Klärschlamms.\“
Einschaltfertig auf kleinstem Raum
Mit der Automatisierung der Anlage hat Passavant-Roediger das Unternehmen Witt Elektrotechnik aus Offenbach betraut, die ihr umfassendes Leistungsspektrum in der Planung, Elektrokonstruktion und Installation auf langjährige Erfahrung im klassischen Schaltschrankbau stützt. Unter den Kunden finden sich namhafte Firmen der Automobil- und Chemieindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. \“Die besonderen Herausforderungen lagen in der Erfassung und Sicherung der vielfältigen Daten aus der Schlammbehandlung und Energieerzeugung\“, betont Geschäftsführer Marko Witt und begründet so die Wahl des Nanobox PC Simatic IPC227D mit optionalem Remanenzspeicher und dem echtzeitfähigen Software Controller Simatic WinAC. Der Industrie-PC arbeitet mit einem leistungsoptimierten Intel-Atom-Prozessor und verfügt über eine integrierte 24V-Industriestromversorgung. Für den Fernzugriff auf die Anlagendaten und für Eingriffe aus der Ferne zur Optimierung der Anlage wurde ein UMTS-Modem installiert. Die vielfältigen Geräte, Maschinen und Pumpen kommunizieren mit der Steuerung über die dezentrale Peripherie Simatic ET 200S. Für Transparenz und Übersichtlichkeit auf der Bedien- und Überwachungsseite sorgt die Visualisierung mit Simatic WinCC flexible durch eine anschauliche grafische Oberfläche. Im aktuellen Ausbau werden rund 1.500 Prozessvariablen (Power Tags) aus der Steuerung für die Visualisierung genutzt, was der Nanobox PC mühelos bewältigt. Zur längerfristigen Datenhaltung kommt die Option WinCC flexible/Archives zum Einsatz. Der Nanobox PC kann individuell konfiguriert und online bestellt werden. Standard sind u.a. vier USB-Ports sowie zwei Teaming-fähige Gigabit-Ethernet-Anschlüsse, von denen in diesem Fall einer als Profinet-Schnittstelle mit Echtzeitfunktionalität für die dezentrale Peripherie genutzt wird. Die Projektpartner entschieden sich außerdem für die einschaltfertige Konfiguration mit Betriebssystem Win-dows Embedded Standard sowie dem Software Controller Simatic WinAC und WinCC flexible für die Visualisierung.
Hohe Verfügbarkeit und Flexibilität
Der Container ist dafür ausgelegt, steuerungstechnisch völlig autark zu arbeiten. Über die integrierte Wake-on-LAN-Funktion kann der Industrie-PC auch per Fernzugriff hochgefahren werden. Im Normalbetrieb ist vorgesehen, dass die Anlage 24 Stunden rund um die Uhr läuft – für den Nanobox PC kein Problem. \“Der remanente Speicher des IPC stellt sicher, dass alle wichtigen Daten bei einem Spannungsausfall oder auch im Fall einer Notabschaltung der Anlage, etwa bei Gasalarm, erhalten bleiben\“, ergänzt Marko Witt. Für die Sicherung und wissenschaftliche Weiterverarbeitung der Daten vor Ort bietet der Nanobox-PC ein robustes Solid-State-Drive, das Siemens inzwischen mit einer Kapazität von bis zu 80GB anbietet. Dieses bietet neben der hohen Stoß- und Vibrationsfestigkeit auch eine höhere Lese- und Schreibgeschwindigkeit als herkömmliche Festplatten. Mit seinem geringen Platzbedarf von lediglich einem Liter (191x100x60mm) lässt sich der Nanobox PC Simatic IPC227D maschinennah und in kleinste Schaltkästen einbauen. Er ist für die Hutschienen-, Wand-, Buch- oder Seitenmontage geeignet und kann so je nach Gegebenheit montiert werden. Die Schnittstellen befinden sich alle auf einer Seite, was eine übersichtliche und platzsparende Verkabelung gestattet. Im Container von Passavant-Roediger ist das Gerät an einer seitlichen Hutschiene im Schaltschrank montiert. Das spart nicht nur Platz, sondern erleichtert auch den Zugang zu allen Schnittstellen. Durch den Verzicht auf drehende Teile, wie Festplatte und Lüfter ist der Industrie-PC wartungsfrei. Hinzu kommen hohe Schock- und Vibrationsfestigkeit, was in der Summe einen zuverlässigen Dauerbetrieb sogar bei Umgebungstemperaturen bis 50°C sicherstellt.