Einsatzstoffe nach Rezept

RFID-UHF in der Gießerei-Industrie
Mittels RFID (Radio Frequency Identification) hat eine Gießerei die Zusammenstellung des Schmelzmaterials optimiert: Die Transportkübel für Roheisen und Stahlschrott sind mit Transpondern ausgerüstet, die ein RFID-UHF-Reader am Elektro-Induktionsofen erfasst. Erhöhte Prozesssicherheit, konstante Dosiergenauigkeit und lückenlose Chargenverfolgung sind das Ergebnis.

Die Karl Casper GmbH & Co. KG mit Sitz im baden-württembergischen Remchingen ist Hersteller hochwertiger lndustrie- und Kunstgusserzeugnisse. Rund 100 Mitarbeiter fertigen im Zwei-Schicht-Betrieb aus hochwertigem Roheisen und Stahlschrott anspruchsvolle Bauteile für den Werkzeug- und Sondermaschinenbau, für Kunststoffspritzmaschinen und den Schienenfahrzeugbau. Die Werkstücke reichen von Einzelteilen bis zur Kleinserie mit 1.000 Stück und einem Stückgewicht von bis zu neun Tonnen. \“Über Jahre hinweg haben wir beim Zusammenstellen des Schmelzmaterials die Daten manuell am PC erfasst\“, beschreibt Malte Lüking, technischer Geschäftsleiter, \“was die präzise Produktionsplanung und -rückverfolgung erschwerte.\“ Eine effiziente Lösung dafür bietet uns nun RFID. Diese ermöglicht die automatische Erkennung der Transportbehälter, die Zuordnung der Chargen und die softwaretechnische Abbildung ihrer Zusammenhänge. Lüking betont, dass es ein Ziel der Unternehmensleitung war, bei der Umsetzung der neuen RFID-Anwendung auch die Vorstellungen der Mitarbeiter zu berücksichtigen. \“Schließlich arbeiten sie tagtäglich mit dem Programm und wissen, worauf es ankommt\“, so der technische Geschäftsleiter. Das Projektteam, bestehend aus Malte Lüking, Uwe Wilhelm, dem Leiter der Casper-Instandhaltung und Siegfried Schlaak, dem Geschäftsführer des auf Gießereitechnik spezialisierten Beratungshauses SSSoft, begann vor rund 18 Monaten mit der Auswahl der neuen Hardware und Konzeption der Software. Ein Entscheidungskriterium war die dauerhafte Betriebstauglichkeit: Die RFID-Transponder mussten den rauen Umgang beim Be- und Entladen, Störfelder durch die am Kran befestigten starken Elektromagneten und den dauerhaften Einsatz trotz hoher Ofen-Temperaturen schadlos überstehen. Zur Kennzeichnung der Chargierbehälter bot sich der Einsatz kostengünstiger, hitzefester Transponder Simatic RF680T an. Sie sind für Betriebstemperaturen bis 220°C ausgelegt und durch ihren robusten Aufbau mit Schutzart IP68 bestens gegen Einflüsse rauer Industrieumgebungen geeignet.

Hohe Störfestigkeit in metallischen Umgebungen

Die Funksignale wertet ein Lesegerät Simatic RF630R aus. \“Wir haben uns für das Siemens-Angebot entschieden, weil es unseren Vorstellungen und Anforderungen am besten entsprach\“, betont Lüking. Wegen der beengten Platzverhältnisse auf der Ofenbühne kommt ein Lesegerät mit einer externen UHF-Antenne Simatic RF640A zum Einsatz. Das Gerät arbeitet im Ultrahochfrequenzbereich (UHF) und ist unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie Staub oder Feuchtigkeit. Außerdem zeichnet es sich durch hohe Störfestigkeit beim Einsatz in metallischen Umgebungen, wie den Stahlkonstruktionen im Umfeld der Ofenbühne, aus. Zur Kommunikation und Spannungsversorgung ist der Reader an eine SPS bzw. an ein Feldbus-Kommunikationsmodul angeschlossen. Vor der Einführung der Identifikationslösung war es für die Mitarbeiter der sogenannten Gattierungsanlage aufwändig, die Inhalte der Chargierbehälter rezepturgerecht zu dosieren, um die geforderten Produkteigenschaften zu erzielen. Inzwischen sind bei Karl Casper Guss zehn mit Transpondern versehene Chargierbehälter für den Transport des Schmelzmaterials zum Induktionsofen im rotierenden Einsatz. Zur Beschickung des Schmelzofens wählt der Kranfahrer der Gattierungsanlage eine freie Chargiermulde aus und befüllt sie mit Roheisen, Stahlschrott, Blechpaketen etc. nach den Vorgaben der Produktionsplanung. Sobald die Charge komplett ist, sendet er die Daten an die Steuerungs- und Kontrollsoftware; der Behälter ist danach bereit für den Abtransport zur Ofenbühne. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Schmelzprozesse sind sehr hoch und dürfen nur minimal von den Vorgaben abweichen. Hier erweist sich der Vorteil der neuen RFID-Installation: Das auf der Ofenbühne montierte RFID-Schreib-/Lesegerät liest die Transponderdaten der Chargiermulde aus und übergibt sie an das Steuerungs- und Kontrollsystem. Während des Schmelzvorgangs erfolgt eine spektrometrische und thermische Bestimmung der Legierungsbestandteile. Die Software berechnet die Differenz zwischen Soll- und Istwerten und informiert den Schmelzer, ob weitere Zuschlagstoffe (Kohlenstoff, Silizium etc.) aufgrund der Rezeptur erforderlich sind. Durch die Chargenverfolgung ist präzise dokumentiert, was verarbeitet wurde. Am Monatsende lassen sich so die Materialmengen genau abrechnen und auch der Abbrand genau belegen.

Aufbau einer RFID-gestützten Modellverwaltung

Im Elektro-Induktionsofen herrschen Temperaturen von rund 1.600°C, bei denen sich die Roh- und Zuschlagstoffe in rund einer Stunde zu einer homogenen Eisenschmelze verflüssigen. Während der Schichtführer sich auf den Abstich des Schmelztiegels mit dem flüssigen Eisenguss vorbereitet, disponieren die Mitarbeiter in der lichtdurchfluteten Einform- und Abgusshalle schon die nächsten Arbeitsschritte. Nach dem Einschmelzen und Mischen aller Komponenten fließt die Schmelze durch Kippen des Schmelztiegels in eine Behandlungspfanne, wo sie durch weitere Legierungszuschläge auf die gewünschte Qualität eingestellt wird. Anschließend wird die Gießpfanne zum Befüllen der Formen in die Abgusshalle transportiert, in der erfahrene Gießer die Eisenschmelze in die Formkästen einfüllen. Geplant ist der Ausbau der Identifikationslösung im Bereich der RFID-gestützten Modellverwaltung. Im modernen Hochregallager der Gießerei liegen aus Schichtholz, Kunstharzen oder Polystyrolschaum gefertigte Modelle für Nachbestellungen, Modelländerungen oder -anpassungen. \“Wir haben rund 8.000 Gussmodelle eingelagert, wovon etwa 4.000 immer wiederkehrende Formen sind\“, beschreibt Lüking. Jede Modellplatte bekommt zukünftig einen RFID-Tag, auf dem u.a. Bauteile- und Auftragsdaten, Losteile, Einlagerungsort und Werkstoffe vermerkt sind. \“Der Mitarbeiter kann dann die Daten mit einem Handscanner auslesen. Es stehen einheitliche und stets aktuelle Informationen bereit, die ihm die Identifikation der Modelle erheblich erleichtern. Aufwändige Suchaktionen gehören damit der Vergangenheit an\“, ist Lüking überzeugt. Karl Casper Guss fertigt und \“verkauft\“nicht nur hochwertige Produkte, sondern verfolgt als \“weiße Gießerei im Grünen\“, wie sich das Unternehmen auch nennt, das Ziel einer sauberen Umwelt. Dazu zählt ein neu installiertes Blockheizkraftwerk, das umweltschonend Strom und Wärme erzeugt und dafür sorgt, dass die Betriebskosten deutlich sinken. Zur weiteren Optimierung des Energieverbrauchs hat die Unternehmensleitung das Projekt Energiemanagement in Angriff genommen. Insbesondere stellt der hohe Stromverbrauch der Elektro-Schmelzöfen für Gießereien einen gewaltigen Kostenfaktor dar. Aber auch an anderen Stellen wie der Hallen-Kühlung und -Lüftung, den Formanlagen, Rüttlern und Sandstrahlern sowie der Sandaufbereitung ergeben sich erhebliche Energiesparmöglichkeiten. Im ersten Schritt haben die Techniker damit begonnen, Sentron-Messgeräte PAC4200 in die Schaltschränke der verschiedenen Fertigungsbereiche zu installieren und die Messdaten in CSV-Dateien zusammenzuführen. Im nächsten Schritt werden die Geräte in die Automatisierungs- und Energiemanagement-Software Powermanager eingebunden und alle Messdaten visualisiert. Die Lösung zeigt dann alle aktuellen Zustände der Anlagen und die Netzqualität und senkt durch effizientere Nutzung der Systeme den Energieeinsatz und die Energiekosten. Die Echtzeitdarstellung der angeschlossenen Verbraucher ermöglicht eine Schwachstellenanalyse und damit eine schnelle Strom-Absenkung in einzelnen produktionstechnischen Anlagen.

Fehleranalyse mit Notebook und Smartphone

Um den Fertigungsbetrieb umfassend zu automatisieren, entschloss sich die Gießerei-Leitung zur Installation des Produktionsüberwachungssystems DCAS (Data by Concentration and Analysis System) von SSSoft. Es überwacht u.a. die Durchlaufwirbelmischer, die Sandregenerierung, den Elektroofen und die Druckluftkompressoren. Die Signalparameter werden an den Simatic-Controllern über Profinet abgegriffen und an die Software weitergeleitet. Ein Visualisierungsrechner bereitet die Daten auf und stellt sie zur Überwachung und Steuerung der Anlagen in Echtzeit dar. Tritt beispielsweise eine Störung auf, kann der Mitarbeiter das Problem sofort lokalisieren und entsprechende Schritte einleiten. Auch ein ortsunabhängiger, gesicherter Systemzugriff über das Internet mit Notebook, iPad oder Smartphone ist möglich, z.B. um Prozessabläufe aus der Ferne zu kontrollieren und Unterbrechungen durch frühzeitiges Eingreifen zu vermeiden. Die vielfältigen Automatisierungsaufgaben bei Casper Guss übernehmen bereits seit Jahren Simatic-Steuerungen. Die bisher genutzten Steuerungen Simatic S5 werden mittlerweile gegen neue modulare Controller Simatic S7-300 ausgetauscht. In diesem Zusammenhang wird auch die Prozess-Visualisierung vorangetrieben, um die Prozesse an verschiedenen Bedien- und Beobachtungsstationen überwachen und steuern zu können. Als dezentrale Peripheriebaugruppen sind Signal- und Funktionsmodule sowie Kommunikations-Prozessoren Simatic ET200S für die anwenderspezifischen Automatisierungsaufgaben der Controller S7-300 im Einsatz, was die Verdrahtung und Inbetriebnahme wesentlich vereinfacht. Casper Guss bietet ein überzeugendes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung einer durchgängigen Automatisierungs-Philosophie. Durch das vollständige Produkt-Portfolio Totally Integrated Automation (TIA), womit Siemens die Durchgängigkeit seiner Systeme bezeichnet, sind die einzelnen Automatisierungskomponenten stets aufeinander abgestimmt. So setzt die Gießerei vom Mittelspannungstransformator über die Antriebs- und Steuerungstechnik bis zur Sensorik und Visualisierung ausschließlich Standard-Komponenten desselben Anbieters ein. Die integrierte Engineering-Umgebung von TIA Portal für PLC, HMI und Netzwerk ermöglichte hohe Flexibilität während der Systementwicklung, was den Zeitaufwand für die Integration deutlich minimierte. Nach Angaben des Projektteams konnten die Entwicklungs- und Inbetriebnahmezeiten mit der Software TIA Portal im Vergleich zu anderen Lösungsansätzen deutlich verkürzt und die Anforderungen optimal erfüllt werden.

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