Dienstleistungen mit Mehrwert

Komplexe technische Produkte, wie es Automatisierungsprodukte nun einmal sind, machen einen guten technischen Support erforderlich. Siemens hat sich als weltweit agierendes Unternehmen in diesem Bereich hohe Ziele gesetzt. Wir haben uns im Vorfeld der Hannover Messe dazu mit Dirk Hoke unterhalten, CEO der Division Customer Services.

Insgesamt spricht man sehr viel über Dienstleistungsgesellschaften und manchmal wurde sogar schon die Industrie totgeredet. Wie verhält sich das im Bereich der Automatisierungstechnik in Bezug auf Dienstleistungen?

Hoke: Wir glauben, dass durch die stärkere Integration verschiedener Industriebereiche – wie es das Motto der diesjährigen Hannover Messe ist – die Serviceanforderungen steigen werden. Dies gilt auch für den Automatisierungsmarkt. Und wir gehen davon aus, dass wir uns zum einen natürlich durch unsere guten Produkte und Systeme differenzieren, aber zum anderen künftig noch stärker über unsere Mehrwert-Serviceleistungen. Dabei geht es auf der einen Seite um Reaktionszeiten, auf der anderen Seite um Abwicklungszeiten oder die Lieferung von Ersatzteilen. Hier kommen viele neue Themen hinzu, die beim Kunden nachhaltige Produktivitätssteigerungen ermöglichen. Und das wird sicherlich auch die Gesamtbeurteilung des Kunden, in welche Systeme, in welche Plattform er investiert, entscheidend beeinflussen.

Wenn Sie das mit vor fünf oder zehn Jahren vergleichen, sehen Sie da eine steigende Bedeutung?

Hoke: Ja, die sehe ich – auch bei uns im Konzern. Dort hatte das Thema Service für Automatisierungstechnik nicht immer den Stellenwert, den es heute hat. Man war der Meinung, dass unsere Komponenten so gut sind, dass sie nicht ausfallen. Daher hat man Serviceleistungen eher als kostenlose Unterstützung für den Verkauf von Produkten und Systemen bereitgestellt. Das hat sich natürlich drastisch geändert. Heute bieten wir neue Dienstleistungen an, die einen echten Mehrwert erzeugen und für die der Kunde bereit ist, entsprechend zu zahlen. Dieses Umdenken bei unseren Kunden spiegelt sich in Summe in unserem Haus darin wider, dass im Jahr 2011 mit Customer Services eine eigene Service-Division für Industrie-Kunden gegründet wurde.

Inwieweit kann man sich in dem Bereich Dienstleistungen und Customer Support von Mitbewerbern über die reinen Produkte hinaus differenzieren?

Hoke: Wir können uns differenzieren, weil wir eben sowohl umfassendes Produkt- als auch Service-Know-how haben. Wir kennen den Produktentstehungsprozess, wir kennen die Entwicklung, wir kennen den Produktionsprozess und wir kennen auch den Aftersales-Prozess oder den Lifecycle-Prozess der Produkte im Markt. Dadurch können wir die Erkenntnisse, die wir aus dem Markt von unseren Kunden und von unseren Mitarbeitern vor Ort als Rückmeldung bekommen, wieder direkt an unsere Kollegen in der Entwicklung zurückspielen. So erhalten wir als Unternehmen Feedback darüber, welche Serviceability-Anforderungen es gibt. Warum braucht man z.B. für den einen Motor zwei Leute zur Demontage, während wir für den anderen nur einen Mitarbeiter benötigen? All diese Erkenntnisse können gewinnbringend verwendet werden, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Und sicher auch in der eigenen Produktion, wie das Beispiel Amberg ja gezeigt hat, oder?

Hoke: Genau, wir haben z.B. ein neues Energiedatenmanagementsystem in Amberg installiert, weil wir das zunächst bei uns im Werk testen wollen. Wir haben dort die entsprechenden Messpunkte platziert. Die erfassten Daten werden dann an einen zentralen Server übermittelt und anschließend von unseren Experten ausgewertet. Diese neuen Dienstleistungen bieten wir unter dem Namen \’Energy Analytics\‘ an. Wir messen exakt die Energieverbräuche für Kühl- oder Wärmekreisläufe usw. und brechen diese auf Einzelverbraucher spezifiziert runter. Damit können wir Optimierungen auf unterschiedlichsten Ebenen im Werk durchführen – von der Anlagen- bis hin zur Maschinenebene.

Jetzt wird das manchmal ein bisschen typisierend oder schablonenhaft gesagt: Großes Unternehmen – schlechter Service, kleines Unternehmen – guter Service. Siemens ist ja ein richtiger Weltkonzern, was würden Sie zu so einer Einschätzung sagen?

Hoke: Wir behaupten nicht, dass wir perfekt sind. Wir glauben aber, dass wir mit unserem Ansatz, die Servicethemen zu bündeln und die Standardisierung bei Tools und Prozessen voranzutreiben, beim Kunden signifikant besser werden. Und das werden wir auch messen. Dazu haben wir neue Prozesse aufgesetzt und ausgerollt, um die Kundenzufriedenheit nicht nur einmal im Jahr, sondern gezielt nach jedem Serviceauftrag zu ermitteln, um zu sehen: Erfüllen wir unsere Ansprüche bzw. die des Kunden oder gibt es da Abweichungen? Und wenn ja, werden wir die sehr schnell ausloten. Unser Ziel ist und das ist auch meine absolute Überzeugung: Wir können im Service nur auf Dauer überleben, wenn wir zufriedene Kunden haben. Nur weil wir \’Siemens\‘ auf unserer Visitenkarte haben, werden wir nicht automatisch einen Service-Vertrag erhalten. Wir müssen uns differenzieren. Wir bieten hochwertige Serviceleistungen. Wir sind nicht diejenigen, die die Schaltschränke abstauben. Stattdessen müssen wir unseren Kunden jeden Tag nachweisen können, dass wir State-of-the-art-Leistungen anbieten und dass wir ihnen helfen, produktiver und effizienter zu werden. Wenn wir das nicht können, dann wird auch der Name \’Siemens\‘ uns nicht zu weiteren Aufträgen verhelfen.

Siemens ist ja global aufgestellt und jetzt geht es auch darum, global bestimmte Qualitätskriterien zu erreichen, sodass man einheitliche Standards auch weltweit erreichen kann. Wie gelingt es Ihnen, sich weltweit so aufzustellen?

Hoke: Das Servicegeschäft selbst ist lokales Geschäft. Das heißt, wir sind nur so gut wie die lokalen Einheiten. Aber der Rahmen, den wir setzen, den machen wir im Headquarter mit unserer Strategie, mit den Strukturen und Standards, mit den Prozessen, die wir dann auch als verpflichtend in den Regionen einführen. Dadurch können wir sicherstellen, dass wir weltweit gleiche Standards und gleiche Qualitätsmaßstäbe haben.

Inwieweit unterscheidet sich das weltweit? Gibt es da große Unterschiede zwischen den Regionen, also was dann auch von Kunden an Service-Dienstleistungen gefordert wird?

Hoke: Unser Ziel ist es, dass wir – gespiegelt an den Kundenanforderungen – eine regionale Mindestkompetenz bereitstellen. Und damit entsprechend ein bestimmtes Expertenwissen gezielt in der Welt zur Verfügung stellen können. Die Regionen unterscheiden sich natürlich. In Asien wächst, wie Sie wissen, das Bewusstsein für die Bedeutung von Services. Das ändert sich dadurch, dass mehr und mehr Firmen aus Asien heraus in die westliche Welt expandieren und feststellen, dass sie nur überleben können, wenn sie entsprechend gute Service-Provider haben. Also, da ist ein Umdenkprozess im Gange. Wenn Sie in den Advanced Economies schauen, haben die meisten sowieso schon eine sehr stark ausgeprägte Service-Kultur. Hier ist man durchaus bereit, für einen Service entsprechend zu zahlen, wenn man erkennbar einen Mehrwert davon hat. Wir schauen uns die Märkte daher sehr differenziert an. So haben wir bereits begonnen, eine Kompetenz-Analyse weltweit zu machen, mit der wir Kundenanforderungen, Marktanforderungen und unsere eigene Kompetenz in dem Land spiegeln. Darauf aufbauend setzen wir entsprechende Maßnahmen auf, sodass wir das Marktniveau, das wir erreichen wollen, auch wirklich sicherstellen können.

In der Pressekonferenz wurde auch das Thema Apps vorgestellt bzw. die Unterstützung durch Apps. Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht denkbar, durch Apps oder überhaupt online Service zur Verfügung zu stellen?

Hoke: Wir haben schon verschiedene Pilotprojekte für verschiedenste Anwendungen gemacht. Die nächste Generation wächst ja ganz anders auf. Unsere Kinder wachsen mit iPads auf, und wenn die ein normales Fotoalbum sehen, machen sie so (zeigt das Wischen zum Umblättern), weil sie es gar nicht anders kennen. Das wird von der Usability her auch Einzug in die Industrie nehmen. Das bedeutet, wir müssen uns natürlich auch an der nächsten Generation und deren Anforderungen orientieren. Insofern glaube ich schon, dass wir viele neue Anwendungen sehen werden, die Einzug halten werden. Wir werden z.B. für uns eine globale Serviceplattform einführen, mit der wir alle Serviceeinträge, alle Service-Tickets weltweit auf einer Plattform haben. Ein weiteres Beispiel ist unsere Industry Online Support App. Damit haben Benutzer über ihr Smartphone mobilen Zugriff auf über 300.000 technische Dokumente zu allen Produkten von Siemens Industry. Wenn ein Techniker direkt an der Maschine oder Anlage ein Problem feststellt, kann er auf all diese Informationen zugreifen, wie z.B. Systemdiagnosehandbücher oder Anschlusspläne zu dem betroffenen Produkt. Auch das Absetzen einer Anfrage an den Technical Support ist direkt über die App möglich.

Wenn Sie so ein wenig in die Zukunft schauen, wo könnten Sie sich vorstellen, dass sich das Service-Geschäft noch hinentwickelt?

Hoke: Erstens glauben wir, dass wir noch viel Wachstumspotenzial haben. Schließlich haben wir weltweit eine sehr große installierte Basis an Automatisierungs- und Antriebstechnik, die wir noch nicht vollständig nutzen. Dieses Potenzial wollen wir selbst bzw. gemeinsam mit unseren Partnern, den OEMs, heben. Das ist definitiv der erste Schritt, den wir erreichen wollen. Zweitens: Internet der Dinge bzw. Industrie 4.0. Wenn jede Komponente eine IP-Adresse hat und kommuniziert, und vor allen Dingen auch intelligent kommuniziert, dann werden auch neue Service-Angebote entstehen. Zum einen, weil die Komponenten in Kombination mit einem zustandsorientierten Monitoring-System in der Lage sind, selbst zu melden, wann sie ein Problem haben. In Kombination mit einem selbstlernenden Fehlerdiagnosesystem werden wir zum anderen in der Lage sein, gleichzeitig noch Lösungsvorschläge zu machen oder sogar entsprechende Service-Schritte anzustoßen. Da wird sich viel tun. Das betrifft natürlich Themen wie Data Analytics, die zunehmende Datenflut. Alles, was kommuniziert, erzeugt mittlerweile Terabytes an Daten. Die Krux wird sein: Wie kann ich aus diesen riesigen Datenstömen gezielt die relevanten Informationen rausfiltern und dann wieder dem Kunden einen Mehrwert-Service als Empfehlung zurückgeben? Diese Themen werden wir verstärkt untersuchen. Wir gehen davon aus, dass hier neue Dienstleistungen entstehen werden, die wir uns heute vielleicht noch gar nicht vorstellen können.

Da höre ich heraus, dass für Sie das Thema Internet der Dinge oder Industrie 4.0, was etwas schlagwortartig daherkommt, durchaus praktische Relevanz hat.

Hoke: Natürlich – wir sehen das ja auch im Alltag. Ich meine, es gibt da gute und auch visionäre Applikationen. Z.B., wenn der Kühlschrank selbst meldet, wann er leer ist und wann wieder Butter gekauft werden muss. Das ganze Thema wird sich früher oder später natürlich in der Industrie widerspiegeln und wir werden mit diesen Anforderungen konfrontiert werden. Technologisch heute die Verbindung zwischen verschiedenen Industriebereichen herzustellen, ist nicht mehr das Problem.

Vielen Dank für das interessante Interview.

Siemens AG
http://www.siemens.de

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