Objektidentifikation als Kernprozess adaptiver Automatisierungssysteme
Die wiederkehrende Identifikation von Bauteilen und Baugruppen aufgrund der undefinierten Bauteilzuführung stellt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu klassisch-deterministischen Automatisierungssystemen dar, in denen eine eindeutige Reihenfolge durch die Prozesse eingehalten werden muss. Um individuelle Produkte durch ein starr automatisiertes System zu leiten, muss diese Reihenfolge durch das Leitsystem stets verfolgt und vor möglichen Veränderungen (z.B. durch manuelle Eingriffe) geschützt werden. Je größer bzw. komplexer das Produktionssystem ist, desto aufwändiger wird die Programmierung des Leitsystems. Ein Ausfall und anschließender Wiederanlauf des Gesamtsystems bedeutet daher, neben dem resultierenden Produktionsstillstand häufig auch, dass eine manuelle Anlaufphase durchlaufen werden muss. Um die Komplexität auf Ebene des MES zu senken, wird im Application Park daher der Ansatz verfolgt, Produkte bei Eintritt in eine Fertigungszelle zu identifizieren und den Materialfluss sowie die Einzelprozesse auf Zellenebene anhand einer Bauteil-ID zu planen. Um hier eine möglichst hohe Kosteneffizienz zu erzielen, wurde ein temporärer Einbau der zur Identifikation genutzten RFID-Chips mit Rückführung vor der Montage realisiert.
Produktbezogene Modelle bilden die Grundlage der flexiblen Betriebsmittelprogrammierung
Die Individualisierung bei der Produktgestaltung setzt im Application Park einerseits voraus, dass die Herstellungsprozesse ohne konstruktive Umbaumaßnahmen an die Individualisierungsmerkmale angepasst werden können. Andererseits müssen die Steuerungsprogramme insbesondere bei der automatisierten Montage unterschiedlicher Baugruppen jeweils an einen neuen Bauplan angepasst werden. Um diese Schwierigkeiten, die sich aus der Komplexität des Produktionssystems ergeben, effizient zu lösen, bieten modellbasierte Steuerungskonzepte die Möglichkeit, Prozesse bzw. Entscheidungen direkt mit den Eigenschaften des Produktmodells zu verknüpfen. So kann auf Grundlage der geometrischen CAD-Daten ermittelt werden, ob Baugruppen mit der aktuellen Betriebsmittelkonfiguration hergestellt werden können. In gleicher Weise können umgekehrt auch die Grenzen, in denen ein Kunde sein Produkt individuell gestalten kann, direkt von der aktuellen Anlagenkonstruktion abgeleitet werden. Bezogen auf die Montage bzw. Demontage wurde darüber hinaus eine Steuerungssoftware auf Zellenebene implementiert, die die CAD-Daten der Produktbaugruppen interpretiert und hieraus einen Arbeitsplan sowie die notwendigen Befehle für die Roboter- und Logiksteuerung generiert (Bild 2). Auf diese Weise wird der Herstellungsprozess bestmöglich an das Engineering (individuelle Bauteilgestaltung) angegliedert.
Ziel: Potenziale der vernetzten Produktion verstehen
Der am WZL entwickelte und aufgebaute Application Park ermöglicht die vollständige Abbildung eines modernen Produktionssystems von der Unternehmens- bis zur Feldebene inklusive der Ausarbeitung von Konzeptstudien einzelner Automatisierungsschritte. Innerhalb dieses Produktionssystems können neue Steuerungskonzepte (beispielsweise mit kognitiven Anteilen) auf allen Ebenen der Automatisierungspyramide entwickelt und validiert werden. Der Application Park kann damit insbesondere die systemischen Anforderungen der \’Industrie 4.0\‘ für vernetzte Steuerungsarchitekturen darstellen, anhand derer die Übertragbarkeit und Anwendbarkeit auch auf neue Industrieanlagen sichergestellt wird. Diese Steuerungsarchitekturen werden anhand des Application Parks in enger Zusammenarbeit zwischen Partnern aus der Industrie und des WZL bis zur Industriereife weiterentwickelt und bieten somit wertvolle Erfahrungen zur Optimierung industriell eingesetzter Produktionsanlagen oder zur Bewertung von im jeweiligen Unternehmen geplanter Maßnahmen. So werden industrienahe Erweiterungen und Evaluationen von Automatisierungskonzepten auf Zellen-, Stations- und Anlagenebene durchgeführt, die eine spezielle Analyse, die Ermittlung von Leistungsbenchmarks oder eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ermöglichen. Somit können in der Demofabrik des WZL Forschungsprojekte unter Berücksichtigung industrieller Rahmenbedingungen durchgeführt werden.