50 Jahre Simatic Eine kleine Geschichte der Zeit

Seit 50 Jahren prägt und reflektiert Automatisierung von Siemens den Wandel in der industriellen Fertigung und eröffnet immer wieder neue Horizonte der Produktivität und Qualität. Das Jubiläum nutzen wir für einen Rückblick und eine spannende Reise durch 50 Jahre Industrie- und Automatisierungsgeschichte: von den Wirtschaftswunderjahren bis zum Internet-Zeitalter, von den ers­ten Automaten bis zur digitalen Fabrik.

In den 50er Jahren befindet sich die Industrie noch mitten im Zeitalter der Mechanisierung, als die ersten Automaten eine Revolution in der Fertigung ankündigen: Diese Maschinen übernehmen einfache Aufgaben wie Stanzen und Drehen automatisch und ermöglichen enorme Fortschritte in der Produktivität. Transistor verändert die Welt Feste Bestandteile der Steuerungstechnik waren Mitte der 50er Jahre Relais und Schütze. Doch in der Nachrichten- und Regelungstechnik gab es bereits die ersten Anwendungen eines völlig neuartigen Bauelementes: des Transistors. Transistoren boten mit ihrer signalverstärkenden Wirkung erhebliche Vorteile, und so war es nur logisch, dass 1955 bei Siemens erste Reglerschaltungen mit Germanium-Transistoren entwickelt wurden. Am 2. April 1958 wurde Simatic als Warenzeichen eingetragen. Zunächst auf logische Funktionen beschränkt, wurde die erste, Germanium-basierte Simatic G bald schon für Zählaufgaben eingesetzt. 1964 folgte ein grundlegender Umstieg in der Technologie: Steuerungs- und Schaltkreissysteme wurden in dem temperaturunabhängigeren Silizium realisiert. Diese Entwicklung mündete in der Simatic N Reihe und den speziellen Systemen Simatic H und Simatic P. Nach wie vor war die Funktionalität der Steuerungen als Verdrahtung von Baugruppen angelegt. Diese Verdrahtung wurde in der Regel noch beim Hersteller nach den Unterlagen des Projekteurs ausgeführt. Wachsende Produktvielfalt Ende der 70er Jahre steht die Industrie vor neuen Herausforderungen. Trafen bisher ihre Produkte typischerweise auf offene, ungesättigte Märkte, treten Unternehmen jetzt verstärkt in Konkurrenz um die Gunst der Kunden. Es gilt, sich von Produkten anderer Hersteller abzusetzen – durch einen günstigeren Preis, eine bessere Qualität, eine höhere Vielfalt an Produktvarianten oder neue Funktionen. Um den Anforderungen der zunehmend automatisierten Prozesse zu genügen, verändert sich auch das Produktdesign: Manufacturability wird zum Kriterium beim Design neuer Komponenten. Zudem treibt die Industrie auch die Vernetzung der einzelnen Prozesse innerhalb einer Fertigung über Rechnersysteme: Computer Integrated Manufacturing in der Automobilindustrie als Vorläufer der vernetzten Fertigung der 90er. Der Siegeszug der SPS Parallel zu den Veränderungen in der industriellen Fertigung in den 70er Jahren setzte ein neuer Steuerungstyp zu einem unglaublichen Siegeszug an: die Speicherprogrammierte Steuerung (SPS), bei der die Funktionalität nicht mehr verdrahtet, sondern als Programm hinterlegt war. Zur Programmierung der SPS wurden ab Mitte der 70er Jahre erste mobile Programmiergeräte eingesetzt, die bezüglich Komfort, Gewicht und Robustheit mit den handlichen Geräten von heute überhaupt nicht vergleichbar sind. Die Erfolgsgeschichte der SPS unter dem Namen Simatic begann auf der Hannover Messe 1979: Mit der Simatic S5 gelang der SPS in nahezu allen Branchen endgültig der Durchbruch. Gleichzeitig wuchsen aber auch die Anforderungen der Kunden an Funktionalität und Bedienbarkeit der Systeme. Um die Programmierung der Systeme weiter zu vereinfachen, hielten in den 80ern Bildschirme und die grafische Programmierung Einzug in die Steuerungstechnik. Darüber hinaus gab es bereits früh den Wunsch, Funktionen zu dezentralisieren, um Verkabelungsaufwand zu sparen, indem man die Signale nah an der Maschine zusammenfasste und gemeinsam an die SPS übertrug. Mit dem Aufkommen der Feldbustechnik gelang der dezentralen Peripherie der Durchbruch. 1993 wurde Profibus als Norm anerkannt, und die Vernetzung wird zu einem immer wichtigeren Aspekt in der Automatisierung. Vernetzte Produktion Mitte der 90er Jahre ermöglichen On-time- und In-time-Prozesse eine enge Verzahnung von Abläufen innerhalb eines Fertigungsprozesses, was neue Ratiopotenziale eröffnete. So lassen sich Produkte in hoher Stückzahl mit unterschiedlichen Eigenschaften wirtschaftlich fertigen – an weitgehend automatisierten Fertigungsstraßen, die gleichzeitig eine hohe Fertigungsqualität ermöglichen. Diese Integration von Abläufen eröffnet auch bei Wartung und Instandhaltung, bei der Produktionsplanung und bei der Optimierung von Prozessen neue Ratiopotentiale: Kapazitäten können besser ausgelastet werden, Stillstandszeiten werden vermieden. Totally Integrated Automation 1996 stellte Siemens auf einer Pressekonferenz in Rotterdam Totally Integrated Automation vor. Mit Totally Integrated Automation wurde sowohl die vertikale als auch die horizontale Durchgängigkeit sichergestellt: horizontal vom Wareneingang über die Produktionskette bis zum Warenausgang, vertikal über alle Ebenen der Automatisierungspyramide. Gleichzeitig kündigte Siemens auch die Integration von Fertigungs- und Prozessautomatisierung an: Das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 baut auf Standardkomponenten aus dem Simatic-Spektrum auf – eine Entwicklung, die die bestehenden Grenzen zwischen Prozessleittechnik und SPS überwand. Mit Totally Integrated Automation begann endgültig das Zeitalter der Dezentralisierung. Die zunehmende Miniaturisierung der Elektronik erlaubte es, immer mehr Funktionalität in immer kleinere Geräte zu verlagern. Die dezentrale Peripherie erhielt eigene Intelligenz und übernahm zunächst Aufgaben der Datenverarbeitung und schließlich auch der Steuerung. Die Geräte konnten in entsprechend hoher Schutzart aufgebaut werden, sodass sie auch in staubbelasteten oder feuchten Umgebungen oder auch im Freien eingesetzt werden konnten. Parallel dazu machte auch die Sicherheitstechnik große Fortschritte. Mit Safety Integrated stellte Siemens 2000 ein Konzept vor, das es ermöglicht, Standard- und Sicherheitsautomatisierung in einem System zu kombinieren. Flexible Fertigung Mit der Jahrtausendwende gehörte Fertigung in Losgröße 1 dann endgültig zum industriellen Alltag: Selbst komplexe Produkte wie Autos oder Computer werden innerhalb des automatisierten Fertigungsprozesses nach den individuellen Spezifikationen des Kunden zusammengebaut. Die hohe Flexibilität der Linien ermöglicht es auch, neue Produkte schneller auf den Markt zu bringen und so im globalen Wettbewerb der Konkurrenz ein Stück voraus zu sein – entscheidend in Märkten, die zunehmend von einem harten Preiskampf geprägt sind. Fertigung im \’Global Village\‘ bedeutet zunehmend, Standorte landes- und kontinenteübergreifend zu koordinieren. Um die Zeit bis zur Markteinführung weiter zu verkürzen, können neue Linien noch vor Inbetriebnahme virtuell aufgebaut und getestet werden. Gleichzeitig steigt der Anspruch von Verbrauchern und Behörden an Sicherheit und Qualität industrieller Produkte weiter – Transparenz von Prozessen wird immer wichtiger, da die Verantwortung der Industrie für ihre Produkte nicht mehr an den Fabriktoren endet. Integration der IT-Welt Lange Zeit betrachteten die Systeme auf der administrativen Seite eines Unternehmens die Produktion als Black Box. Für eine effektive Fertigung müssen aber Maschinen, Mitarbeiter und Prozesse koordiniert und synchronisiert werden. Genau das ­leis­tet ein Manufacturing Execution Systems (MES). Mit Simatic IT stellte Siemens 2002 ein solches ­Sys­tem vor, das als einziges konsequent die Vorgaben des Standards ISA-95 für MES umsetzte. Damit schloss Siemens die Lücke zwischen der Fertigung auf der einen und den Management-Systemen auf der anderen Seite. Bei der Entwicklung neuer Kommunikationsstandards stehen Protokolle für die drahtlose Datenübertragung im Mittelpunkt, die auch sicherheitsgerichtete Informationen beinhalten können. Schließlich tragen leistungsfähige Simulationstools dem Wunsch der Kunden Rechnung, Anlagen komplett zu modellieren und virtuell zu testen und in Betrieb zu nehmen. Damit zeichnet sich der nächste entscheidende Schritt in der Geschichte der Automatisierung ab: die Digitale Fabrik. Die Digitale Fabrik Es ist wieder einmal die Automobilindustrie, die neue Technologien als Erste einführt. Sie nutzt das Konzept der Digitalen Fabrik, in der alle Abläufe – von der Materiallogistik bis hin zum konkreten Fertigungsschritt – simuliert und modelliert werden. So lassen sich neue Fertigungskonzepte am Computer auf Herz und Nieren testen und alle Systeme aufeinander abstimmen – noch bevor der erste Spatenstich für ein neues Werk getan ist. Umgekehrt lassen sich aber auch komplexe bestehende Fertigungen virtuell optimieren und modifizieren, beispielsweise um die Umstellung auf ein neues Produkt zu testen. Die \’reale\‘ Fertigung setzt hinterher die Ergebnisse der Simulation um – ohne langwierige Einlauf- und Einfahrprozesse. Anhand des Beispiels einer hochmodernen Automobilfertigung, die in allen Schritten mit Siemens-Technologie für die Automatisierungs- und Antriebstechnik sowie für die Energiezuführung ausgerüstet ist, zeigt Siemens auf der Hannover Messe 2008 Simatic-Innovationen zu Profinet, Embedded Automation und Safety sowie die neue Version 3.0 des Automation Designers, einer Engineering-Lösung für die Digitale Fabrik. Damit demonstriert Siemens, dass 50 Jahre nach Simatic das Karussell der Entwicklung noch lange nicht zum Stillstand gekommen ist. Kasten 1: \’Ziel noch nicht erreicht\‘ Sind 50 Jahre Entwicklung genug? Nein, so die eindeutige Antwort von Dr. Gerd-Ulrich Spohr, Leiter Strategie-Entwicklung Technik der Siemens-Divisionen Drive Technologies und Industry Automation. Das SPS-MAGAZIN sprach mit ihm über die Zukunft der Automatisierung und welche Veränderungen schon heute abzusehen sind. Herr Spohr, wie würden Sie den aktuellen Stand der Automatisierung beschreiben – eher kleine Fortschritte auf hohem Niveau oder befinden wir uns vor dem nächsten technologischen Umbruch? Gerd-Ulrich Spohr: Wir haben zwar inzwischen in den Industriestaaten ein beträchtliches Niveau in der Automatisierung erreicht, trotzdem werden aber Fortschritte in der Technologie immer wieder neue Entwicklungsschübe in Gang setzen. So werden beispielsweise derzeit die Möglichkeiten der Wireless-Technologie in vielen Anwendungen erprobt und eine Fülle von funkbasierten Produkten von mehreren Herstellern auf den Markt gebracht. Welche Anforderungen werden dabei von Kundenseite an die Automatisierung herangetragen? Gerd-Ulrich Spohr: Die am häufigsten genannten Kundenanforderungen betreffen zum einen eine wesentliche Vereinfachung und dadurch Beschleunigung des Engineerings von Automatisierungslösungen und zum anderen deren leichtere Bedienung und Beobachtung durch intuitiv beherrschbare Oberflächen. Diese Forderungen sind nicht neu, doch sie zeigen, dass wir bei allem Fortschritt das Ziel noch nicht erreicht haben. Gibt es unterschiedliche Themen in den einzelnen Branchen oder sehen Sie auch branchenübergreifende \’heiße Eisen\‘? Gerd-Ulrich Spohr: Sicher gibt es die ein oder andere \’Branchenspezialität\‘, aber es gibt auch ein branchenübergreifendes Zukunftsthema: die \’Digitale Fabrik\‘. In allen Branchen werden bereits heute sowohl die Produkte als auch die erforderlichen Produktionsanlagen zu einem Teil mit CAx- und PLM-Werkzeugen geplant und in Computersimulationen auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft. Diese Vorgehensweise wird sich in den nächsten Jahren wesentlich verstärken: In rund zehn bis 15 Jahren wird wohl jede neue Fabrik vor Beginn der Bauarbeiten komplett auf dem Computer simuliert werden. Dies bedeutet auch eine Herausforderung für die Automatisierungssysteme: Ein Großteil des Engineerings kann dann aus den Simulationsergebnissen abgeleitet werden, aber gleichzeitig muss ein elektronisches Modell des Automatisierungssystems für die Simulation bereitgestellt werden. Hier wird in den nächsten Jahren noch einiges an Entwicklung erforderlich sein. Gilt dies weltweit oder gibt es regionale Unterschiede? Gerd-Ulrich Spohr: Generell lassen sich gewisse Qualitätsstandards nur durch einen Mindest-Automatisierungsgrad erreichen. In Teilbereichen kann es aber durchaus wirtschaftlicher sein, durch den Einsatz preiswerter menschlicher Arbeitskräfte auf den einen oder anderen Roboter oder das vollautomatische Flurförderzeug verzichten zu können. Das wird stark vom Angebot und Preisniveau entsprechender Arbeitskräfte beeinflusst. Wie wird der globale Wettbewerb Ihrer Meinung nach die Entwicklung der Produktivität und damit der Automatisierung beeinflussen? Gerd-Ulrich Spohr: Darauf gibt es eine eindeutige Antwort: Bei einem globalen Wettbewerb ist der Automatisierungsgrad ein wesentlicher Faktor, um eventuelle Standortnachteile auszugleichen oder sogar in Vorteile umzuwandeln. Welche Rollen spielen der Gesetzgeber oder Normierungsgremien bei den Veränderungen in der industriellen Produktion? Gerd-Ulrich Spohr: Rückverfolgbarkeit und Produkthaftung sind natürlich ganz wichtige Themen. Die Forderungen nach lückenloser Rückverfolgbarkeit und Dokumentation etwa bei Arzneimitteln hat in der Pharmaindustrie in den vergangenen Jahren zu einem hohen Automatisierungsgrad mit der Erfassung aller wesentlichen Produktionsdaten geführt. Ähnliche Anforderungen werden inzwischen von der EU auch an die Produktion von Nahrungsmitteln gestellt. Aber auch die Automobilindustrie erwartet von ihren Zulieferern eine lückenlose Dokumentation der Produktionsprozesse. Wo sieht sich Siemens in diesem Umfeld – reagieren Sie oder agieren Sie? Gerd-Ulrich Spohr: Wir sehen uns, gerade beim Zukunftsthema \’Digitale Fabrik\‘, an der vordersten Front der Entwicklung. Durch die Akquisition des PLM-Softwareherstellers UGS im letzten Jahr und dessen Integration in die Division Industry Automation sind wir derzeit wohl der einzige Hersteller, der das gesamte Themenspektrum von Produktplanung über die Produktionsplanung, Simulation, Automatisierung bis hin zum Betrieb der Produktionsanlage mit entsprechenden Werkzeugen und Produkten in seinem Portfolio abdeckt. Dies gibt uns eine gute Ausgangsposition um diese Werkzeugkette in den nächsten Jahren besser zu integrieren und entsprechend der Anforderungen weiter zu entwickeln. Vielen Dank für das Gespräch! Kasten 2: Arnold Zankl zur Geschichte der Simatic \’Damals hatte man nicht im Entferntesten geahnt, welche Entwicklung damit angestoßen wurde!\‘ – so Arnold Zankl zu den Anfängen der Simatic. Der heutige Siemens-Pensionär, Autor des Buches \’Meilensteine der Automatisierung\‘, leitete zuletzt die Strategie-Entwicklung Technik des Siemens-Bereichs Automation and Drives und hat lange Jahre die Entwicklung der Simatic-Technologie bei Siemens begleitet. Das SPS-MAGAZIN sprach mit ihm über die Meilensteine in der Automatisierung. Herr Zankl, warum sind 50 Jahre Simatic für Sie ein Grund zu feiern? Arnold Zankl: Wenn Sie so fragen: 50 Jahre Simatic sind schon ein Jubiläum wert und ein wichtiger Meilenstein für Siemens, aber gleichzeitig markiert 1958 auch das Jahr, in dem Elektronik zum ersten Mal in die industrielle Produktion Einzug hielt – wohlgemerkt Elektronik, an die Mikroelektronik und deren spätere Entwicklung hat damals natürlich noch niemand gedacht. Und deshalb konnten sich viele nicht vorstellen, wie eine so empfindliche 24V-Technik in der robusten Industrieumgebung bestehen soll. Glücklicherweise haben sich die Optimisten durchgesetzt. Welche Aufgaben haben die ersten elektronischen Steuerungen übernommen? Arnold Zankl: Schon 1959 zeigte Siemens auf der EMO, der europäischen Werkzeugmaschinenausstellung in Paris, eine elektronisch gesteuerte Revolverdrehbank, allerdings nicht vergleichbar mit dem, was man heute als CNC-Maschine kennt. Diese ersten \’selbsttätig arbeitenden Maschinen\‘ waren noch sehr primitiv – da ging es in der Steuerung vor allem um logische Verknüpfungen und um Schaltaufgaben. Eine zweite sehr frühe Anwendung waren Schweißtakter – auch noch ganz einfache Maschinen, die nur automatisch Schweißpunkte setzten, die gesamte Werkstückführung passierte noch per Hand. Interessanterweise sind das zwei Maschinentypen, die auch heute noch Schwerpunkte der Fertigungsautomatisierung sind. In den 60er Jahren haben sich dann Simatic und die verdrahteten Steuerungen der Wettbewerber schnell zahlreiche Anwendungen in allen Branchen der Industrie erschlossen. Und wie erfolgte die Programmierung dieser Steuerungen? Arnold Zankl: Programmiert wurden damals nur Computer und Prozessrechner. Steuerungen wurden abhängig von der jeweiligen Aufgabenstellung verdrahtet – in der Regel maschinell im Lieferwerk des Herstellers. Änderungen am Einsatzort waren deshalb nur bedingt und mit großem Arbeitsaufwand möglich. Dies änderte sich mit dem Aufkommen der speicherprogrammierbaren Steuerungen. Interessanterweise gab es dazu zwei völlig unterschiedliche Ansätze in Europa und in den USA: Die europäischen SPS-Hersteller wollten mit ihrer SPS vor allem Anwendungen im oberen Leistungsbereich der verdrahteten Steuerungstechnik erschließen. Die amerikanischen SPS-Hersteller hatten die Phase der verdrahteten Technik in dieser anspruchsvollen Ausführung und Vielfalt gar nicht mitgemacht. Sie nutzten deshalb die Einfachheit der SPS-Struktur, um sie schon im ersten Wurf in robuste, starkstromnahe Geräte umzusetzen. Das Ringen um die passende Bauform und die bemerkenswerten Fortschritte der Programmiergeräte brachten dann den endgültigen Durchbruch der SPS, bei Siemens mit der legendären Simatic S5, die 1979 am Markt eingeführt wurde. Wo sehen Sie dann den nächsten Wandel in der Automatisierung? Arnold Zankl: Ich würde diese Zeit etwa ab Mitte der 80er Jahre ansetzen. Sie müssen wissen, dass es bis dahin vor allem die Hersteller der Automatisierung waren, die die Entwicklung vorantrieben. Mitte der 80er Jahre hat sich das stark gewandelt – plötzlich war die Automobilindustrie Treiber des Fortschritts. Die Automobilhersteller in Europa und den USA wollten sich gegenüber dem Wettbewerb aus Japan durchsetzen und benötigten zu diesem Zweck flexiblere Fertigungen, auf denen sich eine breitere Modellpalette fertigen ließ. Dazu war ein höherer Automatisierungsgrad die Voraussetzung. Ich erinnere mich da an einen Fachartikel, den Siemens im Jahr 1986 veröffentlichte. In diesem Artikel sind die Anforderungen der Industrie skizziert – Anforderungen, die auch heute noch modern klingen: Mehr Flexibilität bei geringen Kosten und ein schnellerer Übergang von der Idee bis zur Markteinführung des Produktes – heute sagt man Time-to-Market dazu. Damals wie heute stand fest, dass man diese Forderungen nur mit intelligenter und leistungsfähiger Automatisierung erreicht. Welche Auswirkungen hatten diese Anforderungen auf die Entwicklung in der Automatisierung? Arnold Zankl: Die Automobilindustrie verfolgte damals mit dem Konzept Computer Integrated Manufacturing die Vernetzung der zunehmend intelligenten Fertigungseinrichtungen. Diese war nur möglich durch herstellerübergreifende Standards, vor allem auf dem Gebiet der Kommunikation. Offenheit wurde eine zentrale Forderung der Kunden. Dies mündete in die Standards für Feldbusse einerseits, und in eine größere Offenheit der Automatisierungssysteme andererseits. Beides wurde dann bei Siemens mit Totally Integrated Automation erstmals in einem durchgängigen Systemspektrum umgesetzt. Worin sehen Sie die größten Leistungen der Automatisierung? Arnold Zankl: Heute ist Automatisierung in wirklich allen Branchen die dominierende Technologie. Und mit dieser weltweiten und universellen Verbreitung ist sie ein Thema mit gesellschaftlicher Relevanz. Automatisierung vernichtet Arbeitsplätze – das war lange Zeit der Vorwurf, dem die Hersteller solcher Sys­teme ausgesetzt waren. Das mag zwar in einigen Bereichen richtig gewesen sein, aber dabei wird leicht vergessen, welche positiven Leistungen Automatisierung in der Industrie erbringt. Die heutigen Standards für die Qualität von Produkten sind von Hand nicht einzuhalten. Eine Kurbelwellenfertigung in China oder Indien muss die gleichen Qualitätsanforderungen erfüllen wie eine Fertigung in Japan oder Europa, sonst ist sie nicht wettbewerbsfähig. Ein anderes Thema, bei dem Automatisierung eine Kernaufgabe in allen Ländern übernimmt, ist die Sicherheit – etwa in der chemischen Industrie, aber auch in der Fertigung, um Menschen und Maschinen vor Schaden zu bewahren. Dass gefährliche Arbeiten durch Automatisierung sicherer geworden sind, ist für mich eine echte Errungenschaft. Arbeitskosten und Arbeitsplätze sind eben nicht das einzige Moment, das man bei der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bewertung der Automatisierungstechnik betrachten muss. Herr Zankl, vielen Dank für das Gespräch. Halle 9 Stand A72

Thema: Allgemein
Ausgabe:
Siemens AG
http://www.simatic.de

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