25 Jahre Industrial Ethernet

Die Verwendung Ethernet-basierender Kommunikationslösungen in der Automatisierung ist heute weltweit etabliert. Sie finden, in den diversen Ausprägungen der verschiedenen Feldbus-Organisationen, in unterschiedlichsten Applikationen breite Anwendung. Vor 25 Jahren begann diese Technologie ihre beispiellose Erfolgsgeschichte - Zeit für einen Rückblick.

Die Ursprünge von Ethernet datieren zurück auf das Jahr 1972, als Robert Metcalf mit seinen Kollegen am Xerox PARC unter dem Namen Aloha Network das erste Computer-Netzwerk entwarf. Bereits ab 1973 bezeichnete Metcalf die zugrunde liegende Technologie als Ethernet und entwickelt diese in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter, bis sie von Xerox 1975 schließlich zum Patent angemeldet wurde. 1979 verließ Metcalf Xerox, gründete die Firma 3COM und beschäftigte sich fortan mit der breiten Verwendung von Personal Computern und lokalen Netzwerken. Mit Unterstützung durch die Firmen Digital, Intel und Xerox wurde erreicht, dass 1980 von der IEEE der erste Ethernet-Standard publiziert wurde. Bereits 1982 hatte sich Ethernet als Standard für Büronetze etabliert. In der Folgezeit konnte Ethernet auch den starken Gegenwind, insbesondere durch die den Token Ring favorisierende Firma IBM überstehen. Hauptpunkt der Kritik am Ethernet war seit je her das Zugriffsverfahren CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access / Collision Detection), das durch den wahlfreien Zugriff jedes angeschlossenen Computers eine gewisse \’Zufälligkeit\‘ seiner Kommunikationsmöglichkeit und damit ein technisches Hindernis für Deterministik beinhaltete. Letztlich unterstützten aber neben der IEEE weitere Standardisierungsgremien (ECMA, IEC, ISO) die neue Technologie, was schließlich zum breiten Durchbruch für Ethernet als Basis für Datennetze führte. Begünstigt durch die steigenden Möglichkeiten der Mikroelektronik entstanden Anfang der 1980er Jahre in der Automatisierungstechnik zunehmend sogenannte intelligente Feldgeräte, die Daten auszutauschen hatten. Einzelne Hersteller bemühten sich zunächst um eigene Lösungen. Es wurde jedoch schnell klar, dass dieser Weg letztlich nicht erfolgreich sein konnte, da er keine Interoperabilität zwischen der Vielzahl entstehender Feldgeräte bot. Um diese Situation aufzulösen, begann in der ersten Hälfte der 1980er Jahre im ZVEI eine Arbeitsgruppe, u.a. mit Vertretern von Siemens, Bosch und Klöckner-Möller, sich mit der Feldbustechnologie zu beschäftigen. Aufgrund des enormen Finanzbedarfs wurden diese Aktivitäten zügig auf eine breitere Basis gestellt und staatlich gefördert. 1989 lag dann das Ergebnis der gemeinsamen Arbeiten, der als offener Standard definierte Feldbus Profibus (Process Field Bus), zur allgemeinen Verwendung vor. CIM als Treiber hochperformanter Vernetzung Parallel dazu wurden Anfang der 1980er Jahre revolutionäre Automatisierungskonzepte diskutiert, die mittels Computer Integrated Manufacturing (CIM) kostengünstige Fertigung bis zur Losgröße 1 anstrebten. Permanente Kommunikation auch in den höheren Automatisierungsebenen mit größeren Datenmengen, zwischen den PLCs und mit Prozessrechnern, war unabdingbar. Wesentlicher Treiber dieser Aktivitäten war die Automobilindustrie. Vor 25 Jahren begann dann der beispiellose Siegeszug einer Technologie, den damals wegen der Unzulänglichkeit hinsichtlich Deterministik keiner für möglich gehalten hätte. Die Rede ist von Industrial Ethernet, der auf den Spezifikationen der IEEE 802.3 basierenden Kommunikationstechnologie für flexible und performante Automatisierungsnetzwerke. Die erste industrietaugliche Ethernet-Version basierte auf dem IEEE-802.3-Standard 10Base5 für 10-Mbit/s-Netzwerke und wurde von Siemens bereits 1985 unter dem Namen Sinec H1 am Markt eingeführt. Für Sinec H1 wurde das im Standard definierte Koaxialkabel (Yellow Cable) mit einem speziellen Schirm gegen elektromagnetische Störungen geschützt. Damit war das Triaxialkabel geboren, das bis Ende 2003 aktiv vermarktet wurde. Den nächsten Meilenstein erreichte Industrial Ethernet im Jahre 1989, als Siemens die optische Kommunikation in der Industrie einführte. Das ebenfalls mit 10-Mbit/s-Datenrate ausgestattete optische Industrial Ethernet wurde in den ersten Jahren unter der Bezeichnung Sinec H1FO (Fiber Optic) vermarktet. Basierten die Triaxial-Netzwerke der ersten Stunde noch auf rein passiven Komponenten, die ohne eigene Stromversorgung auskamen, wurden mit Sinec H1FO die ersten aktiven Netzwerk-Komponenten eingeführt, Geräte, die über eine eigene Stromversorgung verfügen und die Signale im Netzwerk vor der Weiterleitung verstärken konnten. Populär wurden die optischen Netzwerke wegen ihrer Unempfindlichkeit gegen elektromagnetische Störungen und insbesondere wegen der möglichen großen Ausdehnung der Netzwerke. Die Verwendung von Industrial Ethernet beschränkte sich in den Anfängen auf Control-Level-Netzwerke, da die Netzwerkanschaltungen noch zu aufwändig waren und für Feldgeräte daher nicht in Frage kamen. Anfang der 1990er Jahre konzentrierten sich die Hersteller von Automatisierungstechnik also auf die Weiterentwicklung der bekannten Feldbusse wie z. B. Profibus, was eine gewisse Stagnation in der Entwicklung von Industrial Ethernet bewirkte. Begünstigt wurde dies auch durch eine gewisse Skepsis gegenüber der im Bürobereich verwendeten neuen Verkabelungstechnik Twisted Pair und dem fehlenden Bedarf an höheren Datenraten als 10Mbit/s. Eine neue Dimension erreichte Industrial Ethernet 1996. Mit dem ersten 100Mbit/s schnellen Fast-Ethernet-Hutschienen-Switch zusammen mit der Industrial-Twisted-Pair-Verkabelungstechnologie präsentierte Siemens eine bzgl. Leistungsfähigkeit um Faktoren verbesserte Vernetzungstechnologie in Verbindung mit einer robusten und zuverlässigen Twisted-Pair-Anschlusstechnik. Sehr erfolgreich war diese Switch-basierte Industrial-Ethernet-Lösung wegen der erstmals angebotenen schnellen Ringredundanz insbesondere in den Contol-Level-Netzwerken der Prozessautomatisierung, wo sie bis heute in zunehmendem Umfang Verwendung findet. Durchbruch mit Profinet Nachdem sich Industrial Ethernet einige Jahre als firmenspezifische Vernetzungslösung Sinec H1 am Markt behaupten konnte, wurde im Jahre 2001 von der Profibus Nutzerorganisation (PNO) – seit 2006 Profibus & Profinet International (PI) – der Standard Profinet CBA (CBA steht für Component Based Automation) veröffentlicht, dem 2004 der Standard Profinet IO mit seinem Echtzeit-Kommunikationsprofil Isochronous Real Time (IRT) folgte. Damit hatte sich Industrial Ethernet den Zugang zur Vernetzungsebene der Feldgeräte in der Fertigungsautomatisierung erschlossen und wurde so zur Massentechnologie für die Automatisierung. Basis für die Isochronous-Real-Time- oder Real-Time-Netzwerke im Field- und Control-Level waren und sind die Switches der Scalance X Produktfamilie. Zwei Faktoren hatten diesen Schritt begünstigt. Zum einen fielen durch die breite Verwendung von Ethernet im Bürobereich die Bauteilepreise, wodurch Netzwerkanschaltungen günstiger herzustellen waren. Zum anderen wurde durch Spezialbausteine – welche Netzwerkanschaltung und Switching-Funktionalität vereinten – die Integration von Ethernet in kostensensitive Feldgeräte ermöglicht. Wesentlich für den Durchbruch von Profinet war zudem die Standardisierungsarbeit der PI auf dem Gebiet der Kommunikationsprofile wie Profidrive und Profisafe. Dem großen Erfolg von Profinet in der Fertigungsautomatisierung folgend wurden schließlich 2006 die Arbeiten an der Spezifikation von Profinet für die Prozessautomatisierung gestartet. Auf der Netzwerkebene Control-Level erfolgte der nächste Evolutionsschritt im Jahre 2008, als Gigabit Ethernet als Twisted-Pair- und Fiber-Optic-Netzwerklösung, bestehend aus Netzwerkkomponenten und Netzwerkanschaltungen, Einzug in die Automatisierung hielt. Sichere Automatisierungsnetze, drahtgebunden oder wireless Schon in frühen Jahren der Automatisierungstechnik wurden Stimmen laut, die eine leistungsfähige und einfach zu integrierende drahtlose (wireless) Kommunikation forderten. Kabelgebundene Netze allein boten trotz Verfügbarkeit diverser Spezialkabel, z.B. für Schleppketten oder Girlandenmontage, nicht die gewünschte Flexibilität. Basierend auf Profibus waren leistungsfähige Funklösungen nicht realisierbar, da die transparente Übermittlung des im Profibus verwendeten Tokens über Funknetze zu dieser Zeit nicht zuverlässig garantiert werden konnte. Andere vorhandene drahtlose Kommunikationsmechanismen auf der Basis von Funk oder Licht bereiteten erheblichen Aufwand bei der Integration oder brachten andere Nachteile speziell für die Datensicherheit mit sich. Bereits Ende 2001 hatte Siemens daher die ersten Wireless-LAN-Komponenten für die Automatisierungstechnik am Markt eingeführt, wobei Wireless LAN quasi als \’Funk-Verlängerung\‘ des kabelgebundenen Industrial Ethernet diente. Aufgrund der zunehmend divergenten Anforderungen aus den diversen Applikationen erfolgte dann Mitte 2004 eine grundlegende Innovation und Erweiterung des Siemens-Produktspektrums für Industrial Wireless LAN (IWLAN) durch die Access Points und Funk-Client Module Scalance W, und Mitte 2005 wurden mit der Leckwellenleiter-Technologie RCoax weitere Applikationen für Industrial Wireless LAN erschlossen. Neben der drahtgebundenen und drahtlosen Kommunikationsinfrastruktur darf bei der Diskussion um Ethernet ein wichtiges Thema nicht unerwähnt bleiben: Security! In den euphorischen Anfangstagen von Ethernet richtete man das Hauptaugenmerk auf die breite Markteinführung und einfache Nutzung dieser Vernetzungstechnologie. Erst durch das Zusammenschalten vieler Netzwerkinseln zum Internet taten sich neue Möglichkeiten auf. Eine gewissermaßen anonymisierte, ortsunabhängige Nutzung von Netzwerken war die Basis zum Missbrauch – Security wurde zur Herausforderung für Netzwerke. Zwar ist die Verbreitung von Viren, Würmern oder Trojanern nicht alleine an Ethernet-Netzwerke gebunden, da Ethernet heute aber mit mehr als 90% die am häufigsten genutzte Technologie für lokale Netze ist, wurde der Schutz vor unlauterer Nutzung eine Herausforderung für Ethernet. Siemens bietet seit Ende 2004 mit den einfach zu integrierenden Produkten Scalance S wirkungsvollen Schutz von Automatisierungszellen mittels Firewall-Funktionalität oder VPN-Verbindungen. Das Zellenschutzkonzept ist eine kostengünstige Security-Lösung zum Nachrüsten oder für neu zu installierende Netze, da nicht jedes einzelne Endgerät separat geschützt werden muss. Dieses Zellenschutzkonzept ist heute auch Bestandteil der Profinet Security Guidelines. Ergänzt wird dieses Konzept durch spezielle Security-Software, die auch Industrierechner in ein sicheres Automatisierungsnetz einbindet. Ausblick

Siemens AG
http://www.siemens.de/

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