Qualitätssicherung 4.0

Die Zukunft des Qualitätsmanagements
Die Integration der Qualitätssicherung (QS) in die Produktion ist für Professor Robert Schmitt, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen, mit Blick auf Industrie 4.0 von besonderer Bedeutung. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) entwirft ein Bild der QS-Zukunft.

Brauchen wir eine QS 4.0 oder reicht die bereits vorhandene computerunterstützte QS aus?

R. Schmitt: Durch die Umwälzungen der Industrie 4.0 werden mehr Daten anfallen, die schneller miteinander verknüpft werden: Das Spiel wird schneller. Lebte das bisherige Qualitätsmanagement von sorgfältig begründeten Kausalketten, so führt morgen vermutlich die Korrelation zahlreicher, zunächst scheinbar nicht zusammenhängender Größen zu schnelleren QS-Maßnahmen. Industrie 4.0 wird das Qualitätsmanagement auf jeden Fall beschleunigen.

Wenn die Werkzeugmaschine und die Produktion mithilfe von Sensorik mehr Daten erfassen kann: Was bedeutet das für die Signalverarbeitung mit Blick auf Echtzeitfähigkeit und das Bewältigen der dabei entstehenden enormen Datenmengen ?

Schmitt: Es könnte uns erstmals gelingen, derzeit lückenhafte Regelkreise durch Rückkopplung technologisch zu schließen. Wir arbeiten eng mit Informatikern in Projekten zusammen, in denen es darum geht, Informationen nach Bedarf auf so genannte Wearables, z.B. Brillengläser, zu projizieren. Dazu bedarf es echtzeitfähiger Systeme. Was technologisch so faszinierend erscheint, lässt Soziologen von der \’Ironie der Automatisierung\‘ sprechen. Wenn ich der Rechenleistung eines modellgestützten Systems mehr Aufgaben übertrage, muss ich ein großes Fachwissen modellieren. Wenn das System steht, benötigt die Fabrik kurzfristig für exzellente Ergebnisse eigentlich weniger qualifizierte Mitarbeiter. Um ein Unternehmen aber auf der technologischen Höhe der Zeit zu halten, bräuchte es aber im Gegenteil eigentlich immer mehr Fachkräfte. Doch wegen der Automatisierung fehlen diese: eine zukunftsgefährdende Abwärtsspirale trotz hoher kurzfristiger operativer Exzellenz. Selbst wenn nun datengetrieben sehr schnelle Qualitätsverbesserungen möglich sind – z.B. durch das automatisierte Managementsystem \’Six Sigma in Minuten\‘ – sollte ein Unternehmen das spezifische Wissen über den Kundennutzen der eigenen Produktion verstehen und Kunden tief in die Wertschöpfung integrieren können. Wenn es das nicht macht, wenn es sich nur auf operative Exzellenz verlässt, wird es sein Wissen verlieren und austauschbar sein.

Welche Rolle spielen Qualitätsdaten, die in der Fabrik von morgen erzeugt werden?

Schmitt: Messgerätehersteller müssen sich überlegen, wer zukünftig der Herr über die Strukturen der Daten ist. Denn er bestimmt künftig das Geschäftsmodell. Und durch den fundamentalen Wandel der Digitalisierung, die besonders auch durch die Konsum-Elektronik getrieben wird, sind alle Anwender von Smartphones den bequemen Zugang auch zu komplexen Daten gewohnt. Sie wünschen sich einen vergleichbaren Bedienkomfort in der Werkstatt: Sie wollen Informationen auf einen Klick und eben nicht spezifische Geräte mit komplizierten Steuerungen bedienen. Ich wage daher zu bezweifeln, dass es in zehn Jahren noch die klassischen Bedienkonzepte und damit auch die Systeme für die computerunterstützte Qualitätssicherung (CAQ) geben wird. Schwer werden es dann auch Messgerätehersteller haben, die ihre Produkte nicht in die IT-Welt ihrer Kunden integrieren können. Die Botschaft lautet: Versteht das Geschäft und den Wert der Daten Eurer Kunden!

Lässt sich eine Werkzeugmaschine in eine Messmaschine verwandeln?

Schmitt: Vielleicht nicht so, dass die Werkzeugmaschine zur Messmaschine wird, aber wir und die Kollegen vom WZL und Fraunhofer IPT arbeiten an der Sensorintegration. Es kommt darauf an, den Großteil potenzieller Messfehler inline zu bestimmen und zu korrigieren. Allerdings muss hier auch etwas bei den Steuerungen geschehen, die bisher noch nicht für Messstrategien ausgelegt sind und strukturell keine Messaufgaben übernehmen können. Aber auch hier werden Apps auf leistungsfähiger Hardware die Landschaft verändern. Mit Blick auf die zahlreichen Funktionen eines Smartphones wird bald tendenziell kaum jemand noch hohe Preise für messtechnische Hardware, sofern sie nicht gerade hochgradig spezifisch ist, akzeptieren. Was zählt, ist Funktionalität – und die kommt aus den Daten.

Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.
http://www.vdw.de

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