Energieeffizienz steigern mit SPS, Edge Controller und KI

Heizkosten senken mit KI

Der Automatisierungsspezialist MRM2 hat ein System entwickelt, das Heizen und Kühlen von Büro- und Industriegebäuden mithilfe von Machine-Learning effizienter macht und so die Energiekosten um bis zu 20 Prozent senken kann. Mit dem Controller und dem Edge Computer liefert Wago die beiden Schlüsselkomponenten des Systems.
Bild: Ian Siepmann/Tremonia

Alles begann damit, dass Marc Gruber, Mitgründer und Geschäftsführer von MRM2, vor einigen Jahren für seine Familie ein Haus bauen wollte. Grubers Unternehmen mit rund 30 Mitarbeitern ist Spezialist für Automatisierungstechnik. Klar, dass er sich bei seinem neuen Haus nicht mit Gebäudetechnik aus vordigitalen Zeiten zufriedengeben wollte. „Ich habe mir genau angeschaut, was es alles an Produkten für die automatisierte Steuerung von Heizungen gibt – und war total enttäuscht: Was da angeboten wurde, war sehr simpel, ohne jede Intelligenz“, erinnert er sich. Da blieb nur eines: „Wenn es auf dem Markt keine passende Lösung gibt, dann schaffen wir sie eben selbst!“

Entsprechend hat die Firma MRM2 ein System entwickelt, das dafür sorgt, dass Räume exakt dann die gewünschte Temperatur haben, wenn sich dort Menschen aufhalten. Der Schlüssel dazu ist künstliche Intelligenz (KI): Integrierte Machine-Learning-Verfahren prognostizieren, wann und wie lange einzelne Räume genutzt werden. Mit diesem Wissen lassen sich die Heizkörper oder Flächen so steuern, dass sie mit geringem Energieaufwand auf den Punkt genau für Wohlfühltemperaturen sorgen. Das vermeidet unnötige Aufheizvorgänge und Dauerläufer. Im Sommer wiederum stellt das System sicher, dass genauso Klimaanlagen bedarfsgerecht und effizient arbeiten. Die nötigen Daten für die Präsenzprognosen liefern Bewegungssensoren, die insbesondere in Büros ohnehin schon oft installiert sind, um die Beleuchtung zu regeln.

Zusammenspiel der Gewerke

„Aufgrund der KI ist unsere Lösung in der Lage, Änderungen in der Nutzung einzelner Räume in sehr kurzer Zeit bei der Steuerung zu berücksichtigen“, erläutert Gruber. Auch Wettervorhersagen lässt das System in die Berechnungen mit einfließen: Ist etwa an einem Wintertag zu erwarten, dass die Sonne für einige Zeit in einen Raum scheinen wird, bleibt die Vorlauftemperatur der Heizung etwas kühler als an bewölkten Tagen. Ebenso werden die Jalousien gezielt in Positionen gefahren, um die Energieeffizienz des Gebäudes zu erhöhen. Das ist vor allem im Frühling und Herbst wichtig, wenn je nach Außentemperatur und Sonneneinstrahlung Räume entweder beheizt oder gekühlt werden müssen. Gruber zufolge ist das einzigartig im Markt. „Andere Angebote sind Insellösungen, da sie nur die Heizung oder nur die Jalousien steuern können. Wir dagegen bringen alles zusammen“, erklärt er. Und betont: „Mit der Technik von Wago können wir dabei die Integration der heterogenen Systeme in der Gebäudeautomation gut zur Anwendung bringen.“

Bild: Ian Siepmann/Tremonia

Intelligente Steuerung

Um das Potenzial der KI ganz auszuschöpfen, nutzt das Anwenderprogramm die integrierte Intelligenz, um die Wärmeerzeuger selbst zu steuern. Dafür verwendet das System die Berechnungen, die zum Wärmebedarf der Einzelräume vorgenommen wurden. Vor allem in größeren Gebäuden ist die Technologie heute oft komplex, mit Blockheizkraftwerken, Gaskesseln, Wärmepumpen und mitunter auch Solarthermieanlagen. „Gerade bei Hybridsystemen hapert es häufig an der Effizienz. Das ist auch kein Wunder, denn deren Steuerung ist alles andere als trivial. Unsere Lösung stellt sicher, dass die Wärmeerzeuger möglichst energieeffizient arbeiten“, sagt Gruber. Insgesamt 15 bis 20 Prozent der Energiekosten lassen sich mit dem System problemlos einsparen, wie Praxistests in Referenzgebäuden zeigen – eine Größenordnung, die alternativ nur durch aufwendige Maßnahmen wie eine Fassadendämmung zu erreichen ist. Damit amortisiert es sich in vielen Fällen schon binnen ein oder zwei Jahren. „Wir senken die Kosten, indem wir die Fehlerquelle Mensch ausschließen“, bringt es der MRM2-Chef auf den Punkt. Kein Mensch könne die Gebäudetechnik so punktgenau und so vorausschauend steuern, wie es mit Hilfe von KI möglich ist.

Controller und Edge Computer

Steuerung mit Intelligenz, eine sichere Kommunikation für das Zusammenspiel der Gewerke – um das zu gewährleisten, setzt MRM2 bei den Schlüsselkomponenten auf Wago. Bei der neuentwickelten Lösung verwendet das Unternehmen neben Komponenten wie Netzteilen oder Displays den PFC200-Controller und den Edge Computer. „Der Controller ist sehr leistungsstark und bietet zudem ein hohes Maß an Flexibilität. Viele unterschiedliche I/O-Module lassen sich sowohl für die kabelgebundene als auch für die drahtlose Kommunikation problemlos anrasten“, erklärt Johannes Siegle, der bei MRM2 die Entwicklung des neuen Systems leitet. Bei der Installation in den Referenzgebäuden setzt das Unternehmen KNX-Module von Wago ein, da es dort bereits entsprechende Bussysteme im Bestand gab.

Der PFC200 sammelt die Daten ein und überträgt sie in eine Datenbank auf dem lokalen Edge Computer. Dort sind auch die Machine-Learning-Modelle installiert, die mit den Daten die Präsenzprognosen erstellen. Alternativ wäre es auch möglich, Datenbank und KI in eine Cloud auszulagern. Die Vorhersagen werden dann zum PFC200 zurückgespielt. Ergänzt unter anderem durch Wetterprognosen und meteorologische Ist-Daten leitet ein Algorithmus auf dem Controller daraus die nötigen Steuersignale ab. „Vereinfacht gesagt: Der Edge Computer liefert die Intelligenz, der PFC200 organisiert die Kommunikation“, so Siegle.

Bild: Ian Siepmann/Tremonia

Datenbank und Machine-Learning-Modelle laufen in Softwarecontainern auf dem Edge Computer. „Für uns ist wichtig, dass die Hardware Docker-fähig ist, weil wir die KI nur so umsetzen können, wie wir uns das vorstellen. Denn schließlich sind die Prognosen ziemlich rechenintensiv“, erläutert Siegle. Der Experte lobt zudem die Anwenderfreundlichkeit: „Wir Automatisierer kommen bekanntlich aus der SPS-Welt. Dennoch haben wir uns bei der Arbeit mit dem Edge Computer sehr schnell zurechtgefunden.“

Vom Industriegebäude ins Wohnhaus

Wickie M hat MRM2 sein neues System getauft. Nach intensiver Erprobung in zwei Referenzgebäuden startet nun der Vertrieb. Das Unternehmen hat dabei zunächst vor allem Planer und Betreiber von Büro- und Industriegebäuden im Visier. „In seiner derzeitigen Konfiguration ist Wickie M für Gebäude ab etwa zwanzig beheizten bzw. klimatisierten Räumen sinnvoll“, sagt Geschäftsführer Gruber. Mittelfristig will er das System so weiterentwickeln, dass auch private Haushalte damit Heizkosten einsparen können – per Plug&Play soll Wickie M dann auch in Ein- und Mehrfamilienhäusern für mehr Energieeffizienz sorgen.

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