Metav Safety Day gibt Einblicke in Sicherheitskonzepte für Werkzeugmaschinen

Die Crux liegt im Detail

Mit der europäischen Maschinenrichtlinie steht derzeit das wohl bedeutendste Regelwerk für den Bereich Maschinensicherheit auf dem Prüfstand. Die EU-Kommission plant eine Neufassung. Die textlichen Vorboten sorgen bei Unternehmen und Verbänden gleichermaßen für Unruhe. Mögen zwar die Ziele der Revision, wie etwa die Anpassung an den technischen Fortschritt, noch Zustimmung finden, so liegt die Crux wie so oft im Detail. Das gilt vor allem für die Werkzeugmaschinen. Wie sich die sicherheitstechnische Auslegung von Maschinen bei veränderlichen Rahmenbedingungen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb weiter verbessern lässt, ist Thema auf dem Safety Day, zu dem der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) im Rahmen der Fachmesse Metav (10. bis 13. März 2020) am 10. März auf das Düsseldorfer Messegelände einlädt.
 Die Metav 2020 - Internationale Messe für Technologien der Metallbearbeitung - findet vom 10. bis 13. März in Düsseldorf statt.
Die Metav 2020 – Internationale Messe für Technologien der Metallbearbeitung – findet vom 10. bis 13. März in Düsseldorf statt.Bild: Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.

Dabei werden der derzeit gültigen Maschinenrichtlinie (MRL) aus dem Jahr 2006 durchaus positive Effekte für die Branche zugesprochen. Sie dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, die Sicherheitsstandards innerhalb der Europäischen Union zu vereinheitlichen und somit einen EU-Mehrwert zu generieren. Für Eberhard Beck, Leiter Steuerungstechnik beim Werkzeugmaschinenhersteller Index-Werke und Mitglied des Arbeitskreises 3 „Sicherheitstechnik“ im VDW, steht fest, dass effektive und produktive Maschinen nur zu entwickeln sind, wenn Hersteller alle technischen Eigenschaften und Funktionen durch Messungen und Analysen kennen und dokumentieren können. Das umfasse auch die Maschinensicherheit. So ließen sich Differenzierungsmerkmale am Markt erschließen und erfolgreich kommunizieren. Becks klare Position: „Ich sehe den hohen Sicherheitszwang in Summe eher als Vorteil und weniger als Nachteil der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie.“

 Am ersten Messetag können sich die Fachbesucher im Rahmen des Safety Days über aktuelle Themen rund um die Maschinensicherheit informieren.
Am ersten Messetag können sich die Fachbesucher im Rahmen des Safety Days über aktuelle Themen rund um die Maschinensicherheit informieren.Bild: Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.

Sicherheit kontinuierlich erhöhen

Der VDW als Interessenvertretung der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie hat seine eigene Strategie entwickelt, um einerseits in Normungsprozessen Verständnis für die speziellen praxisrelevanten Aspekte bei Werkzeugmaschinen zu wecken – was sich nicht immer einfach darstellt, wie Experten jetzt auch bei der Neufassung der Maschinenrichtlinie beklagen. Auf der anderen Seite geht es darum, Schlüsselthemen der Werkzeugmaschinensicherheit mit Fachleuten aus Mitgliedsunternehmen, Zulieferern und Kunden aufzubereiten und so kontinuierlich Branchenstandards zu erhöhen, die sich auch normativ verankern lassen. „Sicherheit ist keine Eigenschaft, sondern ein Prozess“, betont Dr. Alexander Broos, Leiter der Abteilung Forschung und Technik im VDW. Um wirkliche (Personen-)Sicherheit im Umgang mit Maschinen erreichen zu können, „muss permanent gegengeprüft, überdacht und weitergedacht werden“, bestätigt Eberhard Beck. Jeder im Laufe der Maschinennutzung bekannt werdende Beinahe-Unfall oder Unfall müsse sicherheitsgerichtet berücksichtigt und geprüft werden, um gegebenenfalls nachzubessern. Nur so sei es möglich, die Maschinensicherheit kontinuierlich zu erhöhen und dafür zu sorgen, „dass auch der gleichzeitige Eintritt einer Vielzahl unerwarteter Gefährdungssituationen im Sinne der Personensicherheit beherrscht werden kann.“ Eberhard Beck zieht für sich selbst daraus die Motivation, sich im VDW für das Thema Sicherheitstechnik zu engagieren. Die Arbeit im Arbeitskreis diene dem Erfahrungsaustausch und sozusagen als „Katalysator“, stellt er fest.

Wissenschaftliche Unterstützung unverzichtbar

Da es nicht mehr nur um kontinuierliche Verbesserungen, sondern um den Nachweis der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines kritischen Ereignisses (probabilistische Betrachtungsweise) und die Bewertung des Restrisikos geht, wird darüber hinaus die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten forciert. So wurde in bisherigen Studien unter anderem untersucht, wie der Einsatz trennender Schutzeinrichtungen zur signifikanten Reduzierung des Sicherheitsrisikos führen kann oder welche Möglichkeiten es gibt, etwa das Risiko des Falls einer schwerkraftbelasteten Achse zu minimieren. Während auf der einen, der Herstellerseite, Untersuchungen vom VDW initiiert und unterstützt werden, sind auf der anderen, der Kunden- und Anwenderseite, die Berufsgenossenschaften mit eigenen Forschungsprojekten unterwegs. Im Idealfall kommen die Experten zu übereinstimmenden Ergebnissen, für die dann auch gemeinsam international um Anerkennung geworben wird. So reiste Christian Adler, Leiter der Prüf- und Zertifizierungsstelle Oberflächentechnik und Anschlagmittel der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Hannover, Ende Januar mit dem VDW-Sicherheitsexperten Heinrich Mödden nach Tokio, um dort für einen Vorschlag zur Dimensionierung von Schutzeinrichtungen an Schleifmaschinen zu werben. „Ausgangspunkt des Problems war, dass die bisherige Auslegungskonvention völlig überzogen und kaum umsetzbar war“, so Adler, was dazu führte, dass die Norm in der Praxis einfach nicht beachtet wurde. Die BGHM konnte mit eigener Studie nachweisen, dass die Umhausung gar nicht so massiv sein muss, da sie sich auch verformen darf, ohne ihre Sicherheitswirkung zu verlieren. Den erarbeiteten Vorschlag wird Christian Adler beim Metav Safety Day vorstellen. Grundsätzlich vertritt er die Auffassung, dass „es keinen Sinn macht, die perfekte Schutzeinrichtung zu fordern, wenn die Maschine dann aus praktischen oder wirtschaftlichen Erwägungen nicht gebaut werden kann“.

Wirtschaftlichkeit als Prämisse

Natürlich sind bei der Auslegung einer Maschine wirtschaftliche Erwägungen vorrangig. „In erster Linie muss eine Maschine tun, wofür sie angeschafft wird“, beschreibt Dr. Alexander Broos die Kundensicht, „und das muss wirtschaftlich sein.“ Der Balanceakt zwischen Markt- und Sicherheitsanforderungen spiele sich in einem Spannungsfeld ab, das sich „tagesaktuell“ ändert, wie der VDW-Experte sagt. So werde schon mal nach einem Unfall durch eine importierte, nicht normkonforme Maschine der Ruf nach höheren Sicherheitsstandards für europäische Produkte laut. Neue sachliche Brisanz ergebe sich derzeit daraus, dass bei der Reform der Maschinenrichtlinie die Themen Cybersecurity und künstliche Intelligenz mit aufgenommen werden sollen. Dahinter steht zwar das nachvollziehbare Anliegen, den technischen Fortschritt abzubilden, doch seien Themen wie etwa die Prozessoptimierung durch Digitalisierung und Maschinensicherheit nach Auffassung von Broos grundsätzlich zu trennen. „Eine Maschine wird schließlich nicht dadurch unsicherer, dass der Bearbeitungsprozess mit KI-Methoden optimiert wird.“ Die Vermengung der Begriffe Safety und Security – in der deutschen Übersetzung „Sicherheit“ nicht zu unterscheiden – wird auf der Metav 2020 in zwei unterschiedlichen Veranstaltungen klar getrennt. Beim Thema Cybersecurity geht es, einfach gesprochen, um den Schutz der Maschine vor Angriffen des Menschen. Bei Safety steht der Schutz des Menschen vor der Maschine – oder sich selbst – im Vordergrund.

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Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.

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