Die Verantwortung der Techniker

Es gibt viel zu tun für die Automatisierungsbranche. Sie muss dabei helfen den demografischen Wandel zu bekämpfen, klimaneutrale Energie bereitzustellen, und neuerdings ist sie auch eine Waffe im Kampf der geopolitschen Systeme.

Die Leistungsfähigkeit der deutschen Gesellschaft muss erhöht werden, sozial, aber auch technologisch – was sich leider kaum jemand traut, laut einzufordern. Die Demografie gibt es vor, ob wir wollen oder nicht: Wir müssen länger und mehr arbeiten, nicht weniger und kürzer. Wir werden die Frührente abschaffen und kreativere Karrieren im Arbeitsleben ermöglichen müssen. Wir werden viele Tätigkeiten automatisieren oder an KI übergeben müssen, um den Menschen für jene Aufgaben frei zu halten, die nur er gut kann. Wir werden auch wieder lernen müssen, die Erfahrung älterer Mitarbeiter zu schätzen und sie mit den frischen Ideen der Jüngeren zu verbinden, statt sie auszusortieren.

Mehr technische Bildung wagen

Unser Hochlohnland benötigt qualifizierte Arbeitskräfte. Momentan können wir die aber noch nicht einmal richtig ausbilden. Der Lehrermangel ist schon heute massiv, in den kommenden zehn Jahren dürfte sich das zu einem Debakel ausweiten. Dass Deutschland derzeit in jeder OECD-Studie zum Thema Bildung weiter nach unten durchgereicht wird, sorgt aktuell bestenfalls für Schulterzucken. Neue (digitale) Lernmethoden sowie die Aufnahme von KI und Robotik in die Lehrpläne sollten oberste Priorität haben. Die Industrie ist dafür bereit, wie die Präsentation verschiedener preiswerter Education-Roboter-Sets auf der diesjährigen Automatica zeigte. Doch Roboter in der Schule haben keine Lobby. Lieber werden junge Menschen gefeiert, die sich an Straßen kleben und diejenigen behindern, die zur Arbeit fahren, Steuern zahlen und damit Schulen und Universitäten erst ermöglichen. Mehr noch: Das unkritische Medienecho fördert bei der Jugend eine antiaufklärerische, destruktive, in Teilen sogar apokalyptische und vor allem technikfeindliche Stimmung, die unsere Gesellschaft um keinen Millimeter voranbringt. Dabei bräuchten wir wirtschaftlichen Optimismus, kulturelles Selbstbewusstsein und technische Innovationsfreude mehr denn je. Denn ein hohes Maß an Automatisierung in der Industrie kann nicht nur den demografischen Effekt abmildern.

Das Klima technisch retten

Die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft benötigen wir außerdem, um die Herausforderungen der globalen Klimaveränderung zu bewältigen. Rohstoffe sollten nicht einfach zur Energiegewinnung verbrannt, der enorme Energiehunger der Weltbevölkerung möglichst CO2-neutral gestillt werden – das ist auch den Menschen außerhalb der Klimaterrorismus-Szene klar. Dass Windkraft hierzulande im Jahr 2021 lediglich 3,4% des deutschen Primärenergiebedarfs deckte, Solarstrom nur 1,4%, ist hingegen weithin unbekannt. Wir feiern unsere hohen Ausbauraten im Bereich Ökostrom, dabei wird meist verschwiegen, dass Elektrizität nur für einen sehr kleinen Bruchteil des gesamten Energiemarktes steht.

Weltweit sieht es nicht besser aus. Trotz des auch international starken Ausbaus von Wind- und Solaranlagen stagniert der Anteil erneuerbarer Energien global auf dem Stand von vor zehn Jahren, wie das Netzwerk für erneuerbare Energien des 21. Jahrhunderts ‚REN21‘ in seinem Statusbericht feststellte. Zwar erreichten Wind- und Solarkraft immerhin 12,6% Anteil am globalen Elektrizitätsbedarf, doch da der Stromsektor nur 17% des gesamten Energieverbrauchs ausmacht und der Gesamtbedarf stetig wächst, wirkt sich das auf die Bilanz kaum aus. Fast schon frustrierend ist, dass der Beitrag der Erneuerbaren überwiegend auf das umstrittene Verbrennen von Biomasse zurückzuführen ist, gefolgt von Wasserkraftanlagen, die aufgrund der Staudämme bei Umweltschützern ebenfalls unbeliebt sind. Solar- und Windkraft werden im REN21-Bericht zusammen mit der Geothermie global auf lediglich 2,8% geschätzt und unter ‚Sonstiges‘ subsumiert.

Geopolitischer Vorsprung durch Technik

Zu guter Letzt: In Deutschland glauben viele, die meisten Länder stünden im aktuellen Krieg auf Seiten der Ukraine. Doch kein lateinamerikanisches Land beteiligt sich an den Sanktionen gegen Russland, auch keines aus Afrika. In Asien sind es lediglich Japan, Südkorea und Taiwan. Im Gegenteil: Derzeit entsteht ein antiwestlicher Block, den es in der Geschichte so mächtig noch nie gegeben hat. Kurz bevor sich die Staats- und Regierungschefs der vermeintlich wichtigsten sieben Länder der Welt zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau getroffen haben, hatte Chinas Präsident Xi Jinping einen BRICS-Gipfel (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) organisiert, ein Bündnis, das um Staaten wie Indonesien und Argentinien erweitert werden soll. Und während die westlich orientierten G7 eine Bevölkerung von gut 770 Millionen Menschen vertreten, leben in den sieben Staaten des neuen Blocks mehr als drei Milliarden. Derzeit ist es nur die wirtschaftliche Stärke von USA, EU und Japan, die dem westlichen Bündnis seine globale Stellung sichert.

Und der technologische Vorsprung. Genau den gilt es zu halten oder sogar auszubauen. Das Bevölkerungsrennen zu gewinnen ist aussichtslos. Nur wenn der Westen in IT, Robotik und KI seine Nase vorne hat, wird er auf lange Sicht auf Augenhöhe mit den globalen Herausforderern bleiben. Zudem sollte er wenigstens relevante Teile seines Eigenbedarfs auch selbst fertigen können. Spätestens hier kommt der einheimischen (europäischen) Roboter- und Automatisierungstechnik wieder eine zentrale Rolle zu. Denn ohne diese wird das wirtschaftlich und personell nicht zu bewerkstelligen sein. Vor diesem Hintergrund sollte mancher Hersteller seine China-Verflechtungen noch einmal überdenken. Die Welt ändert sich schnell dieser Tage.

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