Web-basierte Anlagenbedienung und -visualisierung mit HTML5

Die ständige Weiterentwicklung der Internettechnologie durch das W3C (World Wide Web Consortium) hat mit der Festlegung des HTML5 Standards neue Webfunktionalitäten eingeführt, die eine Nutzung der Web-Technologie in der vernetzten Prozessautomation und mobilen Anlagenvisualisierung interessant machen. Wir zeigen, wie Anwender von dem neuen Standard profitieren können.

Die meisten neuen SPSen besitzen einen internen Apache-HTTP-Webserver mit dem integrierten Modul \’mod_ssi\‘. Damit kann dynamischer Inhalt durch ein Script Programm in ein HTML-Dokument serverseitig eingefügt werden, bevor das Dokument zum Client gesendet wird. Angewandt in der Automation werden aktuelle Prozesswerte aus dem Steuerungsprogramm in Web-Dokumente integriert, bevor sie zum Anzeigegerät gesendet werden. Das serverseitige SSI Modul (Server Side Includes) wird von der Fa. Wago in ihren Kompaktsteuerungen mit Ethernet-Schnittstelle und in abgewandelter Form von der Fa. Siemens für Simatic S7 Steuerungen genutzt. (Befehlssyntax AWP-Automation Web Programming).

Anforderungen an das Anzeigegerät

Clientseitig kann ein beliebiges Visualisierungsgerät mit (W)LAN Schnittstelle zur Anwendung kommen, sofern ein Browser auf dem System läuft, der HTML5 Standard unterstützt. Heutzutage unterstützen alle modernen Browser für PCs, Tablets und Smartphones diesen Standard. Mittels HTML, CSS (Cascading Style Sheets) und JavaScript Programmierung lassen sich nicht nur Prozesswerte in Anlagebildern anzeigen, in Grafiken darstellen sowie zur Weiterverarbeitung speichern, sondern auch Prozesseingaben komfortabel vornehmen.

Die asynchrone Datenübertragung

Für die Datenübertragung zwischen Server und Client stellt der Webstandard die Ajax-Technologie (Asynchronous Javascript And XML) bereit. Damit ist es möglich, das gleichmäßige Abtasten (Pollen) von Prozesswerten aus der Steuerung auf die Webtechnologie zu übertragen. Dazu werden die aktuellen Prozesswerte von der angezeigten Webseite im Client in regelmäßigen Abständen vom Server angefordert und in die Webseite nachgeladen, ohne dass die komplette Webseite erneut übertragen wird. Dies spart Rechenleistung in der SPS und Ressourcen im Netzwerk, da sich die kontinuierliche Datenübertragung nur auf den dynamischen Teil der Webseite beschränkt. Die kleinste Abtastrate ist abhängig von der Rechenleistung der SPS, dem Datenvolumen und den zur Verfügung stehenden Netzwerkressourcen. Im Idealfall sind Abtastraten unter 250ms realisierbar. Obwohl in der Webtechnologie üblicherweise nicht deterministische Übertragungsprotokolle (UDP und TCP/IP) eingesetzt werden, zeigt die Erfahrung, dass sich nahezu äquidistante Abtastungen realisieren lassen. Die Übertragungsdaten

Bei Nutzung der Ajax-Technologie ist es vorteilhaft alle Übertragungsdaten in einem kompakten Datentelegramm zu sammeln. Für den Einsatz in der Prozessautomation bedeutet dieser Grundsatz, dass die verschiedenen Prozessdaten wie Betriebszustände, analoge Messwerte und Störmeldungen in einem Datentelegramm zu bündeln sind. Das Datenpaket wird strukturiert, um es durch ein Anwenderprogramm, in diesem Fall den Browser, einfach und effizient auszulesen und um gleichzeitig zusätzliche Informationen zu übertragen, wie z.B. den Tagname, den Messbereich und die Messeinheit.

Schreibender Zugriff auf Prozessdaten

Mittels Ajax-Technologie lassen sich nicht nur aktuelle Prozesswerte aus der SPS auslesen, man kann den Prozess auch über den HTTP-Server steuern. Dieser schreibende Zugriff auf die Steuerung ist erst nach erfolgreicher Authentisierung mit Benutzername und Passwort auf dem Server möglich. Dazu müssen zuvor bei der Projektierung verschiedene Benutzer mit unterschiedlichen Zugriffsrechten auf dem Server angelegt worden sein. Beim schreibenden Zugriff werden nur die relevanten Daten an den Webserver der SPS gesendet, der statische Teil der Webseite bleibt unverändert im Browser erhalten, wodurch ein Flackern des Bildschirminhaltes vermieden wird. Zur komfortablen Bedienung hat man neben den bekannten Eingabeformularen und Buttons auch die Möglichkeit, Schieberegler und Zahlensteller zur Werteingabe zu nutzen. Um einer Fehlbedienung vorzubeugen, werden Eingabewerte vor dem Senden an die SPS auf korrektes Zahlenformat und Einhaltung der Grenzwerte mit einem clientseitigen JavaScript überprüft und nötigenfalls Falscheingaben signalisiert.

Grafische Gestaltung

Für die Aufwertung von Webseiten mit einfachen Animationen und Vektorgrafiken gibt es seit der Einführung des HTML5 Standards das Element. Mittels JavaScript-Programmierung lassen sich auf diese Weise zoomfähige Vektorgrafiken dynamisch erzeugen, wobei ein zusätzliches Laden von PlugIns für den Browser nicht notwendig ist. Dies stellt sicher, dass clientseitige Anzeigegeräte ohne weiteres Aufsetzen einer Bedienstation austauschbar sind. Durch objektorientierte Programmierung lassen sich diese dynamischen Vektorgrafiken für den Einsatzbedarf anpassen und beliebig oft vervielfältigen. Für die grafische Darstellung eines Prozesses stehen Balken- und Tortendiagramme zur Verfügung, die Darstellung von Trends erfolgt durch Liniendiagramme. Auch Anlagenkomponenten wie Ventile und Motoren werden durch Symbole mit ihren Schaltzuständen klar visualisiert und geben den Anlagenzustand übersichtlich wieder.

Momentane Einschränkungen

Derzeit verfügen nicht alle Browser über die Funktion, Daten dauerhaft auf dem Clientgerät zu archivieren. Die Methode des \’Local Storage\‘, mit der man Daten bis zu einer Größe von ca. fünf Megabyte im Speicher des Browsers ablegen kann (ähnlich den bekannten Cookies), ist keine Lösung für eine Datenarchivierung, da dieser Speicher beim Aufruf einer anderen Webseite im Browser gelöscht wird. Ist vom Anlagenbetreiber ein Störmeldearchiv gefordert, kann dies bisher nur durch ein programmiertes Schieberegister im SPS-Programm realisiert werden. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Speicherkapazität für das PLC-Programm in modernen Steuerungssystemen stellt dies eine akzeptable Lösung dar. Hinzukommt, dass mit dieser Methodik alle Anzeigegeräte, die zuvor nicht mit der Steuerung verbunden waren, die Archivdaten ebenfalls abrufen können. Heutige Webdateien, die mit grafischen Web-Editoren oder Frameworks erstellt werden, beanspruchen verhältnismäßig viel Speicherplatz auf dem vergleichsweise kleinen Webserver der SPS. Aus Performancegründen sind eine manuelle Erstellung und ein damit verbundener effektiverer Programmcode der Webseiten vorteilhaft. Aus heutiger Sicht kann eine web-basierte Visualisierung herkömmliche Panelvisualisierungen mit kleinem Datenvolumen ersetzen, jedoch kein Scada-System.

Sicherheitsaspekte

Es wird viel über die Datensicherheit in der Prozessautomation und im Internet diskutiert, darum sei zu diesem Thema nur kurz angemerkt, dass eine web-basierte Visualisierung genauso sicher ist wie das alltägliche Online-Banking, da die gleichen Webtools benutzt werden. Es liegt im Ermessen des Anwenders, die Vor- und Nachteile dieser Technik abzuwägen und einzusetzen.

GO4automation

GO4automation hat ein web-basiertes Visualisierungssystem für Kleinanlagen entwickelt, das auf den internen HTTP-Webservern von SPSen lauffähig ist. Weitere Hardwareinvestitionen werden daher nicht fällig. Die Visualisierung ist für den Einsatz von Tablets ausgerichtet, kann aber auch von allen gängigen Browsern auf PCs und Smartphones aufgerufen werden. Das Layout der Webseiten ist dem Layout von herkömmlichen HMIs nachempfunden und zeichnet sich durch intuitive Bedienung und hohe Übersichtlichkeit aus. Es deckt folgende Funktionen ab:

  • Lesen von Prozesswerten aller PLC-Datentypen mit variabel einstellbarer Abtastrate
  • Schreiben von Sollwerten aller PLC-Datentypen
  • Prozessgetreue Anlagenbilder in Vektorgrafiken
  • Balken- und Liniendiagramme, als Bilddatei auf dem Clientgerät speicherbar
  • Anzeige von Betriebs-, Warn- und Alarmmeldungen in einer druckbaren Alarmtabelle
  • Anzeige der aktuelle Alarmmeldung in oberster Zeile auf allen Webseiten
  • Quittieren von Meldungen

Vorteile der web-basierten Visualisierung:

  • Problemloses Austauschen und Hinzufügen von Visualisierungsgeräten, wie PC, Tablet-PC und Smartphone
  • Besonders geeignet für Anlagen, die nur für Servicezwecke oder zur Inbetriebnahme eine Visualisierung benötigen
  • Keine Installation von Software auf dem Client Endgerät notwendig
  • Paralleler Betrieb mehrerer Visualisierungsgeräte möglich, auch für zeitlich kurzen Einsatz, wie z.B. die Abfrage von Produktionsdaten der Anlage von der Managementebene
  • Preislich attraktiv durch Nutzung des internen Web-Servers der SPS und somit Minderung der Hardwarekosten und des Ausfallrisikos
  • Investitionssicherheit durch die Verwendung des Webstandards HTML5 und genormter Schnittstellen
  • Erweiterbar und flexibel anpassbar
  • Visualisierungsdateien sind auf Steuerungen anderer Hersteller portierbar

Fazit

Anwender profitieren bei der Nutzung von HTML5 nicht nur vom flexiblen Einsatz verschiedener Visualisierungsgeräte wie PC, Tablet oder Smartphone an einer Steuerung, sondern auch von der Möglichkeit, bestehende web-basierte Visualisierungen auf andere Steuerungstypen zu übertragen. Ermöglicht wird dies durch den internen Webserver von modernen SPSen mit Ethernetschnittstelle, auf dem die Web-Dateien für die Prozessvisualisierung gespeichert werden. Eine nach dem gleichen Prinzip arbeitende Schnittstelle zwischen SPS-Programm und Webserver sorgt nicht nur für den lesenden Datenaustausch vom SPS-Programm zum HTTP-Server, sondern kann auch umgekehrt auf Prozessdaten schreiben. Folglich kann eine moderne web-basierte Visualisierung die grundlegenden Aufgaben eines herkömmlichen Visualisierungssystems abdecken, mit den hier gezeigten Einschränkungen.

((Kasten))

Go4automation
http://www.go4automation.de

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