Roboter sind heute nicht mehr ausschließlich in Fabriken vorzufinden, sondern erobern allmählich auch unsere Schulen, Arbeitsplätze und unseren Privatbereich. Eine gemeinsame Hauptanforderung an Roboter bzw. künstliche Agenten ist der Aufbau einer wechselseitigen Interaktion. Dies bedeutet, dass künstliche Agenten nicht nur auf menschliche Handlungen reagieren, sondern ihre Reaktion zudem auf den emotionalen und psychophysiologischen Zustand des menschlichen Benutzers bzw. Gegenübers abgestimmt sein sollte. Das letztere Kriterium ist insbesondere relevant für sogenannte soziale Roboter, d.h. Roboter, die vorwiegend für die Interaktion mit einem menschlichen Gegenüber bestimmt sind. Dazu zählen z.B. als Museumsführer eingesetzte Roboter oder Assistenzroboter zur Unterstützung älterer Menschen.
Wahrnehmung menschlicher Gefühle
Künstlichen Agenten die Fähigkeit zu verleihen, psychophysiologische und emotionale Zustände des Menschen wahrzunehmen und zu deuten, ist ein zentrales Thema im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion. In der Regel erfolgt die Überwachung psychophysiologischer und emotionaler Zustände durch Messung mehrerer Parameter des vegetativen Nervensystems (VNS), wie Hautleitfähigkeitsreaktion, Handflächentemperatur, Herzfrequenz- bzw. Atemfrequenzänderung, peripherer Gefäßtonus und Gesichtsausdruck. Die zur Überwachung der VNS-Aktivität herkömmlich eingesetzte Technik besteht in der Regel aus Kontaktsensoren oder anderen taktilen Systemen. Diese Verfahren sind naturgemäß invasiv und können folglich subjektiv beeinflussbare Ergebnisse liefern, da die kooperative Mitwirkung der jeweiligen Person erforderlich ist. Im Gegensatz dazu gilt die Thermografie zunehmend als eine mögliche Lösung zur nicht invasiven Erfassung der Wärmesignatur der VNS-Aktivität. Diese Technik ermöglicht die berührungslose und nicht invasive Erfassung der Hauttemperatur durch Messung der spontanen Körperwärme. Da das Gesicht in der Regel in die soziale Kommunikation und Interaktion eingebunden ist, wird zur Erfassung psychophysiologischer Zustände eine Thermografie des Gesichts durchgeführt. So lassen sich in der Wärmesignatur einer Person zahlreiche psychophysiologische Signale erkennen. Die Thermografie ermöglicht auch die Berechnung des Herzpulses durch Spektralanalyse der Wärmesignatur der Pulsation im Blutfluss oberflächlicher Gefäße. Die kutane Perfusionsrate (Durchblutung der Haut) sowie die Schweißbildung im Gesicht sind weitere Beispiele, welche Phänomene unter Einsatz der Wärmebildtechnik erfasst, aufgezeichnet und quantifiziert werden können. Gefühle können eine Wärmesignatur haben oder durch Aktivität des vegetativen Nervensystems gekennzeichnet sein. Diese wiederum liefert ein Wärmebild, über das sie sich nachweisen lässt. So wurde die Thermografie als mögliches Instrument zur Erstellung eines Temperatur-Atlas emotionaler Zustände bei Verwendung geeigneter Klassifikationsalgorithmen angeführt. Zustände wie Bestürzung, Sorge, Angst und sogar eine Täuschungsabsicht haben jeweils ganz spezifische Wärmesignaturen, die mit Wärmebildkameras erkannt werden können. In einer Studie wurde z.B. postuliert, dass sich im Rahmen einer Befragung durch Überwachung von Temperatur und Hautdurchblutung des Periorbitalgefäßes Täuschungsversuche seitens der Befragten mit einer Genauigkeit von 87,2% nachweisen lassen.
Assistenzroboter
Der Vorteil der Wärmebildtechnik für psychophysiologische Anwendungen besteht darin, dass physiologische Daten auf nicht invasive, natürliche Art und Weise erfasst werden, d.h. ohne Beeinflussung oder Beeinträchtigung des Spontanverhaltens eines Menschen. Dank dieser Eigenschaft könnte die Thermografie als Wegbereiter für Assistenzroboter fungieren, die beispielsweise zur Unterstützung älterer Menschen oder zur Überwachung der regelmäßigen Atmung bei Neugeborenen eingesetzt werden könnten. Automatische Agenten zur Steuerung von Umgebungsbedingungen – z.B. in einem Auto oder Haus – könnten mittels Wärmebildtechnik die Vitalfunktionen des menschlichen Benutzers überwachen, damit sich das System an den Benutzer anpassen kann. Auch wenn dies noch Theorie ist, so könnte die IR-Technik besonders für sogenannte emotionale Roboter und automatische Agenten von Nutzen sein, deren Lernprozess und Behandlungsstrategien auf Grundlage des psychophysiologischen Feedbacks des gemessenen Benutzers verbessert und benutzerspezifisch angepasst werden können.
Fahrerüberwachung
In einer Studie von Arcangelo Merla et al. vom Infrared Imaging Lab des Forschungsinstituts ITAB in Chieti, Italien, wurde die Möglichkeit der Echtzeitüberwachung von Fahrzeugführern mittels Wärmebildkameras aufgezeigt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Steigerung der Sicherheit in Privatfahrzeugen wie auch in Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs ist die nicht invasive Überwachung der Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und Verfassung des Fahrers. Bis bisher entwickelten High-End-Lösungen auf diesem Gebiet basieren auf Multisensor-Systemen mit Elektroenzephalografie, Kontakt-Thermistoren, Nahinfrarot-Kameras oder Kameras für den sichtbaren Spektralbereich (insbesondere für die Überwachung der Lidschlagfrequenz der Augen). Leider benötigen alle vorgesehenen Lösungen abgesehen von den eigentlichen Kameras Kontaktsensoren. Diese können den Fahrer ablenken und damit seine vollständige und sichere Kontrolle über das Fahrzeug beeinträchtigen. Aus diesem Grunde wurden mehrere Studien lediglich in einem Fahrsimulator und nicht direkt an Bord eines echten Fahrzeugs durchgeführt. Änderungen von Parametern wie Atmung, Puls, Lidschlagfrequenz sind verlässliche Indikatoren für die körperliche Verfassung des Fahrers, einer einsetzenden Schläfrigkeit oder einer verminderten Wachsamkeit. In der von Arcangelo Merla durchgeführten Studie wurde nachgewiesen, dass die Wärmebildtechnik eine effiziente Lösung zur Erfassung fast aller relevanten Vitalfunktionen darstellt.