Spanabtransport-Überwachung

Sensoren für die digitale Produktion von morgen - Teil 5/7
Der in diesem Abschnitt vorgestellte Sensor zur Überwachung des Spanraums beim Tieflochbohren stellt einen integrierten Sensor dar, der zeitsynchron unterschiedliche Größen am Span ermittelt. Neben der Spanlänge werden die Spangeschwindigkeit und die Span-zu-Span-Zeit erfasst. Durch nachgeschaltete Analysen können Rückschlüsse auf den Prozess und den Werkzeugverschleiß getroffen werden. Damit ist dieser Sensor ein Beispiel für einen integrierten Sensor, der im Hinblick auf die digitale Produktion weiteres Potenzial aufzeigt.

Der Trend zu effizienteren Produkten mit reduziertem Gewicht und geringerer Baugröße führt zu immer kleineren Dimensionen technischer Merkmale wie z.B. Bohrungsdurchmessern. Ein bekanntes Beispiel ist die Herstellung von Einspritzdüsen. Die Innovationen zur Steigerung der Effizienz sind durch Maßnahmen zur Erhöhung der Einspritzdrücke von bis zu 2.000bar charakterisiert. Für die technische Umsetzung wird in den Einspritzdüsen eine Verkleinerung der zuführenden Bohrungen bei gleichzeitigem Einsatz von höherfesten Werkstoffen angestrebt. Ein geeignetes Verfahren zur Herstellung solcher Bohrungen mit Aspektverhältnissen bis 100 ist das Einlippentiefbohren. Der Einsatz von Tiefbohrwerkzeugen mit kleinen Durchmessern erhöht jedoch das Risiko von Werkzeugbrüchen. Diese können aufwändige Nacharbeiten erforderlich machen oder im schlimmsten Fall zum Ausschuss des gesamten Bauteils führen. Zur Vermeidung der heute üblichen konservativen Prozessauslegung, die zu langen Zykluszeiten und einer wenig wirtschaftlichen Maschinennutzung führen, sind eine geeignete Prozessüberwachung sowie probate Regelungsstrategien notwendig. Der Einlippentiefbohrprozess wird durch Faktoren wie der maximal zulässigen Werkzeugbelastung und dem sicheren Spanabtransport eingeschränkt. Heutige Prozessüberwachungslösungen für den Prozess konzentrieren sich auf die Überwachung von Kräften und Beschleunigungen. Diese Ansätze sind geeignet, um Störungen zu identifizieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Zu den Störungen beim Tiefbohren zählen Spanablaufbehinderungen, die bereits zu Oberflächenfehlern führen, sodass trotz Vermeidung des Werkzeugbruchs eine Werkstückschädigung eintreten kann. Die Überwachung des Spanabtransports ist eine geeignete Maßnahme, um präventiv ungewünschte Prozesszustände zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Etablierte Ansätze zur Überwachung des Spanabtransports existieren bereits für große Durchmesserbereiche und insbesondere für das BTA-Tiefbohrverfahren. Die heutigen Überwachungslösungen für kleine Durchmesserbereiche und das Einlippentiefbohren sind aufgrund der eingeschränkten Zugänglichkeit zur Zerspanstelle, hohen Kühlschmierstoffdrücken (>120bar) und den prozessbedingt hohen Spanabtransportgeschwindigkeiten sehr ungenau und nicht für die Regelung des Tiefbohrprozesses geeignet. Im Folgenden wird ein optisches Sensorkonzept zur Spanabtransportüberwachung beim Einlippentiefbohren kleiner Durchmesser vorgestellt und ein Ausblick zur Nutzung dieses Systems beim Aufbau einer Regelung gegeben.

Aufbau des Überwachungssystems

Bild 1 zeigt die unterschiedlichen Spanformen beim Bohren mit einem neuen und einem verschlissenen Einlippenwerkzeug vom Durchmesser D=2mm in einem Vergütungsstahl. Der Werkzeugverschleiß führt zu langen Spänen. Die veränderte Spanform kann zu pfropfenartig verklemmten Spänen in der Sicke führen und somit einen Spänestau mit Werkzeugbruch verursachen. Um den Zustand der Spanlängen, der Spanabtransportgeschwindigkeit und der Spanfrequenz messen zu können, wurde die Bohrbuchse als geeignete Messstelle identifiziert, da hier das Späne-Kühlschmierstoffgemisch noch in der Werkzeugsicke gebündelt ist. In Bild 2 ist der Einbau des optischen Überwachungssystems dargestellt. Das Bild zeigt das orange dargestellte Sensorgehäuse, welches als Verlängerung der Bohrbuchse im Spänekasten montiert ist. Das Sensorprinzip beruht auf der Reflexion von IR-Strahlen, die über Lichtleiter zur Messstelle geleitet werden. Solange sich die Rückseite des Bohrers vor einem Lichtleiter befindet, wird der Lichtleiter verschlossen. Befindet sich die Sicke vor dem Lichtleiter, so wird das IR-Licht in der Sicke reflektiert und von einem weiteren Lichtleiter zu einer Fotodiode geleitet, welche die Intensität des IR-Licht misst. Durch die Rotation des Werkzeugs wird ein charakteristisches Muster erzeugt, das sich von Umdrehung zu Umdrehung wiederholt.

Ermittlung prozessbeschreibender Kerngrößen

Beim Transport eines Spans durch die Sicke wird das charakteristische Muster, wie es der mittlere Teil des Signalverlaufs in Bild 2 zeigt, gestört. Aufgrund dieser Störungen können Späne kleiner 1mm und mit Geschwindigkeiten von über 20m/s eindeutig identifiziert werden. Für die Ermittlung einer genauen Spangeschwindigkeit ist ein zweistufiges Sensorprinzip mit einem definierten Abstand zwischen den Messpunkten notwendig. Ist die Spangeschwindigkeit bekannt, können über die Störungsdauer die Spanlängen berechnet werden. Durch die in Bild 2 gezeigte alternative Anordnung von drei sendenden und drei empfangenden Lichtleitern um den Bohrungsumfang kann eine 100%ige-Erfassung der Späne erfolgen. Hierdurch wird eine Auswertung der Spanfrequenzen ermöglicht. Zur Auswertung der Messsignale und der Musteridentifikation kommt ein FPGA-System zum Einsatz, das zum Sensor gehört. Die Ergebnisse der Analyse können in Form von Informationen ausgegeben werden. Wie dargestellt, ermöglicht die Entwicklung des optischen Messsystems die Ermittlung der drei Größen Spanabtransportgeschwindigkeit, Spanlänge und Spanfrequenz. Durch die statistische Auswertung der Informationen können prozessbeschreibende Kenngrößen ermittelt werden. Durch den Aufbau einer Technologiedatenbank können auf diese Weise Abweichungen der Messgrößen von geforderten Sollgrößen bzw. die Streuungen identifiziert und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Bild 3 zeigt exemplarisch den geschlossenen Regelkreis der Spanabtransportüberwachung beim Einlippentiefbohren. Je nachdem, welche Prozessgröße überwacht wird, sind unterschiedliche Strategien und Stellgrößen notwendig. An der Maschine vorhandene Stellgrößen sind die Schnittgeschwindigkeit, die Vorschubgeschwindigkeit und die Kühlschmierstoffparameter. Zu unterscheiden sind hier Regelungstrategien, die in den laufenden Prozess eingreifen, um z.B. einen Bohrerbruch im Falle eines Spänestaus zu vermeiden, und Strategien zur iterativen Anpassung zwischen einzelnen Prozessschritten, welche z.B. Parameter aufgrund des Verschleißfortschrittes über die Standzeit eines Werkzeugs anpassen. Für die jeweiligen Strategien sind geeignete Maschinenanbindungen zu realisieren, welche die jeweilige Parametermanipulation erlauben. Für die Online-Regelung ist beispielsweise ein Direktzugriff auf die Overrideparameter ein geeignetes Mittel. Iterative Parameteranpassungen sind durch die externe Beschreibung der Zerspanparameter über den OPC-Server einer Maschine möglich.

Teil 6 der Serie beschäftigt sich mit Cyber Physical Sensor Systems und Multisensorsystemen.

Die Beitragsserie stammt aus dem Tagungsband zum Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium 2014.

National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com/germany

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