Software-designte Messtechnik

Interview mit R. Jamal, National Instruments
National Instruments stellte kürzlich eine neue Architektur für Messgeräte vor, bei der wesentliche Funktionen der Hardware über die Software abgebildet werden können. Dies hat auch wegweisende Bedeutung für die Automatisierungstechnik. Die Redaktion des SPS-MAGAZINs sprach mit Rahman Jamal, Technical & Marketing Director Europe, darüber, welche Möglichkeiten sich aus diesem Ansatz für die Automatisierungstechnik ergeben.

Herr Jamal, Sie behaupten, eine neue Architektur für Messgeräte ins Leben gerufen zu haben. Was ist das Besondere daran?

R. Jamal: Um das Neue zu verstehen, müssen wir erst einmal einen Blick in den Rückspiegel werfen und die herkömmliche Vorgehensweise betrachten: Typischerweise wird ein Messgerät mit vom Hersteller fest vorgegebener Funktionalität entweder interaktiv bedient oder über ein Stückchen Software vom PC aus angesprochen und gesteuert. Möchte man etwas mehr aus diesem Messgerät herausholen, so bleibt einem nichts anderes übrig, als über diese auf dem PC laufende Software Erweiterungen vorzunehmen. National Instruments geht hier erheblich weiter! Mit der Einführung einer neuen Klasse von Messgeräten verleihen wir dem Endanwender nicht nur die schöpferische Fähigkeit, die Software um das Messgerät herum zu entwickeln, sondern auch die Software innerhalb des Messgeräts selbst zu entwerfen und dadurch dem Gerät neues Leben einzuhauchen.

Soweit das Philosophische. Gibt es denn eine Implementierung dieser Architektur in Form eines konkreten Produktes?

R. Jamal: Wir haben uns einen Bereich ausgesucht, bei dem die Bauchschmerzen der Anwender am größten sind. Konkret geht es um die Erstellung und Umsetzung von HF-Testsystemen, die so nicht von der Stange erwerbbar sind. Wir haben eine neue Kategorie von Instrumenten vorgestellt, welche die HF-Funktionalitäten eines Vektorsignalgenerators, eines Vektorsignalanalysators und eines offenen Firmware- und Software-Modells vereint: der Vektorsignal-Transceiver (VST). Im Gegensatz zu herkömmlichen HF-Messlösungen gestattet das auf PXI basierende Gerät dem Anwender, sein eigenes benutzerspezifisches HF-Messinstrument zu konzipieren – vor allem durch \’Hineindesignen\‘ der auf seine Belange zugeschnittenen Echtzeitsignalverarbeitungs- und -Steuer-/Regelalgorithmen in das Messsystem. Möglich wird dies durch den in den VST integrierten FPGA, der anwenderspezifisch über LabView konfiguriert bzw. programmiert werden kann.

Und was hat der Anwender davon?

R. Jamal: Stellen Sie sich einmal vor, ich als Nutzer bestimme, was das Gerät zu tun hat, und nicht der Hersteller. Dann kann ich mich auf die eigentliche Fragestellung \“Was will ich und wie setze ich es um?\“ konzentrieren und viel innovativer meinen gestalterischen Fähigkeiten freien Lauf lassen. Somit erschließen sich mir ganz neue Anwendungsbereiche. Damit ist der Anwender nun nicht mehr auf Funktionalitäten beschränkt, die ihm von den Herstellern aufgezwungen werden, sondern er legt selbst die Eigenschaften des Messgeräts fest. Solch ein Messgerät lässt sich einerseits im herkömmlichen Sinne nutzen, andererseits kann der Anwender Schicht für Schicht in die Software eintauchen, bis hin zur Firmware, ja sogar bis zu den Pins des Messgeräts. Damit lassen sich beliebige benutzerspezifische Modifikationen und Erweiterungen umsetzen, um beispielsweise neue Funktionen zu definieren oder auch die Leistungsfähigkeit des Geräts nach oben zu schrauben. Das ist auch der eigentliche Clou dieser Philosophie auf Basis der modularen PXI-Plattform und der Entwicklungsumgebung NI LabView. So nennen wir diese Vorgehensweise auch softwaredesignte Messtechnik.

Ist Ihr Ansatz auch auf Geräte der Automatisierungstechnik übertragbar? Mit welchen Konsequenzen/Vorteilen?

R. Jamal: Für das Automatisierungsumfeld haben wir sogar eine ganze Reihe von Produkten, die diesen Ansatz schon länger verfolgen. Die Endung RIO, die alle diese Produkte aufweisen, deutet genau auf diese Philosophie der Rekonfigurierbarkeit hin. Nehmen wir beispielsweise die CompactRIO-Plattform, die schon länger auf dem Markt ist. Hierbei handelt es sich um ein rekonfigurierbares Embedded-Steuer-, -Regel- und Datenerfassungssystem, dessen Herzstück einen rekonfigurierbaren FPGA enthält. Dieser FPGA lässt sich über LabView beliebig konfigurieren bzw. programmieren, sodass er je nach Anwendungsfall ein anderes Gesicht verliehen bekommen kann.

Eine Frage zum Abschluss: Welche Rolle spielt die Messtechnik heute und künftig für die Automatisierungstechnik?

R. Jamal: Die Messtechnik muss sich ständig weiterentwickeln, vor allem muss sie immer besser sein als das, was mit ihr entwickelt wird. So ist ihre Rolle als \’Enabling Technology\‘ unbestritten. Aus solchen Weiterentwicklungen entstehen innovative Gerätearchitekturen, die bisherige klassische Konzepte auf den Kopf stellen – genau wie die Architektur, die wir hier aufgezeigt haben. Hat man früher, bspw. um mehr Flexibilität zu erhalten, wesentliche Funktionselemente in die Software verlagert, so überträgt man diese nun in die Hardware (in den FPGA). Dieser Trend wird zwangsläufig auch in der Automatisierungswelt Einzug halten. Der aufkommende Trend \’Industrie 4.0\‘, dem die Idee des \’Internet of Things\‘ zugrunde liegt und der die Vernetzung von cyber-physical systems zu smarten Automatisierungskomponenten fördert, schreit gerade nach solchen softwarezentrischen Konzepten, wie sie hier vorgestellt wurden.

www.ni.com

National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com/germany

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