Smart Labels steuern Produktion

UHF-RFID-Systeme für die Mercedes Benz Werke in Rastatt und Kecskemét
Seit vor einigen Jahren ein neuer Standard für RFID die Nutzung kostengünstiger Labels bei hoher Reichweite ermöglichte, sind die entsprechenden Systeme auf einem Siegeszug in Produktions- und Logistikanwendungen. Erstmals setzt nun ein führender deutscher Automobilhersteller in zwei seiner Werke für die gesamte Produktion erfolgreich auf die neue Technik.

Wie von Geisterhand gesteuert bewegen sich die Karossen im Mercedes-Benz-Werk Rastatt durch die Fabrik. Unterschiedlichste Varianten der neuen B-Klasse und der künftigen A-Klasse, die die Kunden per Konfigurator individuell ordern können, werden hier für den Weltmarkt produziert. Damit aber die Produktion ebenso flexibel wie effizient bleibt, setzt Daimler seit vielen Jahren auf ein bewährtes Hilfsmittel: Radio Frequency Identification, kurz RFID. An allen Stellen in der Produktion, bei denen Informationen zum Fahrzeug gebraucht werden, sind RFID-Reader installiert. Die Funktransponder werden hierbei an den Karossen befestigt und führen alle Daten mit, die für die Herstellung des individuellen Fahrzeugs gebraucht werden. So ist es möglich, dass nacheinander unterschiedliche Ausstattungs- oder Farbvarianten die verschiedenen Produktionsabschnitte durchlaufen. Anstelle bisher eingesetzter Umlauf-Datenträger setzt das Rastatter Werk nun allerdings auf eine Lösung mit RFID-Einmaletiketten der Simatic RF600-Produktlinie von Siemens. Diese Funketiketten sind als Einweg-Transponder konzipiert und begleiten, in den Radkasten des künftigen Autos montiert, die Karosse auf allen Produktionsschritten vom Rohbau über die Lackierung bis in die Endmontage. Erstmals entschied sich damit ein deutscher Automobilhersteller für die UHF-RFID-Technik, die ursprünglich für die Steuerung von Logistikströmen konzipiert worden war. Auch das neue Mercedes-Benz-Werk in Kecskemét (Ungarn) setzt von Anfang an auf das RF600-System. Hitzefeste Smart Labels bis 220°C Die Technik basiert auf der Nutzung der Funkfrequenzen um 865MHz, die kostengünstige Transponder bei gleichzeitig hoher Reichweite ermöglichen. Siemens hat gemeinsam mit Daimler diese Technik so weiterentwickelt, dass sie nun auch die besonderen Anforderungen der Industrie erfüllt. Dazu zählen zum einen die hohen Umgebungstemperaturen, für die die neuartigen, hitzefesten Smart Labels Simatic RF680L entwickelt wurden. Ein spezieller Testierungsprozess während der Produktion der Labels sichert die besonders hohe Qualität. Damit überstehen die neuen Transponder auch die Lackierung und Trocknung mit Temperaturen von bis zu 220°C, ohne dass die Labels vom Fahrzeug abgenommen werden müssten. Einen zweiten wesentlichen Innovationsschritt stellt die Beherrschung der ungünstigen Funkbedingungen in der Fabrik dar. Durch neue Algorithmen, die auf einer intelligenten Variation der Sendeleistung und der Auswertung der Leseergebnisse durch statistische Verfahren basieren, ist es nun möglich, auch an schwierigsten Stellen eine sichere RFID-Erkennung zu realisieren. So wird z.B. in Reinräumen, die vollständig mit Metall ausgekleidet sind, trotz Überreichweiten und Reflektionen ein hohes Maß an Lesesicherheit erreicht. Dabei sind die RFID-Lesegeräte in der Lage, sich in gewissen Grenzen automatisch an veränderte Randbedingungen anzupassen. Dennoch bleiben die RF600-Komponenten vollständig kompatibel zu den Standards EPCglobal (s. Kasten) und ISO 18000-6C. Im Werk Rastatt kommen zwei Typen von RFID-Lesegeräten zum Einsatz: Simatic RF620R, der sich durch seine integrierte Antenne besonders schnell montieren lässt, und Simatic RF630R mit Antennen RF642A, die sich vor allem für stark reflektierende Einsatzorte eignen. Über die Standard-Kommunikationsmodule RF180C bzw. ASM456 werden die Reader in die vorhandenen Profinet- bzw. Profibus-Strukturen eingebunden. Kontrolliert wird das RFID-System über bestehende Simatic-S7-Steuerungen und ein von Daimler erstelltes Visualisierungssystem. Insgesamt sind im Werk Rastatt über 300 RFID-Reader in Betrieb; weitere 200 RF600-Lesegeräte wurden im Werk Kecskemét installiert. Für die Datenhaltung entschied sich Daimler für eine dezentrale Speicherung der wichtigsten Daten auf dem RFID-Label, um schnell – ohne Zugriff auf ein Hintergrundsystem – die benötigten Informationen zur Verfügung zu haben. Alle weiteren Daten können bei Bedarf aus dem Produktions-Leitsystemen abgefragt werden; hierzu ist in jedem Label auch eine eindeutige Identifikationsnummer abgelegt. Einführung im laufenden Betrieb Mit der Einführung des neuen Systems waren verschiedene Herausforderungen zu lösen. So musste das neue RFID-System parallel zum Altsystem installiert werden, da die bisherigen Fahrzeuggenerationen bis zum Serienende nicht verändert werden sollten. Aus diesem Grund war auch die Einführung unter vollem Betrieb der Fabrik notwendig. Ein Team aus RFID-Experten, Programmierern und Anlagenspezialisten von Daimler und Siemens gestaltete gemeinsam den Übergang und sorgte dafür, dass die Produktion der bisherigen Generation reibungslos weiterlaufen konnte. Dabei wurden auch die geplanten Weiterentwicklungen an der Firmware der RF600-Reader eng mit dem Projekt synchronisiert, die nun auch in anderen Anwendungen und Industrien zum Tragen kommen. Die neue Technik bietet im Werk wichtige Vorteile. So werden, anders als im bisher verwendeten System mit aktiven Transpondern – keine Batterien mehr benötigt. Ebenso entfällt die bislang notwendige Reinigung und werksinterne Rückführung der Transponder von der Endmontage zum Rohbau. Die Siemens-Reader zeigten sich nach intensiven Pilottests geeignet, die Kundenanforderungen an Zuverlässigkeit und Praxistauglichkeit voll zu erfüllen. Zudem haben die Experten von Siemens intensiv mit Daimler die Installation der zugelieferten Gewerke optimiert, bis wirklich ein Maximum an Performance und Zuverlässigkeit erreicht wurde. Die Kombination aus Anlagenverständnis, Automatisierungs-Know-how und RFID-Expertise waren ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Projekts. Das Ergebnis: Eine Leserate von durchschnittlich 99,99% im Bereich Oberfläche, der durch seine Umgebungsbedingungen besonders kritisch für RFID ist. Fazit Der Wechsel auf Simatic RF600 und die hitzefesten Smart Labels RF 680L stellt sich damit als Erfolg dar. Die technische Zielsetzung, eine Ablösung des bisherigen RFID-Systems, wurde ebenso erfüllt wie der möglichst störungsarme Umstieg während der laufenden Produktion. Auch kostenseitig erweist sich die neue Lösung als vorteilhaft. Künftig wird die Produktion jedes einzelnen Fahrzeugs aus den Werken Rastatt und Kecskemet mit einem RFID-Smart Label gesteuert. Kasten: EPCglobal für die Industrie Wurde der bei Daimler eingesetzte RFID-UHF-Standard EPCglobal Class 1 Gen 2 ursprünglich für Applikationen in Handel und Logistik entwickelt, hat sich diese Technik inzwischen auch für Industrieanwendungen etabliert. Mit seinem Portfolio \’UHF for Industry\‘ hat Siemens zahlreiche Innovationen entwickelt, die die UHF-Reader und -Transponder auch für die kritischen Anforderungen der Industrie fit machen. So bietet Siemens eine Vielzahl von speziellen Antennen an, die für verschiedene Anwendungsszenarien speziell optimiert sind. Hoch entwickelte Reader-Algorithmen stellen eine maximale Erkennungsrate sicher und filtern gleichzeitig störende Überreichweiten aus dem Ergebnis heraus. Auch die Integration der Reader wurde durch die Einbindung in \’Totally Integrated Automation\‘ besonders einfach gestaltet, ohne auf wichtige Features wie z.B. die automatische Neu-Parametrierung beim Tausch eines Geräts (ohne umständliche Hantierung von Speicherkarten) zu verzichten.

Siemens AG
http://www.siemens.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen