Sicheres Einrichten von Robotern

Robotersicherheit 2015: Möglichkeiten und Grenzen
Wenn von Robotersicherheit die Rede ist, denken viele heute fast automatisch an die kollaborative Robotik und die dafür erforderlichen neuen Regeln. Wichtiger für die Industrie ist jedoch meist der sichere Betrieb größerer automatischer Roboter. Vor dem Hintergrund aktuell tödlicher Unfälle in Industriebetrieben stellt sich vor allem die Frage: Wie sieht sicheres Einrichten und Teachen von Robotern aus? Und eine weitere oft gestellte Frage ist die nach der Stabilität von Schutzeinrichtungen.

Das manuelle Steuern von Robotern bei geöffneter/gemuteter Schutzeinrichtung ist nur zulässig, wenn dazu eine sichere Betriebsart zur Verfügung steht. Diese ist meist Teil der Robotersteuerung und verlangt gleichzeitig vier Sicherheitsbedingungen:

  • kein automatischer Programmablauf, sondern nur Einzelbewegungen,
  • dauernde Zustimmung zur Gefährdung durch den Nutzer (Zustimmtaster),
  • zuverlässig reduzierte Geschwindigkeit (max. 250mm/s),
  • Not-Halt in unmittelbarer Nähe.

Problem Override-Funktion

Allerdings kann bei vielen Robotersteuerungen auch ein Programmablauf mit Handsteuerung gefahren werden. Solange dies in zuverlässig reduzierter Geschwindigkeit geschieht und in der Roboterzelle Platz zum Ausweichen ist, mag man das noch akzeptieren. Problematisch wird es jedoch, wenn eine Override-Funktion vorhanden ist, mittels der ein manueller Betrieb mit der programmierten Prozessgeschwindigkeit (also \’Vollgas\‘) möglich ist. Eine solche Betriebsweise ist gefährlich, obwohl sie nach den Roboternormen ISO10218-1/2 grundsätzlich zulässig ist. ISO10218-2 hält diese Betriebsart für möglich, wenn ausreichend Platz zum Ausweichen vorhanden ist. \’Ausreichend\‘ hieße nach EN349, dass zwischen Roboter und stehenden Gegenständen/Umzäunungen 500mm Mindestabstand bleiben müssten. Dies ist in den meisten industriellen Anwendungen aus Platzgründen jedoch kaum möglich. Daher sollte man die Funktion manuelle Steuerung mit Prozessgeschwindigkeit nur von außerhalb des Gefahrenbereiches und nur bei geschlossener/aktiver Schutzeinrichtung zulassen. Am besten stellt man dies technisch sicher, so dass der Override bei offener/gemuteter Schutzeinrichtung nicht mehr verwendet werden kann.

Roboter-sichere Schutzzäune?

Auch bei Roboteranwendungen geizt man um jeden Quadratmeter Aufstellfläche. Dies führt fast immer dazu, dass der Schutzzaun im Bewegungsbereich des Roboters steht und daher – insbesondere von großen und schnellen Robotern – umgestoßen oder durchschlagen werden könnte. Große Hochgeschwindigkeitsroboter sind durchaus in der Lage eine gemauerte Wand zu durchschlagen oder eine Betondecke zu beschädigen. Daher muss für eine Aussage über die Widerstandsfähigkeit eines Schutzzaunes die maximale kinetische Energie bekannt sein, die in der Anwendung auftreten kann (E=½m x v2; wobei E=Energie; m=Masse, v=Geschwindigkeit). Sie wird in Joule angegeben und hängt vom eingesetzten Roboter ab. Die meisten Hersteller von Schutzeinrichtungen werden für die Stabilität ihrer Zäune gar keine Werte angeben können. Axelent nennt 1.200J als Grenzwert. Was tun, wenn die Kräfte höher sind? Es empfiehlt sich dann eine vierstufige Strategie zur Auswahl von Schutzmaßnahmen:

1. Den Schutzzaun als Zugangssicherung betrachten und eine Bewegungsbegrenzung für den Roboter vorsehen (bei Werkzeugmaschinen geht man genauso vor und versucht nicht Gehäuse so zu gestalten, dass sie havarierende Maschinenteile zurückhalten können).

2. Eine Kollision mit dem Zaun durch folgende Maßnahmen verhindern: a) Mechanische Bewegungsbegrenzung einzelner/aller Achsen des Roboters, b) Bewegungsbegrenzung durch Hardware-Endschalter für einzelne/alle Achsen, c) Kollisionssensorik, die so angebracht ist, dass die Bewegung noch rechtzeitig angehalten werden kann (Achtung bei hohen Bewegungsgeschwindigkeiten), d) \’sichere\‘ Robotersteuerung, die das Verlassen der programmierten Bewegungsbahnen zuverlässig verhindert. Dabei werden Bereiche programmiert, in denen der Roboter langsamer fährt oder in die er gar nicht hineinfahren darf.

3. Besondere Gefährdungen technisch ausschalten. Bei hohen Bewegungsgeschwindigkeiten z.B. formschlüssige Greifer für Werkstücke hoher Masse verwenden. Sauggreifer oder reibschlüssige Greifer können Teile verlieren.

4. Sollte sich mit Schritt 2 und 3 kein sicherer Zustand erreichen lassen, kann der Schutzzaun selbst zur \’Rückhalteeinrichtung\‘ weiterentwickelt werden. Denkbar sind verstärkte Pfosten mit Abfang-/Stützstreben, verstärkte Gitter, bei deren Konstruktion eine Verformung bewusst einkalkuliert wird, doppelter Zaun mit Zwischenraum in Kombination mit elastischen Fangnetzen usw.

Am Anfang der Auslegung muss stets eine gründliche Risikobeurteilung stehen. Wem dazu das Know-how fehlt, der kann und sollte sich von Profis unterstützen lassen, denn Roboteranwendungen können leider durchaus lebensgefährlich sein.

Axelent GmbH
http://www.axelent.de

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