Prozessschwankungen vermeiden

Sensoren für die digitale Produktion von morgen - Teil 1/7
Die Beitragserie beschreibt die aktuellen Entwicklungen zur Nutzung von Sensoren und Sensorsystemen in der Produktionstechnik. Ausgehend vom Stand der Technik wird untersucht, welche Anforderungen an zukünftig einzusetzende Sensoren für die digitale Produktion gestellt werden. Die Systemgrenzen werden um den Prozess selbst sowie die Interaktion von Werkzeug und Werkstück unter Nutzung von Betriebsmitteln gelegt. Durch die Vernetzung von Menschen, Maschinen und Systemen der Kommunikations- und Informationstechnik wird ein grundsätzlich neuer Entwicklungsstand erreicht, der sich auch in der Organisation und in neuen Fabrikstrukturen widerspiegelt.

Produktionssysteme und Fertigungsprozesse müssen so ausgelegt werden, dass die schnelle und flexible Umrüstung auf unterschiedliche Produkte und Losgrößen möglich ist, ohne in der Anlaufphase Qualitäts- und Produktivitätsverluste hervorzurufen. In diesem Umfeld muss sichergestellt sein, dass Fertigungsprozesse überwacht und damit Fehler und Fehlproduktionen vermieden werden. Die Zustände von Werkzeug, Produkt, Hilfsmittel und Maschine müssen so beschreibbar sein, dass richtige Führungs- und Regelungsgrößen identifiziert werden, um Produktivitätssteigerungen in einer robusten Fertigung zu ermöglichen. Dieser Beitrag zeigt die derzeitigen Grenzen der genutzten Sensorik auf und stellt Möglichkeiten vor, wie durch Sensorik Unschärfe in Produktionsprozessen erkannt und dadurch Unsicherheit in beherrschbare systematische Zusammenhänge überführt werden kann. Wenn dies gelingt, sind Möglichkeiten gegeben, Produktionsreserven nachhaltig nutzbar zu machen. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass die Gründe für das Auftreten von Prozessschwankungen in ihrer physikalischen Wirkungsweise bekannt und kausale Zusammenhänge zu Prozessstellgrößen abgeleitet werden können. Hierbei ist es nicht relevant, ob die Zusammenhänge empirisch oder durch physikalische Zusammenhänge beschrieben werden. Erst wenn diese beschreibbar sind, ist es möglich, Anforderungen an Sensoren und Sensorsysteme zu definieren. Es kommt darauf an, Prozesszustände orts- und zeitaufgelöst zu quantifizieren und kausale Zusammenhänge zu den Stellgrößen der Prozesse herzuleiten. Am Beginn dieser Informationskette stehen prozessgeeignete Sensoren. Sie sind Schlüsselkomponenten für die erweiterte Prozessanalyse und sind somit die wichtigste Voraussetzung dafür, dass sich die im Umfeld der Entwicklungsinitiative Industrie 4.0 abzeichnenden Möglichkeiten in der Produktion umsetzen lassen.

Sensordaten in einer vernetzten Produktion

Bild 1 zeigt die Wirkungsrichtungen von Sensordaten in einer vernetzten Produktion. Hier wird die Bedeutung von Sensoren für digitales Produktionswissen deutlich. Sensoren liefern analoge oder digitale Signale, die durch Daten beschrieben werden. Diese enthalten Informationen, die dann mit Hilfe von Modellen interpretierbar werden. Erst die Bereitstellung relevanter und konsistenter Daten sowie deren Weiterverarbeitung und Verwendung in Modellen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass in Echtzeit Prozessoptimierungen durchgeführt werden können. Neue Sensorkonzepte stellen nicht nur Daten zur Verfügung, die beim jetzigen Stand der Technik \’ex post\‘ ausgewertet werden, sondern sie können in Echtzeit und in-situ aus Daten Informationen generieren. Solche Systeme werden unter dem Begriff Embedded Systems beschrieben und können sowohl dem Maschinenbediener als auch einem Experten an einem anderen Ort als direkte Entscheidungshilfe dienen. Auf Skaleneffekten beruhende Kostensenkungen und neue Datentechnologien, wie z.B. die drahtlose Datenübertragung, ermöglichen die Gewinnung großer Datenmengen aus Haupt- und Nebenprozessen. Werden diese Daten in geeignete Modelle gespeist, bilden sie die Grundlage für mächtige Multi-Physik- und Mehrkriterien-Optimierungen. Diese Datenbasen können auch genutzt werden, um Selbstoptimierung und Selbstüberwachung durchzuführen. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt der Serie auf der Beschreibung geeigneter Sensorik für Werkzeuge, Werkstücke, Prozessstrategien und Wirkmedien. Im Folgenden werden ausgewählte Beispiele aus der Anwendung von Sensoren nach jetzigem Stand der Technik in der Produktionstechnik beschrieben. Hierauf aufbauend werden die Anforderung an die Weiterentwicklung von Sensorsystemen aufgezeigt und ein mögliches Szenario zur zukünftigen Nutzung von Sensorik beschrieben.

Anwendung in der Produktionstechnik

Im Produktionsumfeld kommt eine Vielzahl von externen Sensoren zum Einsatz. Der Anwendungsfokus dieses Abschnitts liegt auf der Überwachung von Produktionsprozessen. Daher ist eine Konzentration der Messobjekte auf das Werkstück, das Werkzeug und das Wirkmedium zielführend. Die Sensoren zur Beurteilung von Werkstück, Werkzeug und Wirkmedium verwenden unterschiedliche Messprinzipien, um Zustands- bzw. Prozessgrößen zu erfassen. Diese können in sechs wesentliche Kategorien unterteilt werden: mechanisch, thermisch, elektrisch, magnetisch, strahlend und chemisch. In vielen Fällen stellen die externen Sensoren am Ausgang ein elektrisches Signal zur Verfügung, das die Messgröße repräsentiert. Die weitverbreiteten Standards der analogen Messtechnik sind ein Spannungssignal zwischen 0 und +/-10V oder ein Stromsignal zwischen 4 und 20mA. Idealerweise ist der Zusammenhang zwischen der Messgröße und dem elektrischen Signal proportional und durch einen konstanten Faktor gegeben. Grundsätzliche Probleme bestehen jedoch darin, dass viele Sensoren entweder nur eine Messgröße erfassen können oder extrem kostenintensiv sind und somit nur als Laborlösung dienen. Für den Einsatz in der täglichen Produktion muss ein Sensor onlinefähig – also vollständig in den Prozess integriert sein – was auf viele Sensoren nicht zutrifft. Im Folgenden wird am Beispiel der Glasumformung gezeigt, wie man nach heutigem Stand der Technik diesen Nachteilen begegnet.

Geringe Qualitätsstreuungen bei Präzisionsblankpressen

Das Präzisionsblankpressen gewinnt im Zuge der stetig steigenden Anforderungen an Optiken und der fortlaufenden Miniaturisierung von optischen Systemen immer mehr an Bedeutung. Aus wirtschaftlicher Sicht stoßen konventionelle Herstellungsverfahren wie Schleifen und Polieren zunehmend an ihre Grenzen, da mit dem Anstieg der Komplexität einer Optik auch der Herstellungsaufwand und so die Kosten pro Optik steigen (Bild 2). Das Präzisionsblankpressen ermöglicht eine präzise Fertigung von einbaufertigen Optiken in einem einzigen Schritt. Die gepressten Linsen können sowohl im Bereich von Beleuchtungs- als auch Abbildungsanwendungen eingesetzt werden. Ausgehend von den Spezifikationen der Optik wird ein Werkzeug- und Rohlingdesign erstellt und der spätere Umformprozess durch eine FEM-Simulation optimiert. Anschließend werden die Werkzeuge auf Ultrapräzisionsmaschinen gefertigt und mit einer verschleißmindernden Beschichtung versehen. Die Beschichtung hat eine größere Härte, einen niedrigeren Reibkoeffizienten und eine bessere chemische Verträglichkeit mit dem zu bearbeitenden Glas. Damit führt sie zu einer Standzeitverlängerung der Werkzeuge. Bild 3 zeigt den Ablauf des Präzisionsblankpressens, bei dem die Prozesstemperatur, die Presskraft und die Position des Werkzeugs erfasst und geregelt werden. Der Prozess beginnt mit dem Einlegen eines zumeist kugel- oder scheibenförmigen, polierten Glasrohlings in das Werkzeug. In einer geschlossenen Prozesskammer mit inerter Atmosphäre werden Glas und Werkzeug mittels Wärmestrahlung auf die Presstemperatur erhitzt. Diese Presstemperatur wird aus der erforderlichen Viskosität des verwendeten Werkstoffs abgeleitet und liegt oberhalb der Transformationstemperatur des Glases. Ein Regelsystem hält die Prozesstemperatur in einem engen Bereich. Thermoelemente im Mantel des Werkzeugs erfassen an der Rückseite der Presswerkzeuge kontinuierlich die in der Presskammer vorliegende Temperatur. Der PID-Regler gleicht die Temperatur mit dem Sollwert ab und regelt als Stellgröße die Lampenleistung, um die gewünschte Solltemperatur zu erreichen. Die Überwachung und Regelung findet während des gesamten Pressprozesses statt. Nach einer Homogenisierungsphase, welche die Isothermie von Werkzeug und Glasrohling sicherstellt, wird die Prozesskammer evakuiert und der Glasrohling mit einer definierten Presskraft umgeformt. Sowohl die Presskraft als auch die Z-Position der Pressachse werden während der gesamten Pressphase überwacht und gezielt geregelt. Die Überwachung erfolgt abermals über den Abgleich zwischen Soll- und Ist-Wert. Nach Vergleich der Werte wird das Drehmoment des Servomotors (als Stellgröße) gezielt über einen A/D-Konverter geregelt. Um eine Optik von optimaler Qualität zu pressen, werden enge Passungen zwischen Hülsen und Presswerkzeugen gewählt, damit sich kein Grat an den Kanten der Optik bilden kann. Der Einfluss der Reibung zwischen den Komponenten des Werkzeugs auf die Kraftmessung wird minimiert, indem die Positionsgenauigkeit des Werkzeugs eng toleriert wird. Gleichzeitig muss zur Verbesserung der Messgüte des Kraftsensors beim Glaspressen das Werkzeug mit geringen Geschwindigkeiten verfahren werden. Durch die gezielte Einstellbarkeit der Kraft und Z-Position ist es möglich, Optiken auf eine gezielte Dicke zu pressen. Während der Abkühlung befinden sich Glas und Werkzeug solange in definiertem Kontakt bis das Glas erstarrt ist und entformt werden kann. Auch hier besitzt die Temperaturüberwachung eine entscheidende Rolle, da die sensible Abkühlphase durch Gegenheizen mittels den Infrarotlampen gesteuert werden muss. Dies ist nötig, da ansonsten die Brechungseigenschaften des Glases variieren oder sogar springen könnten. Eine anschließende Qualifizierung der gepressten Linse hinsichtlich Form, Rauheit und Funktion mittels taktiler und optischer Messgeräte dient der weiteren Prozessoptimierung.

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