Persönlicher Reisebericht

Eine Leiterplatte auf dem Weg durch die Elektronikfertigung
Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Leiterplatte. Früher wäre meine unsymmetrische Form mit ihren Öffnungen und Aussparungen ungewöhnlich gewesen, heute aber sehen viele Leiterplatten aus wie ich. Später werde ich mal in einem elektronischen Gerät leben und arbeiten, aber vorher bekomme ich noch viele Bauteile aufgesetzt und muss noch geprüft werden, ob ich richtig und vollständig bestückt bin und ob ich auch richtig funktioniere. Dazu trete ich - wie vor und nach mir Millionen von Artgenossen - eine Reise durch die Welt der Elektronikfertigung an. Mal sehen, was mich erwartet.

Bis jetzt bin ich nichts weiter als ein ungefähr 1,6mm starker, meistens grüner und häufig sechslagiger Schaltungsträger aus elektrisch isolierendem Basismaterial und leitfähigem Kupfer. Zusammen mit sieben weiteren Einzelschaltungen bin ich in einem Fertigungsnutzen von etwa 280x150mm untergebracht. Gekennzeichnet bin ich mit einem Data Matrix-Code mit Zellgrößen zwischen 125 und 250µm, in dem eine Serialnummer und ggf. die Fertigungsauftragsnummer, die Materialnummer, der Änderungsstand und das Herstelldatum hinterlegt sind. Ferner schmücken mich mehrere kreuzförmige oder runde Ausrichtmarken sowie Schlechtmarken.

Reisebeginn

Mit vielen Artgenossen stecke ich noch in einem Magazin, aber bald geht es auf eine Reise, auf der ich später mit etwa 60 Bauteilen bestückt werde. Dazu entnimmt mich ein Magazinbelader und schiebt mich auf ein Transportmodul, das mich zu meinem ersten Reiseziel bringt: Einer Siebdruck-Anlage, die mich mit einem Muster aus Lötpaste verschönert. Und schon sehe ich einige blaue Reisebegleiter (Sensoren) und kann sogar ihr Typenschild lesen: WTB4-3 Multiline und UC4. Der Erste ist für mich mit meinen Aussparungen, Bohrungen und Durchbrüchen genau richtig. Der Sensor hat zwei Lichtlinien, von denen mich immer mindestens eine erfasst. Dadurch kann ich detektiert und mit meinen Artgenossen über die gesamte Detektionsdauer auch richtig gezählt werden, weil nicht bei jeder Lücke in meiner Oberfläche ein weiteres Schaltsignal erzeugt wird. Aber es gibt auch Leiterplatten, die nicht so aussehen wie ich, sondern eher klassisch viereckig und ohne besondere Aussparungen daherkommen. Für sie hat der UC4 seine Vorteile. Der Ultraschallsensor hat eine hohe Auflösung, mit der er die \’Normalo-Jungs\‘ sicher erkennt. Seine integrierte Laufzeitmessung verhindert, dass ihn Objekte im Hintergrund oder Bewegungen spiegelnder Maschinenteile stören. Es soll aber auch Transfermodule oder Förderbänder geben, die die Positionsdaten auf andere Weise erfassen. So wurde mir sowohl von rotativen Inkremental-Encoder wie dem DFS60 als auch von linearen Absolut-Encodern der Produktfamilie TTK zur Portal-Positionierung in x/y-Richtung berichtet. Manchmal, wenn unterschiedliche große Kollegen transportiert werden, ist die Spurweite der Förderanlagen sogar verstellbar. In einem solchen Fall, leisten die induktive Näherungsschalter IQ10 bei der Einstellung der Förderbreite beste Dienste, denn ein spezieller ASIC sorgt für ein wiederholgenaues Schaltverhalten. Da hinten kann ich schon die Maschine sehen, die gleich den Lötpastendruck aufbringt.

Ankunft Siebdruckmaschine

So also sieht es in der Siebdruckmaschine aus, die ich gerade per Transportband erreicht habe. Hier werden elektronische Funktionsmaterialien in flüssiger oder pastöser Form auf meiner Oberfläche aufgebracht. Ich habe aber auch schon gehört, dass Artgenossen im Inkjet-Verfahren bedruckt werden. Damit der Lötpastendruck mit der erforderlichen Präzision aufgebracht werden kann, muss ich erst einmal sicher detektiert werden, damit die Maschine weiß, wo der Druck aufgebracht werden soll. Hier erledigen das zwei Inspector Vision-Sensoren. Die schauen nach meinen Ausrichtmarken und sorgen mit ihrem Signal dafür, dass ich richtig zur Druckschablone ausgerichtet bin. So, das ging jetzt aber schnell mit dem Lötpastendruck – und weh getan hat es auch nicht. Sieht eigentlich ganz toll aus. Aber um sicherzugehen, dass das Funktionsmaterial richtig aufgetragen wurde, lasse ich besser noch einmal die 3D-Kamera Ranger einen Blick darauf werfen. Die erkennt jede Lücke und jeden Fehler beim Lötpastendruck. Eben geht das grüne Licht an, es ist also alles in Ordnung und ich kann meine Reise fortsetzen. Auf dem Fahrplan steht jetzt die Einfahrt in die Leiterplattenbestückung.

Leiterplattenbestückung

Jetzt, wo ich bedruckt bin, kann ich endlich mit elektronischen Bauteilen bestückt werden. Gespannt bin ich, ob der bisherige Reiseverlauf, d.h. meine Prozessdaten über das MES-System bereits an den Bestückungsautomaten weitergeleitet wurden. Die Maschine muss nämlich wissen, ob alles ok ist und welche SMD-Bauteile aufgesetzt werden sollen. Überhaupt sind später viele Leute, in deren Geräten oder Maschinen ich und meine Kollegen arbeiten werden, sehr an unserem Reiseverlauf interessiert. Ich habe in diesem Zusammenhang immer wieder Begriffe wie Rückverfolgbarkeit (Traceability) vernommen. Jetzt weiß ich auch, wozu man mir ganz am Anfang so eine kleine Markierung direkt auf meiner Oberfläche aufgebracht hat. Aber wie soll dieser fast mikroskopisch kleine Data Matrix Code gelesen werden, bei den kritischen Eigenschaften meiner Oberfläche und dem wie ich finde eher schwachen Kontrast? Und schon sehe ich die Antwort auf meine Frage. Bei dem Lector620 DPM Plus handelt es sich um einen sogenannten kamerabasierten Codeleser. Der soll dank seiner intelligenten Decodieralgorithmen eine außergewöhnlich hohe Leseperformance bieten. Jedenfalls liest er meinen Code schnell und sicher, so dass wir im Bestückungsautomaten nicht unnötig warten oder gar die Reise beenden müssen. Im Bestückungsautomat werde ich aber nicht nur identifiziert, sondern auch detektiert. Und da es hier mächtig eng zugeht, haben sich die Maschinenkonstrukteure für meine Reise was Besonderes ausgedacht: Sie haben Lichtleitersensoren WLL180 T mit LL3-Lichtleitern eingesetzt, um mich zu erfassen. Die Optikköpfe brauchen minimalen Platz – und der Sensor lässt sich auch nicht von den schwierigen Umfeldeinflüssen, z.B. den Reflexionen des Bestückungskopfes, beeinflussen. Zudem passen die Sensoren ihre Sendeleistung an die – je nach Nutzengröße wechselnde – Spurbreite des Transportbandes an. Wenn ich ab und zu mal über meinen Leiterplattenrand hinausschaue, sehe ich immer wieder Personen in der Anlage umherlaufen und auch an verschiedenen Maschinen arbeiten. Wer schützt die eigentlich vor Gefahren, wenn sie z.B. aus Unachtsamkeit oder bei einer Störung in eine Maschine eingreifen? Aha, da sind ja Schutztüren und Klarsichthauben dran – und immer wieder gelbe Schalter. Jetzt kann ich auch lesen, was draufsteht: i14 lock. Das sind elektromechanische Sicherheitsschalter, auch Sicherheitszuhaltungen genannt, die die Klappe verriegeln, damit sie niemand unkontrolliert öffnet. Und wenn man genauer hinschaut, sind die ja fast überall dran, sogar an den Transfereinrichtungen, mit denen die verschiedenen Bestückungsstationen verkettet sind. Trotzdem sehe ich kaum Verkabelungen – was wohl daran liegt, dass die Schalter irgendwie untereinander verbunden sind. \“Richtig erkannt\“, ruft mir die Platine vor mir zu, \“die haben da eine Sicherheits-Steuerung Flexi Soft, die mit dem Integrationsbaustein Flexi Loop bis zu 32 dieser Sicherheitsschalter oder andere Sicherheitssensoren ganz sicher kaskadieren kann – bis Performance Level PL e nach DIN EN ISO 13849-1.\“ Aber es kommt noch besser: Da ein Flexi-Loop-Strang jeden Sensor einzeln überwacht, wird die Gefahr \’maskierter\‘ Folgefehler, wie sie bei konventioneller Reihenschaltung auftreten können, sicher vermieden. Die Bestückungsmaschinen hält das am Laufen, und auch in den Transfermodulen bleibt keiner auf der Strecke.

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Sick AG
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