Ohne eine Zeile SPS-Code

Mit Open Core Engineering programmieren Maschinenbauer Bewegungen direkt in LabView
Prüfprozesse sichern die Qualität von Produkten. Dabei ist die Vielfalt groß - von der einfachen End-of-Line-Prüfung, um die Funktionalität von gefertigten Komponenten zu messen, bis hin zu komplexen Anlagen in der Entwicklung. Prüfmaschinen sind für ihre Aufgabe jeweils maßgeschneidert und Hersteller damit sehr daran interessiert, das Engineering zu beschleunigen. Einen konkreten Ansatzpunkt gibt es jetzt für LabView-Anwendungen. Bisher erforderten diese einen doppelten Programmieraufwand: für die Mess- und Prüfanwendungen einerseits und den Maschinenablauf andererseits. Das macht Bosch Rexroth einfacher. Mit einer neuen Schnittstellentechnologie programmieren Maschinenbauer die Bewegungsabläufe ausschließlich über die Labview-Oberfläche - ohne eine Zeile SPS-Code zu schreiben.

Unternehmen stehen weltweit vor der Herausforderung, innovative Produkte mit hoher Funktionalität möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Das darf nicht zulasten der Qualität gehen. Sowohl gesetzlichen Regelungen als auch Kundenerwartungen haben zu deutlich höheren Qualitätsanforderungen geführt. Darum setzen immer mehr produzierende Unternehmen auf sichere, meist automatisierte Prüfprozesse. Sie führen regelmäßig Lebensdauertests, aber auch Ermüdungstests oder Werkstoffprüfungen durch. Die entsprechenden Prüf- und Messmaschinen müssen die Hersteller kundenindividuell anpassen. Im Industriebereich greifen sie häufig auf die Softwarelösung Labview zurück, ein grafisches Programmiersystem für die Erfassung und Aufbereitung messtechnischer Daten sowie die Anbindung der für die Prüfprozesse notwendigen Messsensorik.

Doppelte Arbeit durch SPS-Programmierung

Für Maschinenhersteller bringt der Einsatz dieses Programms bisher doppelte Arbeit mit sich. Denn es gilt zum einen die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) für den eigentlichen Ablauf in der Prüfmaschine zu programmieren und zum anderen die Mess- und Prüfanwendungen. Die Datenerfassung im Prüfprozess erfolgt dabei in der Regel parallel zu den definierten Bewegungen oder Zuständen im Maschinenablauf. Um Messung und Bewegung miteinander zu koppeln, muss der Maschinenbauer einen sogenannten Handshake oder eine Synchronisation von Labview mit der SPS programmieren. Das bringt einen Mehraufwand mit sich, zumal die verfügbaren Schnittstellen zwischen der SPS und dem Labview-System nur rudimentär vorhanden sind. Die Konsequenz für den Maschinenbauer ist, dass er zur Inbetriebnahme in beiden Systemen programmieren und damit zwei völlig verschiedene Oberflächen benutzen muss. Zusätzlich zu Labview benötigt er also auch SPS-Kenntnisse. Diese doppelte Arbeit entfällt mit Open Core Engineering und der neuen Schnittstellentechnologie Open Core Interface. Bosch Rexroth schafft damit die Voraussetzung, die Bewegungsabläufe einer Maschine ausschließlich über die grafische Labview Oberfläche zu programmieren, ohne eine Zeile SPS-Code zu schreiben. Möglich wird dies, indem Maschinenbauer über Labview einen erweiterten Kernzugriff direkt auf die Rexroth-Steuerungssysteme haben. Diese können so die Inbetriebnahme kundenspezifischer Prüf- und Messmaschinen deutlich vereinfachen und beschleunigen (Bild 1).

Bewegungsabläufe direkt aus LabView heraus programmieren

In Verbindung mit den Steuerungssystemen Indramotion MLC und Indralogic XLC bietet Open Core Interface Maschinenbauern die Option, mit Hochsprachenprogrammen direkt auf Steuerungsfunktionen zuzugreifen. Programmierern steht in Labview eine Vielfalt an Bibliotheken mit mehr als 550 \’Virtuellen Instrumenten\‘ zur Verfügung. Diese Funktionsblöcke stellt Bosch Rexroth als Software Development Kit (SDK) bereit. Haben Programmierer diese Bibliotheken in Labview importiert, können sie die Maschinenfunktionen direkt mit dem Messprogramm ansteuern. Die Bibliotheksfunktionen von Open Core Interface sind in einzelne Funktionsbereiche aufgeteilt wie Kommunikationsdienste, Motion Control oder System und Diagnose. Für jedes einzelne \’Virtuelle Instrument\‘ sind über ein Kontextmenü weitere Informationen verfügbar, darunter eine Hilfe zur Beschaltung sowie eine ausführliche Beschreibung des Schnittstellensignals (Bild 2). Aufgrund seines Konzepts, das auf ein Programmieren in zwei Fenstern – Frontpanel und Blockdiagramm – setzt, lässt sich Labview direkt zum Bedienen der Maschine nutzen. Der Maschinenbauer hat durch das Frontpanel sämtliche Bedien- und Anzeigeelemente wie Taster, Schalter oder grafische Anzeigen an Bord. Er kann somit auf einfache Weise eine vollwertige Benutzeroberfläche für die Mensch-Maschine-Kommunikation erstellen. Zudem umfasst das Software Development Kit für das Open Core Interface auch Beispielprojekte für Benutzeroberflächen, die der Maschinenbauer schnell an seine Anforderungen anpassen kann (Bild 3).

Wegfall der SPS-Programmierung spart Zeit und Kosten

Als derzeit einzige Schnittstelle auf dem Markt bietet das Open Core Interface einen direkten Zugriff auf sämtliche Steuerungsfunktionalitäten ohne Umweg über das SPS-Programm. Um eine Achse direkt aus LabView heraus zu verfahren, aktiviert der Programmierer nur das entsprechende \’Virtuelle Instrument\‘, ein SPS-Befehl ist dafür nicht notwendig. Auf diese Weise können Maschinenbauer über LabView alle notwendigen Maschinenabläufe programmieren. Bei solchen Anwendungen stößt die SPS oftmals nur einzelne Prüfschritte an, deterministische Abläufe sind meist nicht relevant. Vor diesem Hintergrund ist es mit Hilfe von Open Core Interface sogar möglich, die komplette Maschinenapplikation rein über die LabView-Anwendung zu erstellen – gänzlich ohne SPS-Programm. Die Steuerungshardware mit ihrer Firmware stellt mit Open Core Interface der LabView-Anwendung die notwendige Funktionalität zur Verfügung. Hersteller von Prüfmaschinen sparen Zeit und Kosten, weil die gesonderte SPS-Programmierung ersatzlos entfällt und sie nur noch mit Labview als Programmierwerkzeug arbeiten. Aus Anwendersicht hat dieses Konzept zudem den Vorteil, dass sich auch Modifikationen an der Prüfmaschine einfach über die Labview-Anwendung umsetzen lassen. Selbst wenn gewisse Maschinenabläufe in der SPS realisiert sind kann der Programmierer über das Open Core Interface von außen darauf zugreifen, sie erweitern und sogar beeinflussen – ohne das SPS-Programm ändern zu müssen. Da Bosch Rexroth ein breites, nach Leistung und Funktionalität skalierbares Spektrum an Steuerungshardware bietet, ist das Einsatzspektrum entsprechend groß. Maschinenbauer können damit sowohl einfache SPS-Anwendungen in der Fabrikautomation abdecken als auch komplexe Motion-Logic-Aufgaben inklusive der Synchronisation von mehreren Hundert Achsen.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Bosch Rexroth
http://www.boschrexroth.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen