Nicht komplexere, sondern einfachere Sensoren

Expertenrunde 'Intelligente Sensorik'
Die Rolle des Sensors wandelt sich vom reinen Messwertbeschaffungsgerät hin zum intelligenten Teilnehmer, der immer wichtiger für die Automatisierung wird. Doch was hat der Anwender davon, welche Rolle spielt zukünftig die Hardware, inwieweit ist IO-Link für diese Entwicklungen notwendig und wird die (intelligente) Sensorik in Zeiten von Industrie 4.0 für den Anwender wichtiger? Um diese Fragen zu klären, haben wir bei einigen Sensor-Experten nachgefragt.

Wird der Sensor der Zukunft intelligenter sein als heute und was hat der Anwender davon?

C. Melder: Sensoren sind die Sinnesorgane einer Maschine. Erst deren Rückmeldungen machen intelligente Maschinen möglich. Damit ist das anspruchsvolle und extrem weite technologische Feld der Sensoren beschrieben und darauf – ausschließlich darauf – konzentrieren wir uns. Das allerdings in voller Breite. \’Sensor Intelligence\‘ fokussiert eine Richtung der Sensortechnologie: die Ausstattung von Maschinen mit der Fähigkeit des intelligenten Sehens, Erkennens und Kommunizierens. \’Mehr Produktivität durch Flexibilität\‘ ist die Maxime bei der Realisierung neuer Maschinenkonzepte. Flexibilität ist dabei direkt abhängig von den automatisierungstechnischen Funktionalitäten, die z.B. innovative Sensoren bieten können. Die Nachfrage der Endkunden gegenüber den Maschinenherstellern nach intelligenter Sensortechnik nimmt daher seit Jahren kontinuierlich zu. Diese erlaubt es, Maschinen für eine möglichst große Vielfalt an Produktvarianten zu entwickeln – sie aber auch den regionalen Bedürfnissen im Weltmarkt anzupassen und die Produktivität von Maschinen generell zu steigern. Die Folge ist, dass die Maschinenhersteller verstärkt nach innovativen Lösungen in der Automatisierungstechnik suchen. Die Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit der Smart Sensor Solutions eröffnet durch bislang nicht umsetzbare Funktionalitäten neue Potenziale für eine höhere Maschinenproduktivität. Die Möglichkeit, Sensoren über das Automatisierungssystem flexibel einzustellen, ist vor allem bei Maschinen von Vorteil, an denen häufig Wechsel von Formaten, Rezepturen oder Produktvarianten stattfinden. Insbesondere Maschinen und Anlagen der Verpackungs-, Montage-, Holz- und Glasverarbeitungs- sowie Kunststoff- und Gummi-Industrie profitieren von dieser Funktionalität. Denn der Parameter-Download direkt aus einer Steuerung auf gleichzeitig beliebig viele Sensoren spart Zeit, vermeidet Fehler und ist jederzeit dokumentierbar. In Anlagen, in denen eine robuste und günstige Zählwerterfassung oder eine Geschwindigkeits- bzw. Drehzahlmessung erforderlich ist, bewährt sich die Funktionalität eines Hochgeschwindigkeitszählers.

P. Adolphs: Intelligenz ist sicherlich ein weit gefasster Begriff. Im Zusammenhang mit Sensoren versteht man darunter gemeinhin eine Firmware basierte Vorverarbeitung der Messdaten und die Möglichkeit einer weitgehenden Parametrierung des Sensors. Mit dieser Definition von Sensorik braucht man wohl kein Prophet zu sein, um zu behaupten, dass die Intelligenz im Sensor zunehmen wird. Das ist nicht zuletzt das Resultat der konsequenten Miniaturisierung bei den Halbleitern. Das haben wir gerne aufgegriffen und dazu genutzt die puren Messwerte des Messelements vor zu verarbeiten. Allein schon aus Gründen der EMV-Festigkeit ein sinnvoller Weg. Doch auch die zunehmende Vernetzung aller Automatisierungskomponenten erfordert, dass Sensoren die Daten vor verarbeiten und im richtigen Format in das Netz stellen. Und gerade die Vernetzung in der Automatisierungsanlage steht noch ganz am Anfang. Es gibt aber auch Effizienzgründe. So wird inzwischen sogar der Abgleichwiderstand eines induktiven Taster per Prozessor realisiert, was erhebliche Vorteile bei der Fertigung bringt.

V. Engels: Sofern man Intelligenz damit definieren will, dass gewisse Funktionen, die früher mechanisch gelöst wurden, heute softwaretechnisch bzw. elektronisch erledigt werden, kann man sagen: Ja. In Zukunft werden noch mehr Funktionen mittels Software integriert werden. Dadurch erhöhen sich die Flexibilität, die Funktionalität und auch die Performance des Sensors. Bei Baumer wird dieser Entwicklung bereits Rechnung getragen, z.B. wird in unserem qTeach-Verfahren für den Einlernprozess der Sensoren auf jegliche mechanische Verstellmöglichkeiten verzichtet. Dadurch erreicht man eine leichte und verschleissfreie Bedienung der Sensoren. Auch der Salsa-Algorithmus (Super Ambient Light Suppression Algorithmus) wird in einigen unserer Laser Distanzsensoren genutzt, um die Fremdlichtsicherheit der Sensoren zu verbessern und damit einen robusteren Betrieb zu gewährleisten.

A. Pfeil: Wir definieren einen intelligenten Sensor als einen Sensor, der unseren Kunden eine einfache und intuitive Inbetriebnahme bietet, die Kunden-Applikation auch unter rauen Umgebungsbedingungen zuverlässig löst und im Schadensfall einfach und ohne Expertenwissen getauscht werden kann. Wir gehen davon aus, dass Sensoren zukünftig noch intelligenter werden. Diesen Trend unterstützt die Verfügbarkeit immer leistungsfähigerer Mikroprozessoren. So können wir immer mehr Sensoren wie z.B. Barcodeleser oder Lichtvorhänge mit Feldbusschnittstellen ausstatten, die eine einfache Parametrierung und Diagnose ermöglichen. Wir haben immer leistungsfähigere Fremdlichtunterdrückungsalgorithmen und statten z.B. unsere LES-3D-Sensoren mit leistungsfähigen Signalauswertungen aus, die eine Kante im Raum finden und deren Position ausgeben können. Es ist unser Ziel, dass die zunehmende Intelligenz im Sensor die Benutzung nicht komplexer, sondern einfacher macht.

Welche Rolle spielt IO-Link, um die neue Sensorintelligenz zu nutzen?

A. Pfeil: IO-Link ermöglicht es erstmals, auch einfachere und kompakte Sensoren mit einer standardisierten Kommunikationsschnittstelle auszustatten. So können z.B. Messsignale ohne Übertragungsverluste digital in mm-Werten ausgegeben werden. Bislang wurde hierfür meist eine Analogschnittstelle verwendet. Auch die Änderung von Tastweiten eines Sensors z.B. für eine automatischen Formatumstellungen ist einfach machbar und ermöglicht flexiblere Maschinenkonzepte. Ein großer Vorteil von IO-Link ist die Möglichkeit, Sensorparameter im IO-Link Master zu speichern. So ist bei einem Sensortausch eine automatische Anlaufparametrierung ähnlich wie bei einem Feldbus möglich. All dies sind Dinge, die wir von einem intelligenten Sensor erwarten. Wir sind überzeugt davon, dass die Bedeutung der IO-Linkschnittstelle deutlich steigen wird.

C. Melder: Eine weitere, dank IO-Link realisierbare Funktionalität ist die Zeitmessung. Sie optimiert Prozesse, in denen über die genaue Zeiterfassung Längen ermittelt, Taktzahlen gesteuert, Objekte distanziert werden sollen oder eine wirkungsvolle Schlupfkontrolle erwünscht ist. Ja, die Sensorik wird intelligenter. Die Sensorik der Zukunft (diese Zukunft hat bereits begonnen..) kann einfache Aufgaben selbst übernehmen (Stichwort: Smart Sensors). Dazu gehören das Zählen und Messen von Zeiten zwischen zwei Ereignissen sowie das Verarbeiten von einfacher Logik. Die Sensorik der Zukunft kann in Sensor-Kombinationen arbeiten. Mehrere verbundene Sensoren (Multi Sensors) lösen Aufgaben die bisher nur mit aufwändigen Kamerasystemen gelöst werden können.

V. Engels: Unter der Annahme, dass eine Maschine zukünftig intelligent sein wird und damit die Kommunikation zur Abfrage des Maschinenstatus wichtig wird, ist es nur logisch, dass dieses Konzept konsequent bis zum Sensor weitergeführt wird. Nur wenn man dank IO-Link mehr Informationen als lediglich ein Schaltsignal vom Sensor bekommt, bzw. wenn man dem Sensor sagen kann, was er machen soll, ist das System als Ganzes intelligent. Mehr Intelligenz bedeutet auch mehr Daten, welche vom Sensor in die zentrale Steuerung fließen müssen. Mit Hilfe von IO-Link kann die verlustfreie Kommunikation bis auf den letzten Meter sichergestellt werden. So wird die zusätzliche Intelligenz im Sensor auf einfachste und kostengünstigste Weise nutzbar sein.

P. Adolphs: Die Wichtigkeit von IO-Link ist in diesem Zusammenhang überragend. Die Mikroelektronik in einem Sensor wird zwar immer preiswerter, nicht aber der mechanische Anschluss. Für einfache binäre Sensoren sind die Kosten für einen applikationsgerechten Steckanschluss, der auch noch die Anforderung an Wasserdichtigkeit erfüllt in den letzten Jahren eher gestiegen, denn gefallen. Insofern hängt die schöne neue Welt der Vernetzung ganz entscheidend davon ab, ob der Sensor ohne Zusatzkosten bei der Anschlusstechnik ans Netz kommt. Und hier ist IO-Link eine nahezu geniale Lösung. Der ohnehin vorhandene Stecker für Stromversorgung und binäre Datenleitung wird einfach um eine digitale Schnittstelle erweitert. Damit sind die Preisziele der OEM-Kunden auch bei vernetzten Sensoren erreichbar und das bei 100% rückwärts Kompatibilität.

Spielt Hardware in Zukunft überhaupt noch eine entscheidende Rolle?

V. Engels: Sicher, die Hardware wird in Zukunft immer wichtiger. Software übernimmt die Kommunikation oder gegebenenfalls die Datenauswertung. Die Datenerfassung oder die Detektion von gewissen Vorgängen beruhen auf physikalischen Prinzipien. Um diese detektieren zu können bedarf es immer genauerer, flexiblerer oder kostenoptimierter Hardware. Auch kommen immer leistungsfähigere Prozessoren für den industriellen Einsatz in den intelligenten Sensoren zum Einsatz, um die Softwarefunktionalität direkt im Sensor für anwendungsspezifische Applikationen zu realisieren.

C. Melder: Es gibt unterschiedliche Felder in der Sensorik, in denen die Hardware eine unterschiedliche Rolle spielt. Zum Einen gibt es die Standard Sensorik die eine klar definierte Aufgabe effizient und kostengünstig löst. Zum Anderen entwickeln unsere Kunden ihre Maschinen kontinuierlich weiter und stellen immer neue Anforderungen an Genauigkeit, Geschwindigkeit und Robustheit an die Sensorik. Hier müssen wir die Hardware kontinuierlich weiter entwickeln. Der Sensor definiert die Performance der Maschine

P. Adolphs: Vielleicht kann man argumentieren, dass die Hardware durch den Einsatz von Prozessoren immer ähnlicher wird und sich die Systeme nur noch durch die Funktionalität der Firm- bzw. Software unterscheidet. Das gilt sicherlich ein Stück weit auch für die Sensoren, greift aber viel zu kurz. Die Hardware ist nach wie vor ein großer Kostentreiber beim Aufbau von Automatisierungstechnik, so dass die Entwicklung in Richtung preiswerter Plattformen sicherlich noch weiter gehen wird. Ganz entscheidend ist aber zu beachten, dass die Hardware fasst alleine für die Anlagenverfügbarkeit verantwortlich ist. Die zunehmende elektronische Komplexität der Komponenten führt somit fast zwangsläufig zu mehr Ausfällen. Dem muss durch geeignetes Hardware-Design bis hin zu einer partiellen Redundanz entgegen gewirkt werden. Das erfordert viele weitere Investitionen in bessere Hardware. Hier liegt ein Schwerpunkt der Aufgabe der Markenhersteller mit der wir uns auch der zunehmenden Konkurrenz aus Fernost erwehren wollen.

A. Pfeil: Der Softwareanteil in Maschinen steigt kontinuierlich an. Einen ähnlichen Trend können wir auch in der Sensorik beobachten. Von daher wird die Hardware zukünftig eine geringere Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass das tiefe Applikations-Knowhow und Sensorwissen, das laufend in unsere Softwarebibliotheken einfließt, intelligentere und leistungsfähigere Sensorlösungen ermöglicht und uns auch in Zukunft vom Wettbewerb differenziert. Aber Hardware z.B. in Schutzart IP69K und mit Ecolab Zertifikat, die dem rauen Umfeld eines lebensmittelverarbeitenden Betriebs standhält, wird auch in Zukunft ein wichtiges Thema bleiben.

Wird die Sensorik \’dank\‘ Industrie 4.0 für den Anwender wichtiger?

P. Adolphs: Ich denke nicht, dass die Sensorik durch Industrie 4.0 wichtiger wird. Sensorik wird schon seit Jahren immer wichtiger, weil die Maschinen mehr Funktionen und mehr Sicherheit bekommen. Das geht nun mal nicht ohne permanentes Feedback der Sensoren über die Maschine und die verarbeiteten Produkte. Wahrscheinlich können die neuen Konzepte, wie z.B. Cyber-Physical Systems, helfen, die immer komplizierter werdenden Strukturen zu überblicken und damit die Tür aufmachen für noch mehr Funktionalität, die dann wieder mehr Sensoren zur Folge hat. Aber der Grundsatz, nicht Industrie 4.0 definiert die Sensorik, sondern steigende Anforderungen an die Maschine, bleibt meines Erachtens Erhalten.

V. Engels: Neue Fertigungsverfahren in der Industrie führen zu einer immer höheren Produktivitätssteigerung in der Industrie. Mit Industrie 4.0 soll dieser Trend fortgeführt werden und ein durchgängiges Konzept aus Sensor-, Software-, Prozessor- und Kommunikationstechnik umgesetzt werden. Intelligente Sensoren mit einer flexiblen Parametrierbarkeit und standardisierten Schnittstellen wie IO-Link oder Ethernet zur Kommunikation mit der Steuerung werden somit immer wichtiger für ein durchgängiges Konzept.

A. Pfeil: Die Konzepte von Industrie 4.0 verlangen nach flexibleren Maschinenkonzepten. Maschinen müssen sich quasi selbstständig an veränderte Aufgabenstellungen anpassen können. Diese Konzepte können nur mit intelligenten Sensorlösungen realisiert werden. Auch die Identtechnik spielt bei Industrie 4.0 eine entscheidende Rolle. Von daher erwarten wir eine steigende Bedeutung insbesondere intelligenter Sensorlösungen durch Industrie 4.0.

C. Melder: Im Prinzip sind wir dankbar für die Diskussion um Industrie 4.0. Smart Sensors, die voll in das Automatisierungsnetzwerk eingebunden sind, können vor Ort, direkt in der Maschine, schnellste Prozesse unterstützen und in Richtung Steuerungs- und Leitungsebene wichtige Prozessinformationen bereit stellen, z.B. für die bedarfsgerechte Wartung der Maschine oder auch nur des Sensors selbst. Dies geht weit über die Standardaufgaben eines Sensors hinaus. Schnelle und hochflexible Umrüstungen von Maschinen werden so überhaupt erst möglich. Insofern gehen wir davon aus, dass Industrie 4.0 den Automatisierungsgrad weiter steigern wird.

Dr. Peter Adolphs,

Geschäftsführer Marketing und Entwicklung, Pepperl+Fuchs GmbH

Dr. Volker Engels,

Leiter Produktmanagement Sensor Solutions, Baumer

Claus Melder,

Division Manager Presence Detection & Industrial Safety Systems, Sick AG

Dr. Albrecht von Pfeil,

Leitung Produktmanagement, Leuze electronic

Baumer Management Services AG
http://www.baumer.com

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