Bereits in den 1970er-Jahren gab es erste Ideen und Teillösungen wie Computer lntegrated Manufacturing (CIM) oder Digital Factory. Die echte Migration von im Consumer- und Office-Bereich etablierten Technologien in den Automatisierungsbereich ist bereits seit ca. 15 Jahren in vollem Gange. Was sich heute als gemeinsame Vision der Industrieplattform Industrie 4.0 abzeichnet, hat also bereits Vorläufer unterschiedlicher Ausprägung in verschiedenen Bereichen.
Eine Vision – unterschiedliche Ausprägungen
Große US-amerikanische Hersteller wie Intel, Microsoft und Wind River haben Begriffe wie \’Intelligent Systems Framework\‘ und \’Internet of Things\‘ geprägt. Sie beschreiben dabei übergreifende Anwendungsszenarien von intelligenten Endgeräten bis zur Cloud, ohne allerdings die spezifischen Anforderungen der Automatisierungstechnik näher zu betrachten. Näher an der eigentlichen Automatisierung sind Marktforschungsinstitute wie ARC mit Begriffen wie \’Information-driven Manufacturing\‘. Im Technologie-Netzwerk \’it\’s OWL\‘ und im Science-to-Business-Center Centrum Industrial IT (CIIT) wird am \’Internet der Dinge, Dienste, Menschen\‘ und dessen praktischen Anwendungen geforscht. Phoenix Contact bietet unter dem Slogan \’IT-powered Automation\‘ entsprechende Automatisierungslösungen an. Alle diese Definitionen, Modelle und Aktivitäten fließen in das ein, was heute Industrie 4.0 genannt wird. In Deutschland trifft eine führende Automatisierungstechnik auf Anwenderbranchen wie Maschinen- und Fahrzeugbau, die extrem hohe Anforderungen an die Innovationskraft ihrer Lieferanten stellen und den Weltmarkt prägen. Die Plattform Industrie 4.0 bietet die Chance, diese Trends zur Zukunft der Automatisierung in erfolgreiche industrielle Anwendungen zu überführen. Dies wird durch anwendungsbezogene Forschung unterstützt, wie zum Beispiel im Centrum Industrial IT (CIIT) in Lemgo.
Welten wachsen zusammen
Die technische Vision von Industrie 4.0 besteht darin, über das Internet alle Teilnehmer am Produktionsprozess als System- und Dienstleistungsplattform zu vernetzen. Durch vertikale Integration werden die hierarchischen Ebenen der Automatisierungs- und Software-Pyramide gleichsam aufgelöst. Die Teilnehmer kommunizieren über das Internet der Menschen, Dinge und Dienste direkt miteinander und tauschen Anforderungen und Erfahrungen aus. In der \’Smart Factory\‘ stellen sich die Produkte und Aufträge ihre Materialien und Rahmenbedingungen über das Internet der Dinge selbst zusammen; anschließend werden sie mit adaptiven Herstellungsprozessen optimal gefertigt. Die meisten der oben genannten \’Teilnehmer\‘ werden Automatisierungsgeräte und -systeme sein, die vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Paradigmenwechsels teilweise altbekannten, vielfach aber auch neuen Anforderungen entsprechen müssen. Sie müssen zu Smart Products werden, um Teil von Industrie 4.0-basierenden Lösungen zu sein. Bereits heute weisen z.B. moderne Robotersteuerungen zukunftsweisende Architekturen auf, die sich in Richtung Industrie 4.0 bewegen. Anstelle mehrerer voneinander abgesetzter Prozesssteuerungen kommt eine leistungsstarke, PC-basierende Multicore-Plattform zum Einsatz, die sämtliche Steuerungsaufgaben in Software-Prozessen realisiert – inklusive der funktionalen Sicherheit. Als Kommunikationsmittel werden ausschließlich Ethernet-basierende industrielle Netzwerke verwendet. Profinet ist hier eine gute Wahl, denn durch die hundertprozentige IEEE-Konformität ist es optimal für die offene Kommunikation und vertikale Integration über alle Schichten der Automatisierungspyramide geeignet. Zusätzlich bietet Profinet die Kombination standardisierter IT-Protokolle mit skalierbarer und funktional sicherer Echtzeit-Kommunikation.
Anforderungen an Smart Products
Allgemeine Definitionen und Szenarien zu intelligenten Systemen im Internet der Dinge spezifizieren vier notwendige Grundfunktionalitäten:
- Intelligenz (Intelligence), um beispielsweise im Rahmen der eigenen Rolle zielgerichtet mit anderen intelligenten Systemen im Prozesskontext interagieren zu können.
- Offene Vernetzung (Open Connectivity), um ohne Kommunikationsschranken und Protokollwechsel vom Endgerät in der Anlage oder Maschine bis hinauf zur Cloud kommunizieren und prozessrelevante Daten austauschen zu können.
- Daten- und Angriffssicherheit (Security), um kritische Daten vor Ausspähung und den betreffenden Prozess vor Manipulation zu schützen.
- Fernwartbarkeit (Remote Management), um Smart Products zentral überwachen und warten zu können.
Sobald wir uns den unteren Schichten der nun offenen und transparenten Automatisierungspyramide nähern, kommen die bereits bekannten Anforderungen hinzu, die nach wie vor speziell für automatisierungstechnische Anwendungen gelten:
- Echtzeitfähigkeit (Real-time Capability) für deterministische Kommunikation bis hin zum synchronisierten Datenaustausch sowie bei der Verarbeitung von Programmen und Anforderungen.
- Funktionale Sicherheit (Safety) für Kommunikation, Steuerungen und Datenverarbeitung zur Risikominimierung für Menschen, Maschinen und Anlagen, Umwelt und Vermögenswerte.
Alle beschriebenen Eigenschaften können bereits heute mit verfügbarer Technologie und überwiegend in Software realisiert werden. Entscheidend ist, verfügbare und neu hinzukommende Smart Products in einem übergreifenden offenen Standard und skalierbar für unterschiedliche Geräteklassen und Hardware-Plattformen verfügbar zu machen. Damit kommt ein weiteres wichtiges Kriterium hinzu:
- Skalierbarkeit (Scalability), um die oben beschriebenen Eigenschaften von Smart Products auf der Basis einer einheitlichen Software-Infrastruktur modular an das jeweilige Anforderungsspektrum anpassen zu können. Im Runtime-Bereich bedeutet Skalierbarkeit, dass sich die benötigten Softwarekomponenten bei maximaler Performance auf unterschiedlichen CPU-Architekturen und auch bei geringen Ressourcen in unterschiedlichen Geräteklassen verwenden lassen.
Skalierbarkeit kann in Form einer modularen und offenen Software-Plattform realisiert werden, die als einheitliche Basis der Software-Architektur zukünftiger intelligenter Systeme und Smart Products dient. Eine solche skalierbare Software-Plattform ist Automation Framework von KW-Software.
Vorteile der skalierbaren Software-Plattform
KW-Software bietet mit dem Automation Framework (AF) eine offene Architektur für integrierte Softwarelösungen. Automation Framework enthält allgemeine Basiskomponenten, auf deren Infrastruktur die weitere Funktionalität einer Automatisierungslösung aufgebaut wird. Dazu gehören Funktionen zur Verwaltung der einzelnen Komponenten sowie deren anwendungsabhängiger Zusammenstellung. Weitere Basiskomponenten enthalten zum Beispiel Oberflächenelemente und sorgen für eine einheitliche Bedienoberfläche Ihrer Engineering-Software. Dank offener und standardisierter Schnittstellen sind neue Funktionalitäten und Werkzeuge einfach definierbar, sodass bei der Entwicklung weniger Aufwand entsteht. Diese Tools können einzeln oder als integrierte Anwendung mit anderen Tools herstellerneutral genutzt werden. Software-Tools auf Basis von Automation Framework bestehen aus mehreren eigenständigen Komponenten. Dazu gehören z.B. auch die IEC61131 Programmiersysteme Multiprog/Safeprog von KW-Software zur Erstellung sicherer und nicht sicherer Automatisierungsanwendungen sowie der sichere Konfigurator Safeconf. Die Komposition dieser Komponenten zu einem Engineering-Werkzeug erfolgt durch XML-basierte Konfigurationsdateien. Die offene Compiler-Technologie in Automation Framework bietet dem Programmierer zusätzliche Möglichkeiten. Sie verwendet die standardisierte Common Intermediate Language (CIL) gemäß IEC/ISO23271. Die plattformunabhängigen Libraries können einfach in nativen Code übersetzt und so mit hoher Performance auf einer Vielzahl vorhandener embedded-Systeme wie x86, PowerPC, ARM, SH oder Cortex ausgeführt werden. Für diese CPU-Architekturen stehen die entsprechenden Laufzeitsysteme von KW-Software wie die embedded CLR (eCLR) und Safeos, das sichere diversitäre Laufzeitsystem zur Verfügung. Durch Einsatz dieser zertifizierten Komponenten lassen sich während des Entwicklungs- und Zertifizierungsprozesses zusätzlich Zeit und Kosten sparen. Die offene Architektur von Automation Framework mit definierten Schnittstellen ermöglicht zudem die schnelle und wirtschaftliche Anpassung an neue Anforderungen. Hersteller von Smart Products können eigene Engineering- und Laufzeitkomponenten integrieren und ihr Knowhow zur Ausprägung spezieller Differenzierungsmerkmale nutzen. So entstehen auf der Basis von Automation Framework ganz individuelle Produkte und Lösungen für die Automatisierung.
Einheitliche Software-Plattform unterstützt Industrie 4.0
Industrie 4.0 stellt neue Anforderungen an die Funktionalität von Automatisierungsgeräten. Intelligente Steuerungen und Ein-/Ausgabegeräte sowie Smart Products aller Varianten können auf Basis einer einheitlichen Software-Plattform realisiert werden. Die Offenheit dieser Plattform ermöglicht zudem jederzeit die Integration speziellen Knowhows und individueller Differenzierungsmerkmale. Durch die modulare und skalierbare Architektur werden unterschiedliche Ausprägungen und Funktionalitäten und damit ganz individuelle Produkte ermöglicht.