Modularisierung für effizientes Engineering

Interagierende Module

Moderne Anlagen werden heute schon modellbasierend entwickelt. Jede Disziplin nutzt ein Modell der Realität, um Gewerke zu beschreiben. Sei es im Maschinenbau in Form von CAD-Zeichnungen oder in der Elektrotechnik in Form von Schaltplänen. Hierbei werden die einzelnen Teilfunktionen in Funktionsmodule zerlegt, Schnittstellen definiert und dann als abstrahiertes Modell beschrieben. So entsteht eine strukturierte und vereinfachte Abbildung der Realität. Für moderne Entwicklungsumgebungen muss daher die Forderung nach einer solchen Abbildbarkeit erhoben werden.

Jedes Funktionsmodul kann hierbei in der für die Aufgabe passenden Weise implementiert werden. Sei es in Form eines Simulink-Modells für einen Regelkreis oder IEC61131-Programms für eine Ablaufsteuerung. Definiert sind nur die Schnittstellen zwischen den Modulen, nicht die eigentliche programmtechnische Umsetzung. Für den Einsatz müssen die Funktionsmodule sämtliche Informationen über alle Gewerke, die für seinen Betrieb notwendig sind, enthalten. Durch den Einsatz von gekapselten, compilierten und versionierten Modulen werden die eigentlichen Abläufe klar und deutlich von den Details der Implementierung getrennt. Auf diese Weise kann der Anwender Prozesse leichter beschreiben/abbilden, pflegen, verbessern und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Gewerken erkennen. Hinzu kommt: Durch eine generische Implementierung können Module vielseitig eingesetzt oder über Konfigurationen an die aktuelle Aufgabe angepasst werden. Durch diesen Ansatz können im Anlagenbau Zeit und Kosten gespart werden, sowie ganz neue Vertriebswege für Module erschlossen werden. Moderne Anlagen stellen heute mehr denn je komplexe mechatronische Systeme dar. Solche Systeme sind nur noch realisierbar durch die enge Zusammenarbeit aller für den Prozess notwendigen Ingenieurwissenschaften, wie Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnik ebenso wie die Verfahrenstechnik und in zunehmender Masse auch die reine Informatik in Form von Anbindungen an ERP-Systeme. Dieser Komplexität wird mit der Modularisierung von Anlagen begegnet. Dabei werden die Anlage in logische Funktionseinheiten zerlegt. Etwa dem Füllen eines Behälters, einer Zuführeinrichtung für Teile oder einem Software-Modul, das eine E-Mail im Alarmfall versendet.

Autonome Ergänzungseinheit

Weiterhin sind mit einer geschickt gewählten Modularisierung, Ausbauoptionen keine Sondervariante des Grundsystems, sondern ein autonome Ergänzungseinheit, die man im Bedarfsfall dazu bestellt/implementiert und die völlig baugleich auch zu einer Vielzahl von anderen Grundsystemen passt. Ziel soll es sein, eine Maschine oder Anlage nicht mehr in einem Stück zu projektieren und zu bauen, sondern aus vorgefertigten Modulen zusammenzusetzen, die so einmal erbrachte Engineering-Leistungen mehrfach zu verwenden oder extern zu vergeben/einzukaufen. Engineering stellt dabei keinen linearen Prozess dar, indem die Anforderungen aufgestellt werden und dann anschließend alle Gewerke nur umgesetzt werden müssen, damit zum Schluss die Anlage perfekt funktioniert. Vielmehr ist es ein iterativer Prozess. Die Größe der Iteration kann auch den gesamten Entstehungsablauf betreffen (von der fertigen Lösung wieder zurück zur Grundkonstruktion und alles nochmals von vorne). Diesem Dilemma kann mit einer möglichst frühen Verifikation begegnet werden. Je komplexer die Anlage desto aufwendiger jedoch die Verifikation. Eine in Funktionseinheiten zerlegte Anlage vereinfacht dieses Vorgehen massiv oder ermöglicht es überhaupt erst. Diese Funktionseinheiten haben einfache, überblickbare Aufgaben im Gesamtsystem und sind daher leichter zu formulieren, implementieren und zu testen. Ein solches Vorgehen ermöglicht nun einen effektiveren Workflow im Anlagen-Engineering. Statt einer seriellen Abarbeitung der Gewerke kann nun parallel gearbeitet werden.

Veränderter Workflow

Speziell bei reinen Software-Modulen bietet sich die oben beschreiben Vorgehensweise an. Das klassische Automatisierungprogramm ist ein monolithisch komplexes Programm aus vielen Software-Bibliotheken und Funktionsbausteinen. Die gesamte Funktionalität der Anlage ist in diesem Programm abgebildet. Bei jeder noch so kleine Änderung oder Variante muss ein neues Compilat erstellt werden. Dies bedingt immer den Austausch von nicht betroffenen Systemteilen und damit zu erheblichen Risiken. Wird ein System dagegen nach dem modulorientierten Ansatz aufgebaut, verändert sich der Workflow zum Erstellen und Warten einer Applikation, also einer Zusammenstellung der benötigten Module. Die einzelnen Software-Module stellen in sich abgeschlossene, getestete und compilierte Einheiten dar, die über eine dokumentierte Schnittstelle Daten austauschen. Die Funktionalität der einzelnen Module steht allen anderen Software-Modulen über eine standarisierte Schnittstelle zur Verfügung. Eine benötigte Funktion kann also einfach zu einem bestehenden Programm hinzugefügt werden. Die Umsetzung und das notwendige Know-how werden dabei in den compilierten Funktion versteckt. Der Anwender des Software-Moduls muss darüber keine Kenntnis mehr haben. Damit können diese Module wie eine handelbare Ware betrachtet werden. Die Funktion als Software-Modul ist nun ein handelbares Gut.

Zukünftiges Engineering

Um die oben beschriebenen Vorgehensweisen zu ermöglichen, muss das Automatisierungsgerät dieses Vorgehen unterstützen. Es muss eine beliebige Anzahl von autonomen, d.h. zueinander unabhängigen Programmen bearbeiten können, die über standardisierten Schnittstellen miteinander kommunizieren. Damit die Software-Module untereinander agieren können, stellen geeignete Schnittstellen alle notwendigen Funktionalitäten der Module zur Verfügung. Seien es Systemfunktionen wie \’Start\‘, \’Stop\‘, \’Reset\‘, \’Watchdog\‘ oder auch Funktionen zur Prozessdatenkommunikation. Jedes Software-Modul verfügt über eine eigene Konfigurationsoberfläche, mit der dieses Modul konfiguriert und gesteuert werden kann. Die Software-Module können in der für die Aufgabe optimal geeigneten Weise erstellt werden. Dafür müssen eine Vielzahl von Umsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden (IEC61131, C, C++, MatLab/Simulink). Das ermöglicht die Umsetzung eines E-Mail-Versandes bei einem Fehler durch eine Implementierung in C++ und das Umsetzen eines komplexen Regelalgorithmus in Matlab/Simulink. Anschließend können die Funktionen dann in einem IEC61131-Programm genutzt werden. Gerade in einem System, in dem viele Funktionen über autonome Programme abgebildet werden, muss es möglich sein, Programmen und Tasks in den Programmen zyklische und/oder Event-gesteuert aufzurufen. Das E-Mail-Programm wird also nur dann aktiv wenn ein entsprechender Fehler vorliegt, wohingegen der Regelalgorithmus in einer zyklisch aufgerufen wird. Die Software-Module stellen also in sich abgeschlossene Einheiten dar, die über eine dokumentierte Schnittstelle Daten austauschen. Der Anwender kann ihre Funktionalität nutzen, ohne über die konkrete Umsetzung Kenntnis zu haben. Je generischer die erstellte Lösung ist, je feingranularer die Konfiguration durchgeführt werden kann, desto universeller ist das Modul einsetzbar. Ein Beispiel wäre ein Logger-Modul, das nur einmal im System vorhanden sein muss aber von allen Modulen genutzt werden kann. Der Schwerpunkt des zukünftigen Engineerings liegt im Spezifizieren und Verifizieren der Systemeigenschaften. Wo ist welches schon vorhandene Modul einzusetzen, wo fehlen noch Module. Jede Firma kann/wird so eine Sammlung von Software-Modulen anlegen, die ihre spezifischen Bedürfnisse abdeckt. Notwendige Funktionen, deren Umsetzung nicht die Domäne der Firma ist, können einfach eingekauft und genutzt werden. Der eindeutigen Beschreibung der Schnittstellen und der Funktion kommt eine entscheidende Bedeutung zu.

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