Freie Sicht

Theoretische und praktische Aspekte der Taupunkt-Berechnung
Von innen beschlagene Scheiben gehören zu den lästigen Dingen für Autofahrer. Man steigt morgens in den Wagen ein und innerhalb kurzer Zeit legt sich die Feuchtigkeit von innen auf die Frontscheibe. Ein Phänomen, dass sich mithilfe von Sensoren und entsprechender Elektronik zur Auswertung verhindern lässt. Diese Funktion findet man mittlerweile in einigen Fahrzeugmodellen.

Entscheidend für die Bildung von Kondenswasser ist die so genannte Taupunkttemperatur oder einfach nur Taupunkt. Ist die Lufttemperatur und der Taupunkt gleich, so ist die Luft vollständig gesättigt und die relative Feuchte beträgt 100%. Ist der Taupunkt niedriger als die Lufttemperatur, so kann sie weitere Feuchte aufnehmen. Auf einem Gegenstand der eine niedrigere Temperatur als der Taupunkt hat (z.B. die Frontscheibe im Auto), wird sich Kondensat bilden. Der Taupunkt oder die Taupunkttemperatur wird mithilfe der aktuellen Temperatur und der relativen Luftfeuchte (rF) berechnet. Genau diese Aufgabe übernehmen die Chips der Picocap-Produktlinie (Bild 1). Diese Chips sind Front-End-Bausteine für die Kapazitätsmessung und bieten bis zu drei Eingangskanäle für kapazitive Feuchtesensoren, eine integrierte Temperaturmesseinheit (inkl. Temperatursensor) sowie Anschlussmöglichkeiten für weitere, externe Temperatursensoren. Im Zusammenspiel mit dem integrierten DSP können somit alle relevanten Daten für die Taupunkttemperatur gemessen und berechnet werden. Diese kann dann mit einer zweiten Temperaturinformation, z.B. der Temperatur an der Oberfläche der Frontscheibe verglichen werden und im Falle einer Annäherung an den Taupunkt kann dann automatisch die Klimaanlage aktiviert werden. Eine Schwäche der meisten installierten Klimaanlagen im Kfz heutzutage ist, dass sie vom Fahrer manuell eingeschaltet werden müssen. Mit dem Einsatz von Taupunktsensoren kann hier eine Automatisierung erfolgen. Was erst einmal trivial klingt, basiert auf umfangreichen Berechnungen. Im Folgenden werden die theoretische Taupunktberechnung sowie die Linearisierung für die Feuchte- und Temperaturmessung beschrieben.

Theorie zum Taupunkt

Der Taupunkt ist die Temperatur, bei der die Luft gesättigt ist. Somit ist der Taupunkt ein Maß für die Feuchtigkeit der Luft und ein absoluter Indikator. Er wird mithilfe von zwei Faktoren berechnet: der Temperatur und der relativen Feuchte (rF). Die Feuchtigkeit ist ein relativer Wert und hängt von der Temperatur ab, so dass ein und derselbe Taupunkt verschiedene Kombinationen aus Temperatur und relativer Feuchte darstellen kann. Nachdem der Taupunkt anzeigt, dass die Temperatur erreicht ist, bei der die Luft vollständig gesättigt ist (bei einer gegebenen relativen Feuchte), führt ein Fallen der gemessenen Temperatur unter diesen Punkt (normalerweise durch einen zweiten Sensor gemessen) dazu, dass Wasser kondensiert. Aus mathematischer Sicht wird der Taupunkt mithilfe eines Faktors berechnet, der die Temperatur und die relative Feuchte beinhaltet:

Faktor k=(log10 rF-2)/0,4343 +(17,62*T)/(243,12+T)

(Gleichung 1)

Taupunkt Tp=243,12*k/(17,62-k) (Gleichung 2)

Beide Gleichungen stellen eine häufig genutzte Annäherung an die Taupunktberechnung dar und basieren auf der Magnus-Formel, mit welcher der Sättigungsdampfdruck über Wasser angenähert wird. Nachdem die Informationen über Feuchte und Temperatur die Eingangsparameter für die Berechnung des Taupunkts sind, ist es enorm wichtig, dass diese Werte so genau wie möglich sind. Problematisch dabei ist nur, dass die Genauigkeit der gemessenen Werte nicht nur durch das Rauschen der Sensoren (Feuchte und Temperatur) beeinflusst wird, sondern dass die Gesamtgenauigkeit oft durch Nicht-Linearitäten bestimmt wird, die dementsprechend auch zu berücksichtigen sind.

Nicht-Linearität der Feuchtemessung

Feuchtesensoren weisen typischerweise eine inhärente Nicht-Linearität auf, die über den Feuchtebereich variiert und die kompensiert werden muss. Hinzu kommt noch, dass die meisten Sensoren ihr Verhalten (und damit auch die Nicht-Linearität) auch über die Temperatur verändern. Deshalb muss für eine optimale Linearisierung des Sensors auch die Temperaturänderung mit berücksichtigt und kompensiert werden. Eine nichtlineare Funktion kann mit mathematischen Gleichungen beschrieben werden, die den Kurvenverlauf annähern. Die Beschreibung der betrachteten Nicht-Linearität wird umso besser, je höher die Ordnung des Polynoms ist – das gilt besonders dann, wenn die nichtlineare Kurve sich mehrfach krümmt, also einen Wendepunkt besitzt. Der PCap02, der den Zweiten von momentan drei Front-End-Bausteinen der Picocap Familie darstellt, wurde speziell für Anwendungen in den Bereichen Taupunkt-, Feuchte- und Temperaturmessung entwickelt. Für eine optimale Linearisierung wurde ein Polynom dritter Ordnung für die Feuchte-Linearisierung in die Firmware des Pcap02-DSPs integriert. Um die überlagerte Temperaturabhängigkeit zu eliminieren, wurde zusätzlich noch ein Polynom zweiter Ordnung für jeden Koeffizienten des Linearisierungspolynoms für den Feuchtesensor implementiert. Die besten Ergebnisse lassen sich erzielen, indem drei Sätze von Messdaten (ein Datensatz bei jeder Temperatur) erfasst werden. Für Sensoren, die sich über den Temperaturbereich linear verhalten, reichen auch zwei Datensätze oder eventuell sogar nur ein Datensatz aus. Ein kapazitiver Feuchtesensor der mit PCap02 gemessen wird, liefert ein Kapazitätsverhältnis, welches die relative Feuchte (rF) repräsentiert. Dazu wird der kapazitive Feuchtesensor (Csense) mit einer Festkapazität, also Referenz (Cref) verglichen und das Verhältnis gebildet (Cratio=Csense/Cref). Für die Darstellung der relativen Feuchte unter Berücksichtigung des Polynoms für die Korrektur der Nicht-Linearität ergibt sich folgender Zusammenhang:

rF=k3C3+k2C2+k1C+k0 (Gleichung 3)

mit: kx:Koeffizienten des Polynoms; C:Kapazitätsverhältnis (Cratio); rF: Relative Feuchte in %

Die Koeffizienten kx sollten aus gemessenen Probedaten (Feuchte) bestimmt werden. Je besser die Koeffizienten bestimmt werden, desto genauer bildet das Polynom die nichtlineare Charakteristik des Sensors ab (und kann diese entsprechend auch kompensieren). Da die Nichtlinearität sich nicht nur über die Feuchte (=Kapazitätsverhältnis), sondern auch über die Temperatur verändert, wird dieser Abhängigkeit auch in den Koeffizienten kx Rechnung getragen. Durch eine Annäherung der Koeffizienten an die Temperaturabhängigkeit mithilfe einer quadratischen Gleichung, ergeben sich folgende Formeln:

k3=k32T2+k31T+k30 (Gleichung 3a)

k2=k22T2+k21T+k20 (Gleichung 3b)

k1=k12T2+k11T+k10 (Gleichung 3c)

k0=k02T2+k01T+k00 (Gleichung 3d)

mit: kx:Koeffizienten des Linearisierungspolynoms; kyy:Koeffizienten des Temperaturpolynoms

Kx in Gleichung 3 mit den Gleichungen 3a, 3b, 3c und 3d ersetzt und eine Umgruppierung der Koeffizienten ergibt für rF folgende Funktion:

rF=T2(k32C3+k22C2+k12C+k02)+T(k31C3+k21C2+k11C+k01)+(k30C3+k20C2+k10C+k00)

(Gleichung 4)

Diese Gleichung kann wiederum vereinfacht dargestellt werden, indem die Terme in den Klammern des Polynoms durch die Koeffizienten a2, a1, a0 dargestellt werden:

rF=a2T2+a1T+a0 (Gleichung 5)

Bestimmung der Koeffizienten

Um die Koeffizienten zu bestimmen, müssen mehrere Messungen durchgeführt werden. Im Prinzip muss das Kapazitätsverhältnis über dem zugrundeliegenden rF aufgezeichnet und in eine Tabelle eingetragen werden. Dieses Vorgehen wird für verschiedene Temperaturen wiederholt, um die Temperaturabhängigkeit der Koeffizienten zu berücksichtigen. In der dafür bereitgestellten Software können die Datensätze aufgenommen werden (Bild 2). Die Wertetabelle ist ein Beispiel dafür, was Acam unter einem Datensatz versteht – nämlich die Aufnahme des Kapazitätsverhältnis bei verschiedenen Feuchtigkeitswerten (im konkreten Beispiel spiegeln die Kalibrierungspunkte typische Feuchtewerte auf Basis von chemischen Salzlösungen dar). Es können mehrere Datensätze aufgenommen werden – im Beispiel sind es Zwei, für die Temperaturen 25 und 60°C – die Anzahl der Kalibrationspunkte sind frei wählbar. Die Software berechnet dann die zugehörigen Koeffizienten kyy und stellt diese zum Download ins chipinterne EEPROM bereit. Es erfolgt darüber hinaus eine erste mathematische Abschätzung des Fehlers im Diagramm \’Error vs. Temperature\‘, mit dessen Hilfe man entscheiden kann, ob die Anzahl der Kalibrationspunkte ausreicht oder erhöht werden sollte. Mit dem Herunterladen der Koeffizienten ins EEPROM ist die Sensorlinearisierung dann abgeschlossen. Alles Weitere erledigt dann die Firmware, die mit Hilfe der Feuchte- und Temperaturinformation den Taupunkt automatisch berechnet und gegen die zweite Temperaturinformation, z.B. vom Sensor an der Frontscheibe, vergleicht. Mit Hilfe eines programmierbaren Grenzwertes kann dann ein Ereignis ausgelöst werden, wie z.B. die Aktivierung der Kfz-eigenen Klimaanlage, um das Beschlagen der Frontscheibe zu vermeiden. Somit sind dank des integrierten DSPs und vieler Messschnittstellen nur noch wenige externe Komponenten notwendig, um ein kosteneffektives System für die Taupunkterkennung zu realisieren.

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acam-messelectronic gmbh
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