Daten im Kontext

Intelligente Werkzeuge für das Airbus-Werk der Zukunft
Flugzeuge werden in Tausenden von einzelnen Schritten gefertigt und montiert. Das nachträgliche Beheben eines einzigen Fehlers könnte hunderttausend Euro oder mehr kosten. Werkzeuge und Systeme in der Produktion sollen daher zukünftig um eigene Intelligenz erweitert werden, um den Produktionsprozess zu vereinfachen und eine erhöhte Effizienz durch Verwalten und Prüfen der Aufgaben bereit stellen, die der Bediener ausführt. Durch Einsatz von System-on-Module (SoM) sieht sich Airbus jetzt in der Lage, Prototypen dieser intelligenten Werkzeuge zu erstellen.

Das heutige Flugzeugwerk hat nichts mehr mit der lauten Produktionsstätte von einst gemein. Dank neuester Techniken, Designs und Ausstattung ist die moderne Fertigung effizient, organisiert und strukturiert. Aber was bedeutet dies für die Zukunft? Cyber-Physical Systems und Big Analog Data schaffen die Voraussetzungen für eine zukünftige intelligentere, auf den Bediener ausgerichtete Produktion, die eine Zusammenarbeit von Bedienern und Maschinen im gleichen Umfeld erlaubt. Das Werk der Zukunft schließt zudem die umfassende Nutzung einer modularen Plattform mit einem hohen Abstraktionsgrad auf Basis handelsüblicher Standardmodule ein. Eine der Schlüsselkomponenten zur Verbesserung der Effizienz im Werk der Zukunft sind intelligentere Werkzeuge. Diese Geräte sind so konzipiert, dass sie mit einer Hauptinfrastruktur oder lokal mit Bedienern oder anderen Werkzeugen kommunizieren können, aber nur dann Lagebewusstsein vermitteln und Echtzeitentscheidungen treffen, die auf lokaler und verteilter Intelligenz im Netzwerk basieren, wenn dies erforderlich ist. Im Fall einer Produktionsanlage können intelligente Werkzeuge den Produktionsprozess vereinfachen und die Effizienz verbessern, indem sie physikalische Datenprotokolle und Handbücher überflüssig machen. Bediener müssen sich auf ihre Aufgaben im Betriebsablauf konzentrieren und dabei müssen sie ihre Hände frei haben, um die passenden Werkzeuge nutzen zu können. Bisherige Initiativen, die mit papierlosen Projekten zu tun hatten, legten den Fokus zumeist auf Papiereinsparung oder Ersetzen des Papiers durch Tablet-PCs. Dennoch benötigten sie weiterhin \’passive/tote\‘ Daten. Intelligente Werkzeuge eröffnen eine weitere Alternative, \’Daten im Kontext\‘, die kontinuierlich erzeugt und verbraucht werden, oder anders ausgedrückt: Live-Daten.

1.100 Spannwerkzeuge nötig

Zur Entwicklung eines Flugzeugs gehören unzählige Schritte, die Bediener befolgen müssen, und auch zahlreiche feststehende Prüfungen, um die Qualität sicherzustellen. Durch Erweiterung des Systems um Intelligenz erkennen die intelligenten Werkzeuge die Aktionen, die der Bediener als nächstes ausführen muss, und passen automatisch die Einstellungen der Werkzeuge an, wodurch sich die Aufgabe für den Bediener vereinfacht. Nach Abschluss der Aktion können die intelligenten Werkzeuge auch die Ergebnisse derselben überwachen und aufzeichnen, wodurch sich die Effizienz des Produktionsprozesses verbessert. Eine bestimmte Teilbaugruppe eines Flugzeugs z.B. besitzt etwa 400.000 Stellen, die festgezogen werden müssen. Dazu sind im gegenwärtigen Produktionsprozess über 1.100 einfache Spannwerkzeuge nötig. Der Bediener muss die Liste mit Schritten genau befolgen und die passenden Drehmomenteinstellungen für jede Stelle mithilfe des korrekten Werkzeugs sicherstellen. Aufgrund der manuellen Vorgehensweise ist menschliches Versagen ein hohes Risiko bei der Produktion. Eine einzige Stelle, die falsch festgezogen wurde, könnte langfristig Kosten von hunderttausend Euro verursachen. Ein intelligentes Spannwerkzeug begreift, welche Aufgabe der Bediener ausführen will, indem Bilderfassung und -verarbeitung zum Einsatz kommen, anhand derer das Werkzeug seine Umgebung verarbeitet und automatisch das Drehmoment festlegt. Das Gerät kann das Resultat in einer zentralen Datenbank speichern, um sicherzugehen, dass die Stelle korrekt festgestellt wurde. Mithilfe der Datenbank des zentralen MES und der verteilten Intelligenz der Geräte können Produktionsleiter die Verfahren und Prozesse präzise bestimmen, die während der Qualitätskontrolle und -zertifizierung überprüft werden müssen. Airbus hat mit der Entwicklung von intelligenten Werkzeugfamilien bereits begonnen, die verschiedene Fertigungsprozesse ausführen: Bohren, Messen sowie hochwertiges Datenloggen und Festspannen. So ist es z.B. möglich bei Bohrwerkzeugen das Verarbeiten der Umgebung mittels Bildverarbeitungsalgorithmen zu untersuchen, und dabei zu verifizieren, welches Material als nächstes durchschnitten wird bzw. die Schneidebedingungen des Bohrers bei jeder Materialschicht zu aktualisieren. Zudem kann die Bohrtiefe überwacht, der Systemzustand überprüft und die Bohrergebnisse festgehalten werden sowie die Durchführung automatischer Überprüfungen und Kalibrierungen erfolgen.

System-on-Module als Basis

Die System-on-Module vereinen Zynq All-Programmable SoC (System-on-a-Chip) von Xilinx mit Elementen, wie z.B. Speicher auf einer kleinen Leiterplatte. Somit bieten die Geräte eine vollständige Middleware-Lösung und verfügen über ein integriertes Linux-basiertes Echtzeitbetriebssystem. Ein Labview FPGA sorgt dafür, dass Entwickler Hardwarebeschreibungssprachen nicht mehr beherrschen müssen und die Geräte basieren auf der Labview RIO Architecture (RIO: rekonfigurierbare I/O). Studien haben gezeigt, dass Entwicklerteams, welche diese Architecture einsetzen, komplexe Probleme in der Hälfte der Zeit lösen können, verglichen mit Entwicklerteams, die auf klassische benutzerdefinierte Entwicklungsansätze zurückgreifen. Die Module wurden als Basisplattform für alle intelligenten Werkzeuge getestet, da die Architektur und das Framework, die das System bereitstellt, allgegenwärtig sind. Davor konnte man auf Grundlage eines CompactRIO-Controllers einen Prototyp erstellen, der es ermöglichte, IPs aus bestehenden Airbus-Bibliotheken sowie quelloffene Algorithmen zu integrieren. Jetzt kann Airbus den auf dem SoM entwickelten Programmcode als verteilte Lösung nutzen, anstatt den gesamten Entwurfsprozess neu beginnen zu müssen. Etliche andere Systeme und Embedded-Einplatinenrechner wurden bereits evaluiert und keiner davon konnte mit dem plattformbasierten Designansatz und der Hard- und Softwareintegration mithalten. Airbus schätzt, dass die Zeit bis zur Auslieferung dank SoMs ein Zehntel der Zeit alternativer Ansätze ausmacht, was auf die Produktivitätssteigerungen beim Systemdesign zurückzuführen ist. Dank der bereitgestellten Software konnte man sich vermehrt auf die Schlüsselfunktionen der Systems konzentrieren, wie z.B. Bildverarbeitung auf FPGAs.

National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com

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