Automatisierung mit IO-Link:

Betrachtung aus Anwender- und Entwicklungssicht

Ausgehend von einer in den letzten Jahren in der Automatisierungstechnik zunehmend komplexer und intelligenter gewordenen Sensorik und Aktuatorik, welche nicht nur Prozessdaten ausgeben, sondern auch Diagnosedaten zur Verfügung stellen und über Parameterdaten umfangreich konfiguriert werden können, haben die führenden Hersteller in der Automatisierungstechnik vor einiger Zeit den IO-Link-Standard gemeinsam ins Leben gerufen und verabschiedet.

Nach einer kurzen Einführung von IO-Link – als Technologie zur Anbindung von Sensoren und Aktoren an die Betriebsleitungsebene – geht der Artikel neben den technischen Grundlagen insbesondere auf die Vorteile von IO-Link in der Anwendung ein. Die Anwendersicht berücksichtigt dabei die in der industriellen Produktion verwendete Bewertungszahl der Gesamtanlageneffektivität (GAE). Die GAE einer Anlage ist definiert als das Produkt der drei Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Der Beitrag erläutert die Potentiale der IO-Link-Technologie zur Steigerung der genannten drei Faktoren und zeigt, wie damit die Kosten bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung gesenkt werden können. Weiterhin betrachtet der Artikel das Thema IO-Link praxisorientiert aus dem Blickwinkel der Entwicklung und orientiert sich an den funktional und räumlich integrierten Lösungen von Renesas Electronics für die Master- und Slave-Seite von IO-Link-Netzwerken im Rahmen von Produktentwicklungen. Abschließend gibt der Beitrag einen Ausblick auf die Zukunft der weltweiten Nutzung von IO-Link im Rahmen der IEC61131-9 Standardisierung.

IO-Link: technische Einführung

Technisch handelt es sich bei IO-Link im Gegensatz zum klassischen Feldbus nicht um ein Bussystem, sondern um eine Parallelverdrahtung. Bild 2 zeigt die Positionierung der IO-Link-Kommunikation in der Hierarchie eines industriellen Netzwerkes. Konzeptionell definiert die IO-Link-Technologie ein generisches Interface für die Anbindung digitaler und analoger Sensoren und Aktoren über einen Master an einen Feldbus, wobei der Master zusätzlich noch Gateway-Funktionalität übernehmen kann und damit auf dem Feldbus als E/A-Modul fungiert. Wie in Bild 2 dargestellt, sind alle Controller über einen Feldbus mit der SPS/Host oder dem Parameter-Server verbunden. IO-Link selbst ist als Master-Slave-System definiert, in welchem der IO-Link-Master mit den Sensoren und Aktoren (IO-Link-Devices) verbunden ist. In diesem Netzwerk erkennt der IO-Link-Master alle angeschlossenen Devices und verwaltet die Verbindungen entsprechend. Die IO-Link-Topologie selbst ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung unter Verwendung eines drei-adrigen Kabels für Verbindungslängen bis zu 20m. Aufgrund der angestrebten Kompatibilität wurde das standarisierte und robuste 24VDC-Signal verwendet, welches auch in der IEC61131-2 spezifiziert ist. Die Kommunikation selbst findet mit einer Übertragungsrate von bis zu 230,4kbit/s statt. Die typische zyklische Übertragungsrate für Prozessdaten beträgt 2ms. Auf der Anwendungsebene (siehe Abbildung 3) unterscheidet IO-Link zwischen Prozess-, Parameterdaten und Ereignissen. Diese Erweiterung der vormals ausschließlich vorhandenen Prozessdaten auf Diagnose und Konfigurationsdaten ist einer der Schlüsselinnovationen von IO-Link zur Steigerung der OEE. Betrachtet man die Protokollsicht, so definiert der IO-Link-Standard verschiedene Datenpakete, die die jeweils unterschiedlichen zu übertragenden Informationen repräsentieren. Die Kommunikation zwischen dem Master und einem Device verläuft in der Form, dass der Master eine Nachricht an das Device sendet, die das Device entsprechend beantwortet. Dieses konfiguriert die Daten in einem vorgegebenen Format und generiert eine 6Bit Checksumme, die je nach Typ in die Daten eingebaut werden. Der Empfang von Daten erfolgt in umgekehrter Folge, wobei ein Teil der Integrität via Checksumme festgestellt und angezeigt wird. Mit Hilfe von IO-Link können Parameter direkt von der SPS bis auf die Sensor-Ebene und umgekehrt Diagnosen bis auf die SPS-Ebene kommuniziert werden. Diese Eigenschaften leisten einen wesentlichen Beitrag zur konsistenten Verwaltung und entsprechenden Unterstützung bei der Wartung von verteilten Systemen.

Wirtschaftliche Potenziale von IO-Link

Die wirtschaftlich relevanten Potenziale von IO-Link lassen sich einfach darstellen, wenn man die Verluste einer Anlage betrachtet. Die OEE als Instrument mit der der Verlust einer Anlage aufgezeigt werden kann, bestimmt sich durch die drei möglichen Bereiche: Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Diese unterteilen sich weiter im Bereich Verfügbarkeit in Störungen und Wartezeit, bei Leistung in Kurzstillstände und reduzierte Geschwindigkeit, sowie im Bereich Qualität in Ausschuss und Nacharbeit. Diese Betrachtung steht allerdings häufig im Widerspruch zur üblichen Separierung der Erstellungs- und der Betriebskosten, da die Kosten zur Einführung von IO-Link erst während des Betriebes der Anlage einen positiven Beitrag liefern. Analysiert man die Spezifikation von IO-Link in Bezug auf die genannten Bereiche, können die jeweiligen Beiträge zur Steigerung der OEE, wie im Folgenden dargestellt zusammengefasst werden: – Diagnose: Die schon im Rahmen der IO-Link-Spezifikation hervorgehobene Diagnosefähigkeit von IO-Link trägt in erster Linie zur Verbesserung der Verfügbarkeit bei, indem Störungen reduziert werden können, die als wesentliche Ursache für Verlust an Produktionszeit zu sehen sind. IO-Link eröffnet ohne proprietäre Schnittstellen den Zugriff auf die Prozess- und Feldgeräte. Moderne Tools haben damit die Möglichkeit eine Analyse der möglichen Ursachen durchführen zu können und damit schnell den Fehler zu finden. Ebenso wird durch die Diagnose Verlust in Form von Stillständen vermieden bzw. reduziert, da sich Fehler schneller identifizieren und beheben lassen. – Geringere Verkabelung – Weniger Risiko: IO-Link bietet durch die Übertragung über eine einfache drei-adrige Leitung eine einfachere Anbindung an die Steuerung als es bis dato durch die Verdrahtung konventioneller Sensoren möglich war. Signale lassen sich damit innerhalb der Anlage zusammenfassen und mit mehrfach Eingängen steckfertig über einen IO-Link-Anschluss per Master an die nächste Ebene weiterleiten, womit das Fehlerrisiko sinkt und die Verfügbarkeit der Anlage steigt. – Parametrisierung und schneller Austausch im Servicefall: Mit Hilfe zentral hinterlegter Parameter pro IO-Link-Device, kann im Servicefall das Device zügig parametrisiert werden und zum Einsatz kommen. Unnötige Wartezeiten lassen sich damit bis auf ein Minimum reduzieren und damit die Verfügbarkeit der Anlage in entsprechendem Maße steigern. Weiterhin reduzieren mittels zentral hinterlegter Parameter fehlerfrei konfigurierte Sensoren und Aktoren den Ausschuss der Anlage und erhöhen damit zusätzlich die Qualität. – Kompatibilität: Die dargestellten verschiedenen Modi in denen IO-Link betrieben werden kann, erlauben eine voll rückwärtskompatible Anbindung mit bestehenden Sensoren und Aktoren. Daher können ohne Beeinträchtigung der Verfügbarkeit existierende analoge oder digitale Sensoren und Aktoren durch IO-Link-fähige Geräte ersetzt werden.

IO-Link-Lösungen von Renesas

Mit dem Ziel die wesentlichen Vorteile von IO-Link auch in einer funktional und räumlich integrierten Gesamtlösung auf der Halbleiterseite anzubieten, wurde die neue Generation von IO-Link-Chips der Firma Renesas Electronics in Zusammenarbeit mit den Partnerunternehmen Elmos Semiconductor und TMG-Karlsruhe entwickelt. Das Ziel dieser neuen Generation von IO-Link-Chips ist es, eine einfache und interoperable Lösung für die Entwicklung neuer IO-Link-Geräte anzubieten. Die Produktfamilie besteht daher sowohl aus einer integrierten Lösung für die Device-Seite als auch einer skalierbaren Lösung für die Masterseite.

IO-Link-Device-Applikation

Um die einfache Einbindung in bestehende Systeme zu ermöglichen, ist die physikalische Schnittstelle von IO-Link bewusst einfach gehalten worden. Im Detail enthält die Spezifikation allerdings eine Anzahl elektrischer Parameter, die die Implementierung mit diskreten Bauteilen aufwändig machen. Die aktuelle Spezifikation definiert u.a. Funktionalität, wie Über- und Unterspannungs-, Verpolungsschutz, Überstromabschaltung, Temperaturüberwachung und Versorgung des Sensors von der Leitungsseite. Eine entsprechende Umsetzung der genannten Funktionen, würde bei diskretem Aufbau bis zu 60 Bauteile umfassen. Betrachtet man an dieser Stelle die typischen räumlichen Abmessungen von IO-Link-Device-Anwendungen steht typisch nur sehr begrenzter Platz auf der Leiterkarte zur Verfügung. Die Lösung von Renesas erfüllt die Anforderungen der aktuellen IO-Link-Spezifikation in einer integrierten Lösung mit entsprechenden Vorteilen hinsichtlich Platzbedarf und Kosten. Somit können existierende Sensoren mit IO-Link-Funktionalität ausgestattet werden, ohne einen großen Kosteneinfluss und ohne die existierenden Sensor-Hardware modifizieren zu müssen. Auch aus Sicht der Produktqualität bietet eine integrierte Lösung den signifikanten Vorteil, dass die Gesamtfunktionalität bereits herstellerseitig getestet und damit sichergestellt wird.

IO-Link-Master-Applikation

Ebenfalls in Zusammenarbeit mit seinen Partnerunternehmen Elmos Semiconductor und TMG-Karlsruhe hat Renesas einen Zwei-Kanal-IO-Link-Baustein für IO-Link-Master-Anwendungen entwickelt. Die IO-Link-Lösung enthält einen 16-Bit-Mikrocontroller auf der Basis einer 78K0R-CPU von Renesas, der zusammen mit einem Zwei-Kanal-IO-Link-Transceiver von Elmos in einem 9x9mm QFN-Gehäuse integriert ist. Die Master-Lösung von Renesas vereint erstmals einen Zwei-Kanal-Master-Transceiver mit einem auf einer 78K0R-CPU laufenden Master-Stack. Das interne Daten-Flash der Master-Chips ermöglicht dabei die Entwicklung von Anwendungen gemäß der aktuellen Revision 1.1 der IO-Link-Spezifikation. Wie in Bild 4 dargestellt, lässt sich damit der Platzbedarf auf der Leiterplatte erheblich verringern. Das skalierbare Konzept ermöglicht eine Lösung mit bis zu 32 IO-Link-Kanälen, wenn mehrere IO-Link-Master-Chips über ein einziges SPI-basiertes Summenprotokoll miteinander kombiniert werden. Der von TMG entwickelte Master-Stack ist eine zusätzliche Lösung zum Standard TMG Master-Stack und Parameterserver, welcher speziell für die Skalierbarkeit über SPI optimiert wurde. Entwickler können einen zusätzlichen Mikrocontroller als Upper-Layer-Baustein über das UART-Protokoll anschließen. Der Vorteil liegt hierbei in der Entlastung der mit dem Master verbundenen Stack-Funktionen durch einen zentralen Controller, der normalerweise die Anwendungssoftware, z.B. eines I/O-Moduls oder einer I/O-Box sowie im Uplink-Protokoll etwa für Profinet oder Ethernet IP, ausführt.

Zukunft von IO-Link

IO-Link wird derzeit als IEC61131-9 standardisiert mit dem Ziel, die Nutzung der IO-Link-Technologie in Zukunft auf weltweiter Basis auszubauen. Die IEC61131-9 selbst ist Teil einer Serie von Standards für speicherprogrammierbare Steuerungen und deren zugehörige Peripherals. In der IEC61131-9 wird die IO-Link-Technologie zukünftig als SDCI-Technologie (Single-drop Digital Communication Interface) bezeichnet.

Autor: Jens Hilgert, Assistant Manager Sensors & Drives im Segment Marketing der Industrial Business Unit, Renesas Electronics

Renesas Electronics Europe GmbH
http://www.renesas.eu/

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