AutomationML – Integration MES-Wissen

Serie AutomationML Teil 8: Integration domänenspezifischen MES-Wissens in AutomationML
In der Produktionsanlagenplanung sind das Wissen und die damit erzeugten Informationen das wertvollste Gut. Dabei kann zwischen domänenunabhängigem Wissen und domänenspezifischem Wissen unterschieden werden. Domänenspezifisches Wissen ist beispielsweise MES-spezifisches Wissen. Domänenunabhängig kann Wissen z.B. im XML-basierten Datenaustauschformat AutomationML abgelegt werden. Beide Ansätze zur Modellierung und Formalisierung von Wissen können verbunden werden, indem etwa MES-spezifisches Wissen mithilfe des Rollenkonzepts in AutomationML integriert wird.

MES (Manufacturing Execution Systems) [VDI5600-1] sind IT-/Software-Systeme für das Fertigungsmanagement mit direktem Zugang zur Steuerungsebene, z.B. zu den SPSen. Sie überwachen den aktuellen Produktionszustand und aggregieren Informationen über diesen beispielsweise in sogenannten Kennzahlen (engl. KPI in sogenannte Kennzahlen (engl. KPI (Key Performance Indicator), siehe [ISO22400-2]). Für MES als überwachendes und steuerndes System ist es wichtig, Informationen aus verschiedenen heterogenen Quellen zu sammeln und zu fusionieren. Dabei wäre ein einheitliches Datenaustauschformat statt der in der Praxis anzutreffenden großen Anzahl an unterschiedlichen Schnittstellen ideal. Ontologien [Onto] versuchen die Verwendung von domänenspezifischen Terminologien zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Sie integrieren Semantik in die modellierten Daten und formalisieren Zusammenhänge zwischen den definierten Konzepten, sodass diese auch maschinenbearbeitbar und -auswertbar werden. Die MES-Ontologie [VDI5600-3] beschreibt eine einheitliche Terminologie in einer Domäne, nämlich spezifisch für Daten und Informationen, die zwischen MES und Maschinen-/Anlagensteuerungsebene ausgetauscht werden. Firmenspezifische Daten und Informationen werden auf die einheitliche Terminologie abgebildet (siehe [ETFASch]). Die MES-Ontologie wurde zwischen 2008 und 2010 vom VDI GPP-Fachausschuss \’Manufacturing Execution Systems (MES) – Arbeitsgruppe MES-Logische Schnittstellen\‘ erarbeitet. Innerhalb der Ontologie, die sowohl in Textform als auch in der Web Ontology Language (OWL) vorliegt, wird unterschieden zwischen Datenpunkten und Ordnern. Für jeden Datenpunkt wird festgelegt, ob es sich um einen mandatorischen oder einen optionalen Datenpunkt handelt. Ebenso werden die Datenformate vorgegeben.

Domänenunabhängiges Wissen in AutomationML

AutomationML bietet als offenes und in der Standardisierung befindliches Datenaustauschformat (IEC62714) die Möglichkeit, semantische Informationen in den Anlagenmodellen zu hinterlegen. Dies kann genutzt werden, um einheitliche Terminologien und Standards aus spezifischen Domänen, wie z.B. MES, zu integrieren. Jedes Objekt innerhalb des AutomationML-Modells [AML2] übernimmt innerhalb seiner Umgebung eine Funktion und spielt dabei eine oder mehrere \’Rollen\‘. Diese Rollen werden mithilfe des AutomationML-Rollenkonzepts im Dachdatenformat CAEX [CAEX] umgesetzt. Das CAEX-Bibliothekskonzept unterscheidet drei Bibliotheksarten: die System-UnitClassLibraries, die InterfaceClassLibraries und die RoleClassLibraries. Darüber hinaus existiert die konkrete Anlagenhierarchie, die in der InstanceHier-archy repräsentiert wird. Eine Rolle beschreibt unabhängig von einer konkreten technischen Realisierung die Funktionen der physikalischen oder logischen Anlagenobjekte. Die konkrete technische Implementierung wird in der SystemUnitClass oder in InternalElements beschrieben. Die Rolle/RoleClass stellt also eine Möglichkeit dar, die Bedeutung eines Objekts abstrakt und herstellerunabhängig zu beschreiben. Die Definition bzw. Typisierung der Rollen erfolgt hierarchisch in RoleClassLibraries. Durch die Zuordnung einer Rollenklasse zu einem Objekt in der InstanceHierarchy des CAEX-Datenmodells werden diesem Objekt seine grundlegenden Funktionen und Anforderungen zugeteilt. Für AutomationML werden im Part 2 (IEC62714-2) der Spezifikation verschiedene Rollenklassenbibliotheken definiert. Diese können unterschieden werden in normative Rollenklassenbibliotheken, informative Rollenklassenbibliotheken sowie nutzerdefinierte Rollenklassenbibliotheken. Normativ existieren eine Basis-Rollenklassenbibliothek (AutomationMLBaseRoleClassLib), eine Rollenklassenbibliothek für die diskrete Fertigungsindustrie (discrete manufacturing industry – AutomationMLDMIRoleClassLib, siehe Bild 2), eine Rollenklassenbibliothek für die kontinuierliche Fertigungsindustrie (continuous manufacturing industry – AutomationMLCMIRoleClassLib), eine Rollenklassenbibliothek für die Chargen-verarbeitende Fertigungsindustrie (batch manufacturing industry – AutomationMLBMIRoleClassLib) sowie eine Rollenklassenbibliothek für Steuerungssysteme (control systems – AutomationMLCSRoleClassLib). Informativ ist die erweiterte Rollenklassenbibliothek (AutomationMLExtendedRoleClassLibrary) gegeben. Sie beschreibt mögliche Erweiterungen der normativen Rollenklassenbibliotheken. Beispielsweise werden für hierarchische Strukturen Rollen (z.B. Site, Area, ProductionLine) definiert, deren Definition an die Spezifikation der ISA95 (IEC62264-1:2003) angelehnt ist. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der Integration nutzerspezifischer Inhalte, indem neue Bibliotheken von Nutzern definiert werden, die die bestehenden Basis-Bibliotheken erweitern. Diese nutzerspezifischen Rollen müssen von den Basisrollen abgeleitet werden. So wird sichergestellt, dass diese auf einen definierten Ursprung zurückgeführt werden können. Beispiele für nutzerspezifische Rollenklassenbibliotheken könnten sein: branchenspezifische Bibliotheken (z.B. Lebensmittel), domänenspezifische Bibliotheken (z.B. MES), organisationsspezifische Bibliotheken (z.B. rotes Buch des VDMA und VDW) oder auch firmenspezifische oder toolspezifische Bibliotheken.

Integration domänenspezifischen Wissens in AutomationML

Die Möglichkeit der Integration domänenspezifischen Wissens in AutomationML [AML] soll nun anhand der VDI 5600-Blatt 3 [Automation] gezeigt werden. Diese Integration birgt den Vorteil, dass die dort bereitgestellten Terminologien und das Vokabular, inklusive deren Definition und Vererbungsrelationen, in AutomationML genutzt werden können. Dabei werden die in der Ontologie hinterlegten Begrifflichkeiten und Definitionen als Rollenbibliothek in AutomationML verwendet. So kann die Semantik der Domäne MES direkt innerhalb von AutomationML eingesetzt werden. Eine solche Integration erhöht die Akzeptanz und baut die Anfangsbarrieren ab. Die Integration kann manuell oder basierend auf den XML-Datenformaten und Strukturen von OWL und AutomationML automatisch (siehe beispielsweise Projekt SemMES [SemMES]) mit manueller Nachbearbeitung erfolgen. Wichtig hierbei sind vor allem die Möglichkeiten, die durch die Integration der Definitionen für die einzelnen Rollen entstehen. Auf oberster Organisationsebene (siehe Bild 3) der MES-Ontologie [CIRPSch] unterteilen sich die Informationen in Produkt, Prozess, Ressource, Produktionsauftrag, Zeitsynchronisation und einem allgemeinen Datenpunkt. Dies passt ideal zu den erweiterten Konzepten in AutomationML, die ebenfalls zwischen Prozess, Produkt und Ressource unterscheiden. Daher bietet sich eine Integration der VDI 5600-3 in AutomationML als eigene Rollenklassenbibliothek an.

[AML] Miriam Schleipen, Rainer Drath: Three-View-Concept for modeling process or manufacturing plants with AutomationML. 13th IEEE International Conference on Emerging Technologies and Factory Automation (ETFA). 22.-25.9.2009, Palma de Mallorca, Spain.

[AML2] AutomationML. www.automationml.org, Juni 2013.

[Automation] Miriam Schleipen, Olaf Sauer, Lidmilla Fuskova: MES-Ontologie – Semantische Schnittstelle zwischen Maschine und MES. Automation 2010, Baden-Baden.

[CAEX] IEC 62424. Representation of process control engineering – Requests in P&I diagrams and data exchange between P&ID tools and PCE-CAE tools, 2008.

[CIRPSch] Miriam Schleipen, Olaf Sauer, Lidmilla Fuskova, \’Logical interface between MES and machine – semantic integration by means of ontologies\‘, Proceedings of: CIRP ICME \’10 – 7th CIRP International Conference on INTELLIGENT COMPUTATION IN MANUFACTURING ENGINEERING, Innovative and Cognitive Production Technology and Systems, 978-88-95028-65-1. 23 – 25 June 2010, Capri (Gulf of Naples), Italy, 2010.]

[ETFASch] Miriam Schleipen, Dirk Gutting, Franziska Sauerwein: Domain dependant matching of MES knowledge and domain independent mapping of AutomationML models. IEEE conference on Emerging Technologies and Factory Automation ETFA 2012, September 17-21, Krakow, Poland, 2012.

[ISO22400-2] DRAFT INTERNATIONAL STANDARD ISO/DIS 22400-2, ISO/TC 184/SC 5 Secretariat: ANSI, Automation systems and integration – Key performance indicators for manufacturing operations management – Part 2: Definitions and descriptions.

[Onto] Mike Uschold, Michael Grüninger, \’Ontologies: Principles, Methods and Applications\‘, Knowledge Engineering Review 11(2) (1996), pp. 93-155, 1996.

[SemMES] Christoph Thomalla, Miriam Schleipen, Olaf Sauer: Standardisierte semantische Schnittstelle MES – Maschinenebene (SemMES). Abschlussbericht. Förderkennzeichen: 01FS10013. Standardized semantic interface MES – machine level (SemMES). Report. Elektronische Publikation, Fraunhofer Publica, publica.fraunhofer.de, 2013.

[VDI5600-1] VDI 5600-1, Manufacturing Execution Systems (MES), Beuth Verlag, 2007.

[VDI5600-3] VDI 5600-3, Manufacturing Execution Systems (MES) – Logische Schnittstelle Maschinen- und Anlagensteuerung, Beuth Verlag, 2013.

AutomationML e.V. c/o IAF
http://www.automationml.org

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