Zukunft von resistiven Touch Panels

Auslaufmodell oder ökonomisch sinnvolle Alternative?

Kapazitive Touch-Displays sind heute in zahlreichen Consumer-Geräten verbaut. Sie ermöglichen eine komfortable Multi-Berührungs- bzw. Gestensteuerung. Doch in industriellen Anwendungen zählen andere Faktoren, für die resistive Touch Panels unter Umständen besser geeignet sind. Wir stellen im Folgenden beide Technologien vor und zeigen, in welcher Anwendung sich die jeweilige Technologie besser eignet.

Durch ihre zunehmende Verbreitung haben Smartphones und Tablet-PCs zu einer Konditionierung der Verbraucher auf Haptik und Funktionalität von kapazitiven Touch Panels geführt. Die Bedienung von Geräten durch Gesten und Berührungen erhält daher einen immer stärkeren Einzug in den Alltag. Es liegt darum nahe, auch im Bereich von Industrieapplikationen Lösungsansätze zu diskutieren, bei denen kapazitive Touch Panel (CTP) zum Einsatz kommen sollen. CTPs bieten gegenüber resistiven Touch Panels dem Anwender einige Vorteile. So kann zum Beispiel durch die Verwendung von chemisch behandeltem Front-Glas eine Oberflächenhärte von bis zu 9H realisiert werden. Darüber hinaus sind kapazitive Touch Panels grundsätzlich multitouchfähigkeit. Was vielen Entscheidungsträgern dabei nicht klar ist, ist das 9 von 10 Anwendungsfällen kostensensibler, aber ebenso effektiv mit resistiven Touch Panels gelöst werden könn(t)en. Um zu verstehen, warum das so ist und wo die Risiken beim Einsatz eines CTPs liegen, muss die Funktionsweise der beiden Touch Panel-Arten näher betrachtet werden.

Das kapazitive Touch Panel

Die Arbeitsweise eines CTPs basiert auf der Messung und der Auswertung einer Veränderung eines elektrischen Feldes. Dieses Feld wird mit Hilfe von Wechselspannung auf der Indium-Zinn-Oxid-beschichteten Seite des CTPs erzeugt. Durch die Annährung eines elektrisch leitfähigen Mediums (z.B. einem Finger) kommt es zur Veränderung des erzeugten elektrischen Feldes. Durch Ausbildung einer zusätzlichen Kapazität beginnen Elektronen durch das Feld in das leitende Medium zu fließen. Dieser Abfluss von Elektronen wird über Elektroden von der Auswerteeinheit gemessen und bewertet. Diese Arbeitsweise erübrigt jeglichen mechanischen Kraftaufwand zur Bedienung, birgt jedoch auch einige Risiken beim Einsatz. So können z.B. andere leitende Medien (Regentropfen) in den Einflussbereich des CTPs geraten und für den Aufbau einer Kapazität sorgen, was ebenfalls zu einer (ungewollten) Eingabe führen kann. Das CTP wird zumeist in räumlich enger Umgebung zu einem TFT betrieben. Die Ansteuerung des TFT erfolgt mit unterschiedlichen Frequenzen (hortizontal sync, vertikal sync, dot frequency), die in unterschiedlichen Frequenzbändern abstrahlen und daher in der Auswerteeinheit des CTP zu Fehlinterpretationen führen können. Dieses Einstrahlen von Fremdfeldern bezeichnet man als elektrisches Rauschen. Ob es durch elektrisches Rauschen zu einer (Fehl)Eingabe kommt, hängt von den Filter-Parametern innerhalb der Auswerteeinheit ab. Durch sie wird die Schwelle definiert, ab wann ein Elektronenabfluss zu einer Interpretation einer Eingabe führt. Diese Schwelle wird auch als Sensitivität bezeichnet. An dieser Stelle kommt es meistens zu Schwierigkeiten beim Einsatz eines kapazitiven Touch Panels, da die Filter-Parameter nicht optimal auf die Anwendung eingestellt sind, in der das CTP zum Einsatz kommt. Das hat zur Folge, dass die elektrischen Felder innerhalb der Anwendung entweder dauerhaft oder punktuell für einen Elektronenabfluss sorgen, der von der Auswerteeinheit als Eingabe interpretiert wird. Dadurch ist die ordnungsgemäße Funktionsweise des CTPs nicht mehr gewährleistet. Um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen, müssen die Filter-Parameter innerhalb der Auswerteeinheit auf die spezifische Einsatzumgebung des CTPs angepasst werden. Hier sollte vor dem Einsatz geprüft werden, wer in der Lieferkette überhaupt eine Anpassung der Filterparameter vornehmen kann. Üblicherweise liegt das spezifische Wissen über die Filter-Parameter und deren Einstellbarkeit fast ausschließlich bei dem Hersteller der Auswerteeinheit (Sensor-IC). Werden Änderungen an den Filter-Parametern notwendig, ist der Anwender daher zumeist gezwungen sich im Lauf der Eskalationsprozedur direkt mit dem IC-Hersteller auseinanderzusetzen. Neben dem Zeitaufwand zur Kontaktaufnahme und der Verhandlung um die Bereitschaft des IC-Herstellers zur Abhilfe (-> Wie viele haben Sie denn gekauft?), muss dem IC-Hersteller zur optimalen Anpassung der Filter-Parameter die gesamte Anwendung vorliegen. Um diesem Problem zu begegnen sind viele Anbieter dazu übergegangen, CPTs nur als Komplettlösung, d.h. in Verbindung mit einer Displayeinheit, anzubieten. Hierbei ist das CTP herstellerseitig optimal auf die Displayeinheit eingestellt, sodass zumindest die nächstgelegene Quelle für elektrisches Rauschen eliminiert ist. Allerdings kann das Rauschen der anderen Komponenten in der Applikation oder deren Umfeld nicht ausgeschlossen werden, wodurch ein durch den Anwender zu beurteilendes Restrisiko bestehen bleibt. Die sicherste Variante ist es daher, den Verbund aus Displayeinheit und CTP speziell abgestimmt auf die Applikation entwickeln zu lassen. Das bietet die Möglichkeit viele Parameter im Vorfeld abzustimmen und ein optimiertes Ergebnis zu erzielen. Hier stellt sich jetzt die Frage nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit eines solchen Entwicklungsaufwandes (-> MOQ, vertikale Tiefe der Lieferkette). Die wesentliche Fragestellung ist dabei die Funktionalität, die über ein kapazitives Touch Panel realisiert werden soll. Vor diesem Hintergrund sollte im Vorfeld genau evaluiert werden, ob die angestrebten Funktionen tatsächlich ein kapazitives Touch Panel benötigen und somit die Investition in ein entsprechendes Entwicklungsprojekt gerechtfertigt ist.

Das resisitve Touch Panel

Ein resistives Touch Panel besteht im Wesentlichen aus zwei unterschiedlich starken Trägerplatten, ITO-Beschichtungen und Abstandshaltern, den sogenannten spacer dots. Die Trägerplatten werden mit leitfähigem, aber widerstandsbehafteten ITO beschichtet. Die Dicke der Beschichtung ist dabei über die Fläche nicht gleich, sondern nimmt in deren Verlauf von der einen zur anderen Seite linear ab. In Verlaufsrichtung der ITO-Schicht werden jeweils an den gegenüberliegenden Enden Elektroden aufgebracht. Die Entfernung zum Einspeisepunkt an einer bestimmten Stelle der Fläche bestimmt dabei einen punktuellen Widerstand. Die beiden Trägerplatten werden um 90° verdreht aufeinander gesetzt, mit den spacer dots auf Abstand gehalten und verklebt. Dadurch verläuft die Dicke der Beschichtung der einen Trägerplatte in X-Richtung und auf der anderen in Y-Richtung. Die mechanisch stabilere Platte besteht meist aus optischem Glas und bildet die Unterseite des Touch Panel. Für die Oberseite wird im Normalfall eine dünne und flexible Kunststoffplatte verwendet, jedoch kann die Oberseite auch aus einem extrem dünnen optischen Glas gefertigt werden. An beide ITO-Schichten wird abwechselnd eine elektrische Spannung angelegt. Die jeweils nicht mit Spannung beaufschlagte Schicht dient dabei als Sensor. Durch mechanischen Druck auf die flexible Oberseite des resistiven Touch Panels wird der Abstand der beiden Schichten überwunden und es entsteht ein Kontaktpunkt. Die Positionsbestimmung erfolgt über die Elektroden der jeweils gegenüberliegenden Schicht durch Messen der Spannung an dem Kontaktpunkt. Für die Bestimmung der X-Koordinate wird also die am Kontaktpunkt vorliegende Spannung über die Elektroden der in Y-Richtung orientierten ITO-Schicht gemessen. Dementsprechend wird für die Y-Koordinate die vorliegende Spannung an den Elektroden der in X-Richtung orientierten ITO-Schicht gemessen. Im letzten Schritt wird über einfache Division der Quotient aus der abgegriffenen Spannung auf der Messschicht (Um) und der angelegten Spannung (Ug) errechnet.

Vorteil des resistiven Touch Panels

Die resistiven Touch Panels sind durch ihre Funktionsweise immun gegen elektrisches Rauschen und damit verbundenen Fehleingaben. Darüber hinaus ist die Technologie langzeit-erprobt und hat sich als im industriellen Umfeld zuverlässig erwiesen. Durch den Einsatz von optischem Glas für die Oberseite des resisitiven Touch Panels können auch Forderungen aus der Medizintechnik erfüllt werden. Dabei bleibt allerdings der Kraftaufwand zum Auslösen der Eingabe bestehen. Auch komplexere Funktionen, die eher intuitiv den kapazitiven Touch Panels zugeschrieben werden, lassen sich mit resistiven Touch Panels realisieren. Dazu zählt zum Beispiel eine einfache Slide-Funktion. So können die ermittelten X/Y-Koordinaten z.B. in einer IRQ-Routine alle 50ms bewertet werden. Mit Hilfe von einfachen Vektorgleichungen, sind dann sowohl Richtung, als auch Geschwindigkeit ermittelbar. Dies ist mit wenigen Zeilen Quellcode umzusetzen. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass auch kapazitive Touch Panels, Funktionen wie sliden oder Bilddrehung nicht zwingend nativ beherrschen. Dafür müssen entweder höherwertige Auswerte-IC\’s auf dem Touch Panel zum Einsatz kommen oder ebenfalls Softwareroutinen (s.o.) in der Applikation geschrieben werden, die die Eingaben entsprechend bewerten. Schlussendlich sollte bei der Evaluierung des Einsatzes eines Touch Panels immer der Zusatznutzen, den bestimmte Features bieten, vor dem Hintergrund der zu erwartenden Risiken und Kosten abgewogen werden, um zu einer ökonomisch sinnvollen Entscheidung zu gelangen.

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