KI stärkt Autonomie von Industrierobotern

Schlauere Roboter können mehr

Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) sollen die Fähigkeiten von Industrierobotern verbessern, um schnell und treffsicher auf Sensor- und Bilddaten zu reagieren. Die Integration von KI-Funktionen direkt in der Robotersteuerung ermöglicht neben einer Beschleunigung der Objekterkennung auch Steigerungen bei Qualität, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit sowie erweiterte Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Menschen.
 Sollen Roboter den Mitarbeitern in der Fertigung direkt zur Hand gehen, kann künstliche Intelligenz schon heute eine spürbare Hilfestellung geben.
Sollen Roboter den Mitarbeitern in der Fertigung direkt zur Hand gehen, kann künstliche Intelligenz schon heute eine spürbare Hilfestellung geben.Bild: ©zapp2photo/stock.adobe.com

Seit jeher gibt es Versuche, Industrieroboter außerhalb einer starren Programmierung flexibel auf veränderliche Situationen reagieren zu lassen. So werden die frei programmierbaren Bewegungen und Greifoperationen nicht starr vorgegeben, sondern reagieren auf den Input von Sensoren.

 Entwicklerboards und Single Board Computer mit integrierten KI-Beschleunigerchips bieten die Möglichkeit, Anwendungen von Machine Learning und Deep Learning direkt am Roboter auszuführen.
Entwicklerboards und Single Board Computer mit integrierten KI-Beschleunigerchips bieten die Möglichkeit, Anwendungen von Machine Learning und Deep Learning direkt am Roboter auszuführen.Bild: ©ninefotostudio/stock.adobe.com

Roboter brauchen mehr Flexibilität

Dabei handelt es sich dennoch immer um eine feste, algorithmische Programmierung, die meist auf hohe Arbeitsgeschwindigkeiten ausgelegt ist. In den meisten Anwendungen arbeitet die mitgelieferte Robotersteuerung die Programme ab. In besonders zeitkritischen Fällen, etwa zur Entformung neuer Kunststoffteile in Spritzgießmaschinen, ist die Integrationstiefe größer. Dort übernehmen die Maschinensteuerung und Antriebssteuereinheiten für die einzelnen Achsen die Steuerung der Roboterkinematik.

In vielen Fällen können und sollen Roboter Menschen nicht ersetzen, sondern diese unterstützen, ihnen zur Hand gehen. Mensch und Maschine sollen am Arbeitsplatz im gemeinsamen Prozess eng zusammenarbeiten. Noch weiter geht die Vision, dass Roboter Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, aber auch in der eigenen Wohnung oder auf ihren täglichen Wegen unterstützen.

Ein erster Schritt in diese Richtung sind sogenannte Cobots. Sie benötigen allerdings aufwendige zusätzliche Technik, etwa in Form von Kraft/Momenten-Sensorik oder einer berührungsempfindlichen Haut, um eine direkte Zusammenarbeit mit Menschen ohne Kompromisse bei der Sicherheit zu ermöglichen.

Vor allem die Unberechenbarkeit menschlicher Handlungen macht es nicht leicht, die Roboter aus ihren Käfigen zu befreien. Deshalb können sie bisher auch nur mit stark verminderter Geschwindigkeit kollaborativ arbeiten. Ein Einsatz außerhalb der industriellen Umgebung scheitert nicht zuletzt an der nicht vorab bekannten und veränderlichen Umgebung, die kein Softwareentwickler vorhersehen und berücksichtigen kann.

 In der Industrie übernehmen Roboter Arbeiten, die für Menschen zu gefährlich, 
zu kompliziert, zu schwer, zu schmutzig oder zu eintönig sind.
In der Industrie übernehmen Roboter Arbeiten, die für Menschen zu gefährlich, zu kompliziert, zu schwer, zu schmutzig oder zu eintönig sind.Bild: ©Peter Kemptner

Sinneswahrnehmungen für Roboter

Der sogenannte Griff in die Kiste zur Entnahme von in loser Schüttung angelieferten Werkstücken oder gefahrlos Hand in Hand mit Menschen zu arbeiten, gelten in der Robotik als klassische Herausforderungen. Lösungsansätze für beide Fälle ergeben sich in Verbindung mit Bildverarbeitungssystemen und hoch entwickelter Sensorik. Dazu zählen etwa 360°-Laserscanner, Time-of-Flight-Kameras (ToF) oder Stereo-3D-Tiefenkameras.

Sie verleihen den Robotern nicht nur die Möglichkeit, die zu greifenden Objekte zu erkennen, sondern auch die Umgebung dreidimensional wahrzunehmen. Darüber hinaus bieten sie die Möglichkeit, während des Arbeitsschritts eine visuelle Qualitätskontrolle der gegriffenen Teile vorzunehmen. So kann der Roboter für schlecht befundene Teile direkt ausschleusen. Das verursacht in der Regel geringere Kosten als zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess.

Unabhängigkeit durch KI

Obwohl sich solche Aufgaben auch rein algorithmisch lösen lassen, braucht es mehr, um aus Robotern sowohl kooperative als auch effizient arbeitende Kollegen zu machen. Sie brauchen die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen. KI-Anwendungen wie das Deep Learning eignen sich sehr gut für die Mustererkennung in Bilddaten. Ihre Echtzeit-Auswertungen ermöglichen eine verbesserte Treffsicherheit bei der Objekterfassung und des Personenschutzes beim kollaborativen Einsatz. Zugleich können sie für die Qualitätssicherung genutzt werden. Zusätzlich lassen sich Methoden des Machine Learning nutzen, um dem Roboter durch eine vorausschauende Positionierung einen statistischen Zeitvorteil zu verschaffen.

So könnte man sich z.B: eine Montagehalle beim Reifenhändler vorstellen. Stationär installierte Knickarmroboter auf jeder Seite der Hebebühne demontieren die Räder. Über ein 3D-Vision-System finden sie heraus, wo sich das Rad genau befindet, ob und wenn ja welche Radkappe abzunehmen ist und wie viele Schrauben an welchen Positionen zu lösen sind. Fehlt eine oder ist erkennbar beschädigt, bestellt der Roboter eine neue im Ersatzteillager. Bevor er ein Rad ablegt, kann er noch die Profiltiefe ermitteln oder etwaige Unwuchten feststellen, sodass diese im Einlagerungsakt oder auf der Kundenrechnung sichtbar wird.

Die zu montierenden Räder könnte ein autonomer mobiler Roboter (AMR) bringen. Da alle drei Maschinen ständig ihre Umgebung beobachten – der AMR nutzt diese Informationen auch zum Navigieren – bleiben Kollisionen aus. Andererseits können die Montageroboter bei Annäherung des AMR in Stellung gehen, um bei der Übergabe der Räder keine Zeit zu verlieren. Durch einen Robotereinsatz wie diesen würde der Mensch erheblich entlastet. Sowohl was körperlich anstrengende Tätigkeiten angeht, als auch in Bezug auf monotone Arbeiten.

Wie kommt KI zum Roboter?

KI-Anwendungen gibt es in großer Zahl als Software-as-a-Service (SaaS) in der Cloud. Allerdings haben viele Anwender angesichts der beträchtlichen Datenmengen Bedenken wegen der Ausfallssicherheit der Datenverbindungen. Diese können einen beträchtlichen Kostenfaktor darstellen. Es liegt daher nahe, die Inferenzrechnungen an den Rand der Anlage zu verlegen, in die sogenannte Edge. Mussten KI-Anwendungen früher in teure Hochleistungssysteme ausgelagert werden, ermöglicht heute die Verfügbarkeit spezialisierter KI-Coprozessoren und deren Integration in Einplatinen-Computer oder Steuerrechner die Ausführung von extrem rechenintensiven KI-Operationen direkt an der Anlage.

So gibt es bereits Roboter mit leistungsfähigen Grafik-Prozessorboards, die sich auch für das Abarbeiten von KI-Aufgaben eignen. Zudem bringen immer mehr Anbieter Entwickler-Boards und Single-Board-Computer mit integrierten KI-Chips, sogenannten Tensor Processing Units (TPU), auf den Markt. Mit der Robotersteuerung verbunden – bei einigen Modellen sind die passenden Anschlüsse bereits vorgesehen – oder in die Bildverarbeitungssysteme integriert, bieten sie die Möglichkeit, Anwendungen von Machine Learning und Deep Learning direkt am Roboter auszuführen.

Robotern das Lernen lehren

KI kann Robotern nicht die kognitiven Fähigkeiten des Menschen verleihen. Sie ermöglicht es aber, auf Basis statistischer Erfahrungswerten auf der Grundlage der gesammelten Informationen, in einer wenig strukturierten Welt ihr Verhalten an veränderte Umgebungsbedingungen anzupassen. So wäre das oben beschriebene Szenario mittels klassischer Programmierung nicht oder nur mit enormem Programmieraufwand realisierbar, speziell wenn das auch noch die Zusammenarbeit mit Menschen einschließt.

Allerdings müssen kognitive, also mit KI ausgestattete Roboter, dieses Verhalten erst erlernen, indem sie auf der Basis neuronaler Netze wiederkehrende Muster, Gesetzmäßigkeiten oder Anomalien identifizieren. Das tun sie am besten nicht erst in der Anlage, wo sich Fehlversuche nicht nur auf die Effizienz negativ auswirken würden, sondern bereits im Vorfeld. Dazu kann der Systemintegrator einen digitalen Zwilling der Anlage im Computermodell völlig gefahrlos Trainingsrunden drehen lassen. Es lassen sich aber auch vortrainierte Inferenzmodelle nutzen, die immer öfter zur Standardausstattung von KI-Hard- und Software gehören. Zusätzlich ist es gut, die Freiheitsgrade auf das Erforderliche zu beschränken.

Zu diesem Zweck ist Expertenwissen vonnöten. Das bedeutet auch, dass KI keineswegs die Softwareentwickler und Steuerungsprogrammierer überflüssig macht. Sie ermöglicht diesen eine veränderte Herangehensweise an die Problemstellungen und gibt ihnen andere, oft komfortablere Tools an die Hand. Allerdings will der Umgang mit diesen gelernt und geübt sein, wie im Übrigen auch die gedankliche Umstellung.

Hierfür ist es gut, dass es nicht nur die großen, teuren und oft aufwendig zu installierenden Industrieroboter gibt. So führt Reichelt Elektronik ein breites Angebot an preiswerten Robotern, die sich hervorragend als Entwicklungsplattform, für Laboranwendungen sowie für die Ausbildung und das Experimentieren eignen. Die Geräte sind über ein offenes Robot-Operating-System frei programmierbar. Die Middleware verfügt über eine reichhaltige Bibliothek vorgefertigter Funktionen. Das erleichtert den Einstieg. Auch die passenden Sensoren und Kamerasysteme sowie das entsprechende Zubehör und KI-taugliche Single-Board-Computer kann der Distributor Reichelt aus einer Hand liefern.

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