Use-Case: Datenbasierte Dienste mit einheitlichen Werkzeugen

Mehrwert der Datenfusion

Die Nutzung von Informationen wurde nicht zuletzt unter dem Buzzword Industrie 4.0 in den letzten Jahren massiv ausgebaut - und doch arbeiten viele der entstandenen Lösungen weitestgehend isoliert. Das beginnt beim Erschließen von Datenquellen, setzt sich in den IT-Plattformen wie Schnittstellen fort und endet in proprietären Apps und Diensten. SDM-Methoden, wie auch die konsequente Nutzung längst verfügbarer Standards, versprechen signifikanten Mehrwert durch Zusammenführung und vereinheitlichte Verarbeitung von Informationen. Will man tragfähige Geschäftsmodelle etablieren, sind jedoch längst nicht nur technische Aspekte zu berücksichtigen.
Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der

IIoT, Virtualisierung, Big Data oder KI: In der Produktionstechnik stehen heute disruptive Methoden, enorme Rechenleistung und nahezu grenzenlose Vernetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch wenn jeder diese Trends anders interpretiert, bewertet und lebt – einen gemeinsamen Nenner kann man erkennen: Enabler – oder umgekehrt auch Show-Stopper – ist eine belastbare Datenbasis aus Konstruktion, Produktion und Betrieb der Maschinen.

Entsprechende Anwendungen adressieren z.B. die Bereiche Condition-Monitoring, Prozess- und Ressourcenoptimierung, Traceability oder dienen als Assistenzsysteme. Oftmals ist die Erkennung von Zuständen und Anomalien erst unter Anwendung von Big-Data-Methoden in Kombination mit Expertenwissen möglich. Dazu notwendig ist typischerweise auch einiges an Knowhow des jeweiligen Herstellers. Noch eher in den Anfängen sind Anwendungen, bei denen eine automatische Rückkopplung in die Steuerung und Verbesserung des Prozesses erfolgt, wenngleich dieser Ansatz mit einer flexibilisierten Fertigung an Bedeutung gewinnt.

Stand heute sind entsprechende Anwendungen jedoch oft isoliert umgesetzt: Es werden anwendungsspezifische Daten einzelner Quellen erfasst, in geschlossener Umgebung verarbeitet und dies oftmals noch innerhalb einer proprietären Hardware realisiert. Für den Nutzer ist es ein Black-Box-Modell. Und das führt perspektivisch zu einem enormen Anstieg an Komplexität, wenn z.B. für jedes kritische mechanische Bauteil eine eigene zusätzliche Sensorik und Folgeelektronik notwendig ist. Zudem wird heute der Fokus oft noch auf den Vertrieb als Hardware-Produkt gelegt und damit nach dem initialen Verkauf kaum weitere Wertschöpfung betrieben – obwohl in der laufenden Weiterentwicklung der Software-Anteile kontinuierlich Aufwand entsteht.

Ein weiteres heute noch kaum genutztes Potential ist die Erschließung von nicht initial projektierten Informationsquellen durch die automatische Verknüpfung der Produzenten und Konsumenten von Daten. Das schließt die Konstruktionsdaten der Anlage, aber auch digitalen Repräsentationen von Werkzeugen und Werkstücken mit ein. Wesentliche Voraussetzung hierfür sind jedoch entsprechende selbstbeschreibende Informationsmodelle und die Nutzung standardisierter Schnittstellen.

Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der

Mehrwert durch SDM-Ansatz

Die Komplexität heutiger Lösungen ist nicht nur im Sinne einer hohen Anlagenverfügbarkeit unerwünscht, sondern mindert auch die mögliche Wertschöpfung im digitalen Bereich. So liegt es nahe, das zu tun, was sich auch im IT-Bereich bereits bewährt hat: Komplexität von Hardware in Software verlagern, abstrahieren, standardisieren. Und damit auf die eigentliche Anwendung und das Kerngeschäft fokussieren. Genau hier setzt das BMWK-gefördete Forschungsprojekt „Software-defined Manufacturing für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie“ (SDM4FZI) an.

Im Bereich der Datenbasierten Dienste stellen sich die Partner der Aufgabe, Methoden für die Beherrschung von komplexen, heterogenen Informationsflüssen in modular aufgebauten Produktionsmaschinen bereitzustellen. Und damit den Weg frei zu machen, für eine Verlagerung der Wertschöpfung in Software-Produkte. Erfolgskritische Enabler hierbei sind in erster Linie:

  • Durchgängige Daten-Pipelines über mehrere Abstraktionsebenen hinweg
  • Standardisierte Informationsmodelle, Schnittstellen und IT-Plattformen
  • Branchenspezifische Best-Practices ergänzend zu bestehenden Standards

Anwendungsbeispiele und Mehrwerte

Innerhalb von SDM4FZI wird durch die heterogene Partnerstruktur ein breites Spektrum an Anwendungen betrachtet und weiterentwickelt. Einzelne Dienste werden dabei gleichzeitig auf unterschiedliche Ebenen appliziert, von der Einzelkomponenten bis zur Produktionslinie. Es werden die Anforderungen unterschiedlicher Lebenszyklusphasen und Verwertungsmodelle berücksichtigt. Daraus resultiert ein praxisgerechtes Setup der notwendigen Basistechnologien für Konnektivität, Datenhaltung, Deployment, Verwaltung und Überwachung. Trotz der engen Zusammenarbeit wird die Kommerzialisierbarkeit einzelner Lösungen von Anfang an mitberücksichtigt.

SDM4FZI setzt sich zum Ziel, auf bestehenden Standards aufzusetzen, diese sinnvoll zu verknüpfen und dadurch modulare und heterogene IT-Architekturen bis hinunter ins Echtzeitumfeld zu ermöglichen. Berücksichtigt wird dabei auch, dass in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen Informationen von sehr unterschiedlichen Akteuren genutzt werden. Im Umfeld der Entwicklung werden etwa andere Werkzeuge und Prozesse gefordert als im späteren Produktiveinsatz. Um den Praxisbezug der erarbeiteten Lösungen zu maximieren, werden die entwickelten Lösungen kontinuierlich an einer Vielzahl unterschiedlicher Demonstratoren firmenübergreifend erprobt und validiert.

Breit nutzbare Infrastrukturen und Anwendungen für unterschiedliche Problemklassen entstehen jedoch selten am Reißbrett, sondern entwickeln sich iterativ im Wechselspiel mit den verfügbaren und geforderten Basistechnologien. Daher wird auch für die Entstehung von Anwendungen ein agiler Entwicklungsprozess zugrunde gelegt, der aber gleichzeitig effiziente Deployment-Mechanismen mitbringt.

Spätestens beim Austausch von Daten zwischen unterschiedlichen Nutzern entstehen jedoch die größten Herausforderungen jenseits der Technik. Erfolgsfaktor ist hier nicht mehr das Dateiformat, sondern die Möglichkeit, eigenes Knowhow sicher zu abstrahieren, sodass aus der Weitergabe kein Nachteil entsteht. Auch hierzu werden in SDM4FZI praxisgerechte Lösungen entwickelt.

Teil 1: Forschungsprojekt entwickelt Software-defined

Manufacturing (SPS-MAGAZIN 13/2021)

Teil 2: Referenzarchitekturmodell zur Digitalisierung von

Produktionsnetzwerken (SPS-MAGAZIN 1/2022)

Teil 3: SDM-fähige Produktions-OT (SPS-MAGAZIN 2/2022)

Teil 4: Highlights der Stuttgarter Innovationstage 2022

(SPS-MAGAZIN 3/2022)

Teil 5: Beherrschung der Wandlungsfähigkeit einer SDM-

Produktion (SPS-MAGAZIN 4/2022)

Teil 6: Use Case 1: Simulationsgestützte Optimierung

wandlungsfähiger Produktionssysteme

(vrsl. SPS-MAGAZIN 5/2022)

Teil 7: Use Case 2: Durchgängiges Engineering mittels

Referenzarchitekturmodell

(vrsl. SPS-MAGAZIN 6/2022)

Teil 8: Use Case 3: Virtualisierte Steuerungstechnik und

automatische Softwaregenerierung + Interview mit

Prof. Alexander Verl und Prof. Oliver Riedel

(SPS-MAGAZIN 7/2022)

Teil 9: Use Case 4: Datenbasierte Mehrwertdienste

(SPS-MAGAZIN 8/2022)

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