
Lehnen beliefert in erster Linie Kunden aus dem Bereich Life Science. „Unsere Nische sind Sondermaschinen für Reinraumumgebungen mit geringer Stellfläche“, sagt Geschäftsführer Peter Lehnen. „Das bedeutet eine eigene Konstruktion für jeden Kunden, um viel Funktionalität auf wenig Raum unterbringen zu können.“ Als das Unternehmen seine erste Abfüllanlage für Lippenbalsam entwickelte, dachte der Geschäftsführer, dass es gleichzeitig die letzte sein würde. Sie vereinte zwar eine Vielzahl von Funktionen – Behälterzuführung, parallele Abfüllung, Kühlung, Verschließen, Etikettierung und Codierung – in einer kompakten Maschine. Das System passte jedoch in keine Kategorie. „Bei dieser Art von Abfüllanlagen gibt es typischerweise eine Klasse mit niedrigen Kosten und einer niedrigen Geschwindigkeit. Dann gibt es eine Industrieklasse mit hohem Durchsatz, die aber Millionen von Dollar pro Anlage kostet“, so P. Lehnen weiter. „Im mittleren Bereich dagegen gibt es nur wenige Optionen.“
Nachdem Lehnen jedoch ein Video der Anlage mit dem Namen ProFill SF ins Internet stellte, erhielt das Unternehmen umgehend Anfragen von Kunden, die nach Lösungen im Bereich zwischen Highend und Lowend suchten. Deshalb wurde beschlossen, die Maschine zum Standardprodukt weiterzuentwickeln. Dabei galt es, die Automatisierungsbasis zukunftssicher zu machen, da die bisherige SPS die Ingenieure beim Innovationsprozess behinderte. „In der heutigen Zeit, ist es erstaunlich, dass eine SPS für 3.000US$ nur 4MB Speicherplatz hat“, betont der leitende Softwareentwickler Chris Lehnen. „Ich war oft gezwungen, Codekommentare aus Programmen zu löschen, um nicht an Grenzen zu stoßen. Deshalb und wegen der willkürlich begrenzten Anzahl an I/Os und Bewegungsachsen haben wir uns nach moderneren Optionen umgesehen.“
Zwar lernte Lehnen Beckhoff bereits 2015 auf einer Messe kennen, aber damals zögerte das Team, die Steuerungstechnik zu wechseln. Denn Veränderungen sind in der stark regulierten Life-Science-Branche nicht einfach. Im Jahr 2020, als viele Anbieter Lieferschwierigkeiten hatten, stellte man jedoch fest, wie anpassungsfähig die Plattform von Beckhoff durch einfachen Komponentenaustausch ist. So fing Lehnen an, Kundenprojekte zu migrieren – zur gleichen Zeit, als die Maschinenbauer über die Entwicklung eines standardisierten Abfüllsystems nachdachten.
Flexible Automation
Das ProFill-System vereint alle Arbeitsschritte in einer Einheit, die nur 308x142cm misst. Trotz der robusten Edelstahlkonstruktion lässt sich das System auf Rollen an jedem Ort mit Druckluft- und 240V-AC-Versorgung zum Einsatz bringen. Bei der Weiterentwicklung zum Standardsystem sollte die Maschine kompakt bleiben und die präzise Abfüllung beibehalten, um zu vermeiden, dass die wachsartige, schwer zu entfernende Flüssigkeit auf die Fördertechnik tropft. In Zusammenarbeit mit dem lokalen Team von Beckhoff USA begann Lehnen im Januar 2023 mit dem Redesign.
Jetzt dient ein sehr kompakter IPC vom Typ C6015 als Maschinensteuerung. Er bietet Speicheroptionen von 40 bis 320GB. Ein Multitouch-Control-Panel CP3918 von Beckhoff ermöglicht die komfortable Bedienung. Die Programmierung von HMI, SPS und Motion Control erfolgt mit Twincat 3. Die durchgängige Automatisierungs-, Engineering- und Runtime-Plattform bietet alle für die Maschinensteuerung notwendigen Funktionen, mit flexiblen Möglichkeiten zur Codeerstellung. Durch die Integration in Microsoft Visual Studio können Ingenieure stets die bevorzugte Programmiersprache nutzen:
- IEC61131-3-Sprachen mit objektorientierten Erweiterungen,
- benutzerdefinierte Funktionsblöcke oder Optionen in Twincat-Bibliotheken,
- Informatikstandards, wie C#, C++, Python und HTML5 oder JavaScript für die HMI-Erstellung.
Die Entwickler von Lehnen schätzen die Möglichkeit, Steuerungssoftware vor dem Kauf in der kostenlosen Engineering-Umgebung auszuprobieren. „Twincat bietet eine korrekte Implementierung des IEC-Standards und objektorientierte Programmierung, im Gegensatz zu Plattformen anderer Anbieter, die zwar technisch konform, aber restriktiver sind.“, sagt Chris Lehnen. „Darüber hinaus vereinfacht Twincat die Quellcodekontrolle durch die Einbindung von Git. So kann unser Softwareteam gleichzeitig am selben Programm arbeiten, um die Entwicklung zu beschleunigen.“
Neben der Steuerung und Visualisierung setzt Lehnen in der Anlage auch auf Antriebstechnik von Beckhoff, so etwa die kompakten Servoantriebe ELM7222. Die zweikanaligen 48VDC-Servoverstärker sind als 30mm breite Klemmen direkt im Ethercat-I/O-Segment installiert – neben zahlreichen anderen Klemmen zur Vernetzung der Anlage, z. B. High-Density-Ein- und -Ausgänge, analoge Temperaturmessklemmen und Thermoelementmodule. Die Servoklemmen ELM72xx unterstützen zudem die Einkabeltechnik OCT für den Anschluss der Servomotoren AM8100. Dadurch reduzieren sich zusätzlich der Platzbedarf und der Aufwand für die Inbetriebnahme.
Potenzial für die Zukunft
Der standardisierte Füller für Lippenbalsam hat seine hohe Leistung und kompakte Bauform beibehalten. Das System verarbeitet Trays mit acht Tuben auf einmal und erreicht einen Durchsatz von 60 Tuben pro Minute. Im Dauerbetrieb kann die Maschine 30.000 Stifte pro Tag abfüllen, verschließen, etikettieren und mit einem Seriencode versehen. Durch die kompakten Automatisierungstechnik von Beckhoff wurde im Schaltschrank Platz für zukünftige Funktionserweiterungen frei. „Wir haben nicht nur ein besseres Gesamtsystem geschaffen, sondern auch die Kosten deutlich reduziert“, sagt Peter Lehnen. „Bei der Steuerungshardware haben wir durch die Standardisierung etwa 40 Prozent eingespart.“