Deep-Learning-Systeme für den Maschinen- und Anlagenbau

Kognitive Selbstlernprozesse

Fast täglich liest man über neue Deep-Learning-Ansätze in allen möglichen Bereichen. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit dieses Thema bereits tauglich für den industriellen Einsatz ist. Um hierzu mehr zu erfahren, hat das SPS-MAGAZIN bei Rahman Jamal, Global Technology & Marketing Director von National Instruments, nachgefragt.
Bild: National Instruments Germany GmbH

Alle reden über Deep Learning, dabei ist das Thema doch bereits seit einigen Jahren auf dem Markt?

Rahman Jamal: Sie haben recht, das Konzept an sich ist nicht neu. Aber der Zeitpunkt für seine Wiederbelebung ist nicht zufällig. Die Komplexität einer IIoT-Anwendung sowie die Vernetzung solcher Applikationen führt zu einer Unmenge von Daten (Stichwort: Big Analog Data) und schreit regelrecht nach Deep-Learning-Methoden. Wobei mit IIoT-Anwendungen nicht nur Smart-Factory-bezogene I4.0-Applikationen gemeint sind, sondern jegliche smarte Applikationen (Cyber-physical Systems, CPS), wie Smart Grid, Smart Health und Smart Transportation etc. Solche CPS analysieren ihre Umgebung und erkennen auf Grundlage ihrer Beobachtungen Muster und Zusammenhänge, müssen also extrem lern- und anpassungsfähig sein. Seit Maschinen in der Lage sind, sich Zusammenhänge zu erschließen und Neues zu erlernen, werden immer mehr solcher intelligenten Systeme auch im Fertigungsprozess eingesetzt, besonders bei der Zustandsüberwachung, Bildverarbeitung oder Predictive Maintenance. Die Fertigung auf Grundlage vorhandener Daten zu optimieren, ist eines der Kernziele von I4.0. Deep Learning eignet sich hier ideal zur automatisierten Analyse von Big Analog Data auf Basis intelligenter Algorithmen und spielt daher eine große Rolle für den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Smart Factory, also die intelligente Fabrik der Zukunft.

„Deep Learning eignet sich ideal zur automatisierten Analyse von Big Analog Data und spielt daher eine große Rolle für den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Smart Factory.“ -Rahman Jamal, National InstrumentsBild: National Instruments Germany GmbH

Wie kann Deep Learning dem Anwender helfen, Aufgaben besser zu lösen?

Jamal: In den Deep Learning zugrundeliegenden neuronalen Netzen setzt – ähnlich wie bei Kleinkindern – ein kognitiver Selbstlernprozess ein, in dem eigenständig sich wiederholende Merkmale, Strukturen, Muster und Zusammenhänge erkannt werden. Daraufhin werden Synapsen gebildet, auf deren Grundlage der Algorithmus lernt und Bilder verarbeitet. Daher ist bei I4.0 eine Maschine oder Fertigungsstraße in der Lage, eine Vielzahl verschiedener Variationen zu handhaben, auch dann, wenn sich die Umgebungsbedingungen ändern. Dies sorgt für eine zuverlässige Produktion ohne Qualitätsverlust. Durch die Cloud, die die Vernetzung der in einem Unternehmen weltweit eingesetzten Maschinen gestattet, ist es möglich, innerhalb kurzer Zeit eine große Menge an Daten zu generieren, die erforderlich sind, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Gerade für die Bildverarbeitung oder das Erkennen von Mustern in großen Mengen an Messdaten bieten neuronale Netze interessante Ansätze, die bisherige Konzepte nicht lösen konnten.

Cogito Instruments hat hierzu ein spannendes Produkt herausgebracht. Beim CI9120 handelt es sich um ein C-Serien-Modul für die NI-Plattform CompactRIO. Es enthält 1.024 Neuronen, die dem System die Fähigkeit verleihen, bis zu 1.024 Muster zu erlernen, zu erkennen und zu klassifizieren. Die Mustererkennung und -klassifizierung erfolgt innerhalb von 10µs. Eine API erlaubt es, Signale einer Kamera, eines Sensors oder über einen Host übertragene Daten innerhalb des CompactRIO-Systems zu erfassen sowie Erkennungsmerkmale zu extrahieren, die Daten in 256Byte große Vektoren umzuwandeln und diese an das CI9120 zu senden. Anhand von Referenzvektoren kann dem Neuron ein Vektor beigebracht werden, dem der Anwender eine Kategorie zuweist. So weiß das Neuron, was es lernen soll. Mit Erlernen eines jeden neuen Vektors vertiefen die Neuronen automatisch ihr Wissen. Das Modul antwortet, ob es den Vektor erkannt hat oder nicht. Falls ja, wird es die damit verbundene Kategorie (Klasse) des Vektors ausgeben. In manchen Fällen, wenn mehrere Kategorien infrage kämen, wird gemeldet, dass es unklar ist, ob ein Vektor wiedererkannt wurde. In diesem Fall lässt sich überprüfen, wie viele Neuronen im Erkennungsprozess einer jeden Kategorie beteiligt waren und es kann eine Messung mit Distanz für jedes Neuron durchgeführt werden, wodurch sich herausfinden lässt, welches das aussagekräftigste Ergebnis ist. Dies gestattet eine Verfeinerung der entsprechenden Kriterien, wobei der Lernprozess noch während der Ausführung stattfindet. Ist die Lernphase abgeschlossen und erkennt das System alle übertragenen Vektoren, kann das interne Wissen auf andere Systeme übertragen und somit repliziert werden.

„Die Komplexität einer IIoT-Anwendung sowie die Vernetzung solcher Applikationen führt zu einer Unmenge von Daten und schreit regelrecht nach Deep-Learning-Methoden.“ Bild: National Instruments Germany GmbH

Welche bisher unlösbaren Aufgaben lassen sich mit Deep Learning lösen?

Jamal: Zum einen kann die sehr schnelle Erkennung von Mustern realisiert werden. Zum anderen lassen sich aber auch das Charakterisieren bewerkstelligen sowie Trends erahnen, selbst dann, wenn das Muster nicht 1:1 eingelernt wurde. Vor allem für den Bereich der Bilderkennung, insbesondere für Big Data in komplexeren intelligenteren Routinen zur Entscheidungsfindung, ist Deep Learning interessant. Im Umfeld der Automatisierung ist Deep Learning besonders dort nützlich, wo Prozesse effektiver verlaufen als ursprünglich geplant oder nicht exakt vorherzusehen sind. Zudem ermöglicht es Anlagen und Robotern, eigenständig fundierte Entscheidungen zu fällen. Dabei gilt es nicht nur, eine solche zu treffen, sondern im Anschluss auch ein Ergebnis zu präsentieren. Im Bereich der industriellen Bildverarbeitung ist es z.B. erforderlich, dass ein System nicht nur eine gut/schlecht-Entscheidung trifft. Es muss ein Bild nicht nur verifizieren, sondern auch das Gesehene verarbeiten und daraufhin intelligente Schritte in die Wege leiten. Dies erfordert eine stetige Erfassung und Auswertung von Daten, ohne die ein solch eigenständiges und zuverlässiges Handeln des Systems nicht möglich wäre. Dadurch wird der gesamte Fertigungsprozess optimiert.

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