
Die i³-Control-Plattform soll eine aufeinander abgestimmte Gesamtlösung für industriespezifische Steuerungen bilden – von der Engineering-Software über die Controller-Hardware bis hin zur integrierten Prozessortechnik. Und mit Blick auf den dazugehörigen App-Store auch perspektivisch darüber hinaus. „Seit der Akquisition von Vipa 2013 haben wir versucht, die bestehende Automatisierungslandschaft von Yaskawa bestmöglich zu integrieren“, erklärt John Glorieus, Projektleiter i³ Control. Die neue Plattform sei der konsequent nächste Schritt in diese Richtung.
Bei den Überlegungen für eine neue Steuerungsgeneration stieß das Unternehmen auf PLCnext. Mit diesem Framework, konkret gesagt, der Kombination aus offener Steuerungstechnik und modularen Engineering-Tools, will Initiator Phoenix Contact den Nutzern einfache Adaptionen an sich ändernde Anforderungen ermöglichen. Zudem liegt der Fokus auf einer effizienten Nutzung von bereits existierenden und zukünftigen Software- und IoT-Funktionen. „Dieser Ansatz hat uns gut gefallen“, sagt Glorieus. 2017 startete man in eine Testphase „Die große Frage war: In wie weit lassen sich unsere hohen Motion-Ansprüche an Genauigkeit und Gleichlauf mit PLCnext umsetzen?“

Passende Voraussetzungen
Die Tests waren erfolgreich. Zudem fand Yaskawa die Offenheit des Frameworks, die unterschiedlichen Programmiersprachen sowie das Angebot an Safety- und Security-Funktionen attraktiv. Entsprechend entschloss man sich dazu, PLCnext als Unterbau zu nutzen, um das eigene Angebot an Maschinensteuerungen weiter auszubauen und fortzuentwickeln. 2020 wurde die PLCnext-Laufzeitumgebung lizenziert und eine gemeinsame Weiterentwicklung mit Phoenix Contact vereinbart. Die Hardware behält Yaskawa allerdings in der eigenen Hand. Auch die Motion-Control-Engine sowie Funktionsbausteine werden weiterhin komplett eigenständig entwickelt.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Über die Triton-ASICs des Tochterunternehmens Profichip, beherrscht Yaskawa bei seiner neuen Steuerungsplattform sogar die Prozessor-Basis vollständig. Die Halbleiter-Bausteine wurden exakt auf anspruchsvolle Motion-Abläufen ausgerichtet und bilden das Herzstück der neuen i³-Controller – mit Multikern-Prozessor, industrieller GBit-Ethernet-Kommunikation und einem schnellen Rückwandbus.
Echtzeit mit Ethercat
Mit Blick auf Steuerungstechnik und Motion setzt Yaskawa zwar auf PLCnext auf, hat die Eigenschaften des Framework aber nicht unverändert gelassen. „Bestimmte Aspekte, z.B. Profinet als Kommunikationsprotokoll, wollten wir nicht übernehmen“, betont Glorieus. Stattdessen fiel die Entscheidung auf Ethercat. „Wenn man Highend-Motion mit harter Echtzeit realisieren will, reicht Standard-Profinet nicht. Mit Ethercat ist es hingegen kein Problem.“ Zudem wollte Yaskawa auch das zugehörige Safety-Protokoll FsoE (Failsafe over Ethercat) nutzen. Beides wurde zusammen mit Phoenix Contact ermöglicht – laut Glorieus ein prägnanter Beleg, wie offen man im Partnernetzwerk von PLCnext untereinander arbeitet.
„Auf diese Weise konnten wir unsere eigene Ethercat-Bewegungssteuerung implementieren, genauso wie unseren Motion-Kernel sowie unsere Funktionsbaustein- und Roboter-Bibliotheken“, führt der Projektleiter weiter aus. „Als Basis bietet das Software Framework eine Vielzahl an Vorteilen – von der IT- und IoT-Anbindung, über die Sicherheits-Features bis hin zu den integrierten Schnittstellen oder die Nutzungsmöglichkeiten von KI.“ Das habe es im SPS-Umfeld bisher nicht gegeben. „Jetzt können wir sozusagen auf dieser Welle mitsurfen und uns gleichzeitig komplett auf unsere Kernkompetenz – also die Bewegungssteuerung – konzentrieren.
Plattform auf vier Säulen
Die Steuerungshardware bildet das Herzstück der neuen Automatisierungsgeneration von Yaskawa. Mit dem Modell iC9212M-EC ist auch bereits ein Controller verfügbar. Um die i³-Plattform durchgängig zu machen, bedarf es aber weiterer Säulen. Die zweite tragende Rolle übernimmt das Entwicklungs-Tool i³ Engineer, das Yaskawa spezifisch auf die Bedürfnisse seiner Kunden zugeschnitten hat – etwa auf Offenheit, Flexibilität und Skalierbarkeit. „Mit dem Linux-basierten Betriebssystem als Grundlage rennen wir beim Anwender offene Türen ein“, unterstreicht Glorieus den Trend in der Branche zu Linux. „IEC61131-3-Programmiersprachen und PLCopen-Funktionsblöcke werden ebenso unterstützt wie die Skriptsprachen C#, C++, Python oder Matlab Simulink.“ Dadurch könne jeder Anwender die Applikationsentwicklung so gestalten, wie es am besten passt. Zudem ist die Engineering Software auf den Leistungsumfang der Yaskawa-Komponenten ausgelegt. Sie führt den Anwender unkompliziert zu einer geeigneten Lösung, ohne dass er die entsprechenden Produkte im Detail kennen muss.
Die dritte Säule, i³ Kinematics, vereint alle Features, die für die Ansteuerung von Robotern nötig sind – egal ob Deltaroboter, Gantry oder Motoman-Sechsachser. „Last but not least schaffen wir mit dem eigenen App-Store eine zeitgemäße Möglichkeit, unser Leistungs- und Funktionsspektrum skalierbar bzw. kunden- und applikationsspezifisch anzubieten“, so Glorieus. Durch ein entsprechendes Lizenzmodell soll der Anwender nur für die Features bezahlen, die er auch wirklich benötigt. Ziel ist es, den App-Store bereits im Sommer zur Verfügung zu stellen. Der Umfang an Funktionen und Bausteinen soll dann sukzessive ausgebaut werden – nicht nur was die Motion direkt angeht, sondern auch in Richtung Predictive Maintenance, Cloud, Analytics oder KI. „Wir bauen hier eine Yaskawa-eigene App-Welt auf, die die gleiche Leistung, Qualität und Zuverlässigkeit bietet, wie es unsere Kunden bisher von uns gewohnt sind“, versichert Glorieus. Hier lasse der japanische Background des Unternehmen keinen Spielraum für Kompromisse.
Rollout und Roadmap
Nachdem die Entwicklungsarbeit größtenteils bereits abgeschlossen ist, geht es für Yaskawa jetzt mit großen Schritten in den Markt. Die ersten Elemente der neuen Plattform – der i³ Engineer sowie die Maschinensteuerung iC9212M-EC für bis zu 16 Achsen – sind seit März auf dem Markt verfügbar. Auch die Serienproduktion ist parallel angelaufen. „Dass wir bereit sind für die Praxis, belegt nicht nur der einwandfrei laufende Teststand mit 64 synchronen Achsen“, führt der Projektmanager weiter aus. „Auch verschiedene Pilotanwender bestätigen bereits, wie gut die neue Automatisierungsplattform funktioniert.“ Eine passende Safety-Options-Karte mit insgesamt 16 Sicherheitsfunktionen wurde ebenfalls schon präsentiert. Die dazu gehörige TÜV-Zertifzierung soll im Frühsommer abgeschlossen sein.
i³ Control soll nun schrittweise zu einem umfassenden Gesamtsystem für Steuerung und Automatisierung ausgebaut werden. So will Yaskawa die Plattform im nächsten Schritt um die bereits in der MPiec-Maschinensteuerung vorhandenen Motion-Control-Funktionen und Robotik-Features erweitern. Die nächst größere Steuerungsvariante für bis zu 64 Achsen ist auch schon in Vorbereitung. Mittelfristig will Yaskawa dem Maschinenbauer eine durchgängige Plattform an die Hand geben, über die er auf sämtliche Aufgaben – von SPS-Programmierung und Motion Control über Safety bis zur Robotersteuerung – in der gleichen Umgebung zugreifen kann.
Yaskawa als europäischer Player
In der i³-Plattform sieht Yaskawa eine vielversprechende Chance, sich mit den ganz Großen im Automatisierungsmarkt zu messen. „Wir positionieren uns damit komplett auf Augenhöhe der anderen europäischen Anbietern“, nennt John Glorieus die Voraussetzung für das gesetzte Ziel, Marktanteile in Europa zu gewinnen. Auch mit Blick auf die großen Bemühungen, die Yaskawa treibt, um im hiesigen Markt noch stärker als lokaler Anbieter wahrgenommen zu werden, biete i³ eine sehr gute Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lasse.