Interview mit dem neuen Asem-Geschäftsführer Greg Nicoloso

„Die Agilität ist das zentrale Alleinstellungsmerkmal „

Seit rund einem Jahr bringt Asem als Teil von Rockwell Automation sein Knowhow und Portfolio an IPC-Technik in die Unternehmensgruppe ein. Im März hat Greg Nicoloso als neuer CEO das Ruder übernommen. Das SPS-MAGAZIN hat sich mit ihm über die USPs des Unternehmens als IPC-Anbieter unterhalten, über die neuen Möglichkeiten durch die Akquisition sowie über die Zukunft der Marke Asem.

Herr Nicoloso, als europäischer Anbieter von IPCs ist Asem in einem stark umkämpften Markt tätig. Wie schafft es ihr Unternehmen, sich dort zu behaupten?

Greg Nicoloso: Asem ist schon seit 1979 Anbieter von IPC-Lösungen, also ein Player mit außergewöhnlicher Erfahrung. Was den Erfolg von Asem von Beginn an ausgemacht hat, ist die Agilität, mit der man auf sich ändernde Technologietrends oder Marktanforderungen reagiert hat. Dafür ist das Unternehmen auf dem Markt bekannt. Und obwohl ich erst seit Ende März bei Asem bin, kenne auch ich dieses Charakteristikum schon seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten.

Welche Rolle spielte diese Eigenschaft für die Übernahme durch Rockwell Automation?

Die Agilität ist das zentrale Alleinstellungsmerkmal von Asem. Diese Eigenschaft auch unter dem neuen Dach von Rockwell Automation zu nutzen, war ein wichtiger Aspekt bei der Akquisition. Die Marktbegleiter im IPC-Bereich sind zwar oft deutlich größer und global aufgestellte Player. Sie können aber längst nicht so schnell agieren und reagieren wie Asem. Ein weiterer wichtiger Grund für die Übernahme ist die hohe Wertschöpfungstiefe an unserem Standort in Artegna. Sie reicht von Entwicklung und Design über die Bestückung der Leiterplatten auf unseren SMT-Linien bis hin zur Endmontage, Test und kundenspezifischer Veredelung. Asem hat also die komplette Kontrolle über den Entstehungsprozess im eigenen Haus. Mit dieser Kombination aus Flexibilität und Qualität, können wir uns sehr gut auf dem Markt positionieren und vom Wettbewerb abheben.

Und so grenzt sich Asem auch gegenüber den IPC-Playern aus dem asiatischen Raum ab?

Richtig. Allerdings differenzieren wir uns auf dem Markt von Haus aus nicht über den Preis – so wie viele asiatische Wettbewerber. Das zweite zentrale Unterscheidungsmerkmal gegenüber solchen Anbietern ist unser Angebot an kundenspezifischen Adaptionen und Erweiterungen. Im Ergebnis ist das Produktspektrum von Asem sehr vielseitig und von kleinen bis mittleren Stückzahlen geprägt.

Lässt diese Ausrichtung einen Fokus auf bestimmte Kundengruppen zu?

Nein, nicht wirklich. Wir haben Kunden, die mehrere tausend Industrierechner im Jahr benötigen. Andere bestellen wiederum nur zehn oder zwanzig Stück. Beiden begegnen wir mit den besagten Kernkompetenzen – Agilität, Flexibilität und Qualität – und liefern passend abgestimmte oder komplett kundenspezifische Lösungen. Das ist aber gar nicht so einfach.

Wie meinen Sie das?

Nun ja, wenn man alleine bedenkt, wie viele Schnittstellenoptionen wir bei unseren Industrie- und Panel-PCs anbieten, ergibt sich eine gewaltige Variantenvielfalt, die man auch managen können muss. Asem hat sich genau darauf spezialisiert – und zwar nicht nur auf Seite der Hardware, sondern auch bei Software und Visualisierung. Diese Maßschneiderei setzt viel Arbeit hinter den Kulissen voraus, ist aber ein Garant für unseren Erfolg auf dem Markt.

Wie wird Asem innerhalb des Rockwell-Automation-Verbunds positioniert?

Asem ist sicherlich künftig ein Kompetenzzentrum für IPC-Technik innerhalb der Rockwell-Gruppe. Es wäre sogar denkbar, Asem zum Excellence-Center für die komplette Visualisierung zu machen – hard- und softwareseitig.

Aber die Konzernmutter bewegt sich ja normalerweise in ganz anderen Größenordnungen.

Das ist richtig. Deshalb muss man hier genau hinsehen: Wenn große Player Mittelständler übernehmen, geschieht das normalerweise aus zwei Gründen: Entweder ist es finanziell extrem lukrativ, oder man räumt einen unliebsamen Wettbewerber aus dem Weg. Beides war nicht der Fall. Obwohl Asem ein gesundes, finanziell gut aufgestelltes Unternehmen ist, wird es vorerst keinen signifikanten Beitrag zu Rockwells 7Mrd.USD-Jahresumsatz beitragen können. Zudem gab es auch keine Wettbewerbssituation. Der zentrale Grund für die Akquisition findet sich ausschließlich im Angebot von Asem. Es erweitert das Portfolio des Automatisierungskonzerns in einem speziellen, aber strategisch sehr attraktiven Bereich. Denn mit der Akquisition macht Rockwell IPC-Technik zu einer Kernkompetenz im eigenen Haus. Dementsprechend öffnen sich jetzt ganz neue Möglichkeiten – für beide Seiten.

Welche sind es für Asem?

Für Asem bietet die weltweite Aufstellung der Unternehmensgruppe die Chance zu exponentiellem Wachstum. Werden Asem-Lösungen über die globale Aufstellung von Rockwell in Anwendungen und Märkte skaliert, wäre es durchaus vorstellbar, den Umsatz von Asem schon in den nächsten Jahren zu verzehnfachen. Unsere konkreten Ziele sind zwar nicht ganz so hoch, aber auch sehr ambitioniert.

Rockwell Automation verfügt über ein ausgesprochen breites Softwareportfolio. Sollen darin auch die Asem-Tools aufgehen, z.B. Uniqo oder Ubiquity?

Der Fokus bei der Akquisition lag im ersten Schritt auf der Hardware von Asem. Erst im zweiten Schritt wurde sichtbar, welcher Edelstein – in Form der genannten Applikationssoftware – jetzt auch das Visualisierungsangebot von Rockwell bereichert. In der Folge skizzieren wir gemeinsam, wie die nächste Generation von Uniqo und Ubiquity aussehen muss, damit sie künftig plattformübergreifend auf Rockwell- und Asem-Lösungen laufen kann. Trotz der Integration in das Portfolio der Muttergesellschaft und die entsprechende Adaption, bleibt Asem aber für die konkrete Ausgestaltung und Weiterentwicklung zuständig. Eine sehr spannende Aufgabe für mich und mein Team.

Was wird mit der Marke Asem passieren?

Die Marke Asem bleibt bestehen, da bin ich mir sicher. Schließlich werden mit diesem Namen – quasi als Qualitätsversprechen – auch die zentralen Eigenschaften unserer IPCs verbunden. Als Marktführer in Italien sowieso, aber auch darüber hinaus. Damit verbunden, bietet sich für Rockwell Automation mit seinem restlichen Portfolio ein weiterer, attraktiver Zugang zu den europäischen Märkten. Mittelfristig wird bei der Marke Asem aber sicherlich klar erkennbar sein, zu welchem Unternehmen sie gehört.

Wie groß ist der Anteil der Asem-Produkte, die künftig unter dem Allen-Bradley-Label auf den Markt kommen?

Aktuell, also ein Jahr nach der Übernahme, sind es rund 12 Prozent. Über die kommenden Jahre werden wir das Spektrum an gelabelten Geräten stufenweise erhöhen, bis zu einem Anteil von 60 Prozent. Dieser Plan unterstreicht unsere Wachstumsambitionen, denn wir werden unter der Marke Asem ja nicht weniger IPCs verkaufen, als bisher.

Welche Voraussetzungen müssen dafür auf Produktionsseite geschaffen werden?

Heute verfügt Asem bereits über eine Produktionskapazität, die es erlaubt, den Umsatz zu verdoppeln. Hier versuchen wir natürlich noch weiter zu optimieren, was bei dem Fokus auf viele kleine Losgrößen nicht ganz einfach ist. Deshalb wollen wir stärker automatisieren und Kunden auch mit individuellen Lösungen in größeren Stückzahlen beliefern. Parallel dazu müssen wir auch hier in Artegna weiter expandieren – das Firmengelände bietet letztlich die Möglichkeit für eine weitere Verdopplung der Büro- und Fertigungsflächen. Mittelfristig wird es aber sicherlich auch einen zweiten Produktionsstandort geben.

Wie stellen Sie sicher, dass Asem bei diesen Veränderungen seinen Fokus auf Agilität behalten kann?

Das wird sicherlich nicht ganz einfach. Schließlich war das Unternehmen 40 Jahre lang inhabergeführt, mit ausgesprochen flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Nichts desto trotz ist es mein persönliches Ziel, den Spirit im Team von Asem und unsere Flexibilität weitestmöglich zu erhalten – und auch das damit verbundene Qualitätsversprechen für unsere Kunden. Entsprechend bedacht und vorsichtig passe ich die Organisation sowie die Strukturen von Asem Schritt für Schritt an die neue Situation an.

Bei vielen Übernahmen dieser Größenverhältnisse verliert das kleine Unternehmen seine Entscheidungsgewalt. Wird Asem mittelfristig im Konzernverbund eigenständig wahrnehmbar bleiben?

Rockwell Automation ist an dieser Stelle sehr umsichtig. Es ist ein großes Anliegen, dass sich Asem seine Agilität und seine vielseitige Kundenstruktur weiterhin erhält. Natürlich gibt es verschiedene Stufen, um Asem in den Konzernverbund und seine Prozesse zu integrieren. Aber dabei soll möglichst viel der DNA erhalten bleiben, die den Erfolg als mittelständisches Unternehmen bisher ausgemacht hat. Aber auch wenn Asem aufgrund seiner Kernkompetenzen und des Portfolios übernommen wurde, rechnet der Konzern mit einem Return on Invest. Asem muss also weiterhin profitabel sein und wachsen. Ziel ist es, den Umsatz in den kommenden zwei Jahren zu verdoppeln. Und das werden wir, mit der Power von Rockwell im Rücken, auch schaffen.

Wie Sie bereits erwähnt haben, versteht sich Asem in Italien als Marktführer im Bereich der IPC-Lösungen. Wie sind Sie in anderen Ländern positioniert? Und wo soll die Reise hingehen?

Asem kann in seinem Heimatmarkt Italien durchaus noch weiterhin wachsen. Das meiste Potenzial sehen wir aktuell aber in Deutschland. Schließlich handelt es sich nach wie vor um den größten Maschinenbaumarkt in Europa. Schon heute generiert Asem in Deutschland sehr gute Ergebnisse. Diesen Erfolg wollen wir jetzt aber noch stärker fokussieren und über die nächsten Jahre vervielfachen. Dafür werden wir vor Ort das Team rund um unseren General Manager DACH, Udo Richter, deutlich verstärken. Abseits von Deutschland gibt es verschiedene Länder, in denen Asem über Vertriebspartner oder Distributoren gut vertreten ist.

Welche sind das?

Hier sind etwa Frankreich, Spanien oder Indien zu nennen. Mit der neuen Rückendeckung – Rockwell Automation ist ja in 110 Ländern vertreten – wollen wir die Position in diesen Märkten verbessern und in vielen weiteren starten. Die gesamte Welt wird zu einer Bühne für uns. Ich sehe tolle Optionen in Europa, in Russland, in den asiatischen Märkten oder Südamerika. Und schließlich wird auch die Präsenz im US-amerikanischen Markt ein wichtiger Pfeiler für das geplante Wachstum von Asem sein.

Wie sehen Ihre persönlichen Ziele für den weiteren Weg von Asem und die Zukunft des Unternehmens aus, Herr Nicoloso?

Ich bin in der Region von Artegna aufgewachsen, habe aber in Amerika studiert und dort lange gearbeitet. Dadurch verstehe ich beide Welten, die jetzt aufeinander getroffen sind. Ich kannte den Asem-Inhaber persönlich und kenne natürlich auch den amerikanischen Automatisierungsplatzhirsch. Das ist nicht nur ein Vorteil für die weitere Integration des Unternehmens. Für mich persönlich bietet sich hier eine besondere Chance, zwei Handlungsstränge aus meinem Leben zusammenzuführen. Deshalb werde ich die Akquisition zum Erfolg für beide Seiten führen und Asem als Kompetenzzentrum für IPCs im Konzern etablieren. Die Roadmap dahin halte ich – auch bedingt durch die jüngsten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen – für ausgesprochen spannend.

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Roboter über die SPS programmieren

Die neue SRCI-Schnittstelle soll SPSen und Roboter-Controller verbinden, um Anwendern eine einfachere Programmierung von Robotikfunktionen im gewohnten SPS-Umfeld zu ermöglichen. Wie hoch wird ihr Potenzial eingeschätzt? Und hat SRCI das Zeug, sich wirklich im Markt zu etablieren? Eine Trendumfrage in der Schwesterzeitschrift ROBOTIK UND PRODUKTION hat Roboterhersteller und Automatisierer um ihre Einschätzung gebeten.

mehr lesen
Bild: Grenzebach
Bild: Grenzebach
Lernen beim Schweißen

Lernen beim Schweißen

Die Grenzebach Gruppe und Weidmüller arbeiten auf dem Gebiet der Datenanalyse und Predictive Maintenance zusammen. Schwerpunkt der Forschung ist die Zustands- und Qualitätsüberwachung der Rührreibschweißtechnologie. Eine individuell angepasste Analysesoftware von Weidmüller monitort dabei den Schweißvorgang und soll in Zukunft Anomalien des Schweißprozesses automatisch erkennen und erfassen.

mehr lesen
Bild: Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Bild: Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Blinde 
Flecken

Blinde Flecken

Erema ist Weltmarktführer in der Herstellung von Kunststoffrecyclinganlagen. Weltweit verarbeiten die rund 7.500 in Betrieb befindlichen Anlagen mehr als 20 Mio. Tonnen hochwertigem Granulat pro Jahr. Die Anlagen, Maschinen und Systemkomponenten benötigen dafür modernste Hard- und Softwarekonzepte, die den Recycling-Prozess auf ein neues Niveau bringen. Und da kommt Keba ins Spiel.

mehr lesen
Bild: Ing. Büro Roth GmbH
Bild: Ing. Büro Roth GmbH
KI und Siemens Industial Edge bei Krombacher

KI und Siemens Industial Edge bei Krombacher

Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind enorm und betreffen viele Bereiche unseres Lebens. Entsprechend sind die Erwartungen im industriellen Sektor ebenfalls sehr hoch. Gleichzeitig steigen nicht nur die Einsatzmöglichkeiten, sondern auch die Anzahl der umgesetzten Projekte. Das solche Lösungen sehr zuverlässig und flexibel eingesetzt werden können, zeigt eine Anwendung aus der Abfüllung der Krombacher Brauerei.

mehr lesen