Schäden durch elektrostatische Entladung vermeiden

Damit die SPS nicht der Schlag trifft

Man geht über den Teppich, die Luft ist trocken und beim Berühren der Türklinke bekommt man einen elektrischen Schlag. Was für den Menschen unangenehm, aber ungefährlich ist, kann Sensoren und elektronische Baugruppen komplett zerstören. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung kommt der elektrostatischen Entladung immer mehr Bedeutung zu. Ein Grund, sich mit der Entstehung, Lokalisierung und Beseitigung von Schwachstellen näher zu befassen.
Fehlt die Verbindung zwischen den beiden Rollenbahnen, dann fließt der Entladestrom über die Datenleitungen der Sensorik
Fehlt die Verbindung zwischen den beiden Rollenbahnen, dann fließt der Entladestrom über die Datenleitungen der Sensorik

Die Belastung einer SPS oder eines Sensors durch eine elektrostatische Entladung (Electrostatic Discharge, ESD) hat nur in seltenen Fällen einen sofort erkennbaren Ausfall zur Folge. Häufiger verbleiben die Defekte unerkannt in den Systemen. Bei einem späteren Ausfall lässt sich der Zusammenhang nicht mehr herstellen. Diese versteckten Fehler sind besonders unangenehm. In der Praxis können die Geräte noch einige Zeit lang gut funktionieren und sogar Funktionstests und Prüfungen bestehen. Nach und nach zeigen sie dann unbestimmte Fehlersymptome und versagen am Ende komplett. Es kommt durchaus vor, dass eine Anlage nach der Übergabe an den Kunden einige Monate einwandfrei läuft – und dann sporadisch unerklärliche Probleme auftreten, obwohl an der Anlagentechnik nichts verändert wurde.

Der Quicktester ESD-QT 16 signalisiert elektrostatische Entladungen visuell und akustisch.
Der Quicktester ESD-QT 16 signalisiert elektrostatische Entladungen visuell und akustisch.Bild: IVG Göhringer

Wie entstehen elektrostatische Entladungen?

Elektrostatische Ladungen entstehen durch die Reibung und anschließende mechanische Trennung zweier Materialien ohne oder mit nur geringer Leitfähigkeit. Man spricht hier auch von Reibungselektrizität oder dem triboelektrischen Effekt. Dadurch wird ein Elektronentransfer von einem Stoff zum anderen ausgelöst, was je nach Material zu positiver oder negativer Aufladung führt. Für die Höhe der Ladung ist die Temperatur, die Luft- und Oberflächenfeuchtigkeit sowie die Geschwindigkeit der Trennung ausschlaggebend. Je schneller die Trennung erfolgt, desto größer ist die entstehende Ladung. Beispiele sind:

  • Reibung verschiedener Materialen aneinander
  • Trennen von Folien, auch das Abziehen von Klebeband
  • Umfüllen von Flüssigkeiten und Schüttgütern
  • Mechanische Bearbeitung von Nichtleitern wie Glas, Gummi und Kunststoffen
  • Gehen auf Kunststoffböden

Kommt ein leitfähiges Material in die räumliche Nähe, erfolgt ein plötzlicher Ladungsausgleich, bei dem ein kurzer Strom fließt – die elektrostatische Entladung. Während Menschen die Entladung ab einer Spannung von 2.000V spüren, können elektrische Bauteile schon bei einer Spannungsdifferenz von 10V beschädigt werden.

Kunststoffe sind Isolatoren

Speziell schlecht leitende Kunststoffe können sich extrem aufladen. Besonders in der Produktion und Logistik, aber auch in vielen anderen Produktionsbereichen, nimmt der Einsatz von Kunststoffen zu, sei es als hergestelltes Produkt oder als Teil der Anlage. Es gibt zwar sehr viele verschiedene Kunststoffe, aber eines haben die meisten gemeinsam – sie sind nicht leitfähig und können sich statisch auf mehrere 10.000V aufladen. Gleichzeitig führt die fortschreitende Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 in produktions- und fördertechnischen Anlagen zu immer mehr elektronischen Baugruppen. Dazu kommt, dass die Sensoren und Geräte durch die zunehmende Miniaturisierung immer kleiner gebaut werden – und zudem immer dichter an das Geschehen rücken. „Bei der Betrachtung dieser Trends wird klar, dass man dem Thema ESD zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken muss“, sagt Hans-Ludwig Göhringer von IVG Göhringer. „Spätestens dann, wenn man aus unerklärlichen Gründen einen defekten Sensor oder eine kaputte Steuerung zum dritten Mal austauschen muss, drängt sich die Vermutung von elektrostatischen Ursachen auf.“

Beispiel Transportkiste

Auf einer Transportstrecke mit Kunststoffkisten sind immer wieder Sensoren ausgefallen. Bei der Untersuchung durch IVG Göhringer hat sich herausgestellt, dass die Reibung der Transportkisten im Kurvenbereich besonders groß war. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 20 Prozent wurde eine Spannungsdifferenz von bis zu 35.000V gemessen. Das liegt weit außerhalb der Prüfspannung für elektronische Baugruppen. Nachdem die Luftfeuchtigkeit auf 65 Prozent erhöht wurde, sank die Aufladung unter 1.500V. Die Entladung erfolgte über die nächste Rollenbahn. „Der Strom möchte an den Ort seiner Entstehung zurück“, so Göhringer. „Dazu nimmt er im wahrsten Sinne des Wortes den Weg des geringsten Widerstands.“ Das können Feldbusse, Datenleitungen von Sensoren und Kamerasystemen sein, in denen die Transceiver zerstört werden – oder es trifft über die Optik den elektronischen Bildwandler.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

I-V-G Göhringer

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Roboter über die SPS programmieren

Die neue SRCI-Schnittstelle soll SPSen und Roboter-Controller verbinden, um Anwendern eine einfachere Programmierung von Robotikfunktionen im gewohnten SPS-Umfeld zu ermöglichen. Wie hoch wird ihr Potenzial eingeschätzt? Und hat SRCI das Zeug, sich wirklich im Markt zu etablieren? Eine Trendumfrage in der Schwesterzeitschrift ROBOTIK UND PRODUKTION hat Roboterhersteller und Automatisierer um ihre Einschätzung gebeten.

mehr lesen
Bild: Grenzebach
Bild: Grenzebach
Lernen beim Schweißen

Lernen beim Schweißen

Die Grenzebach Gruppe und Weidmüller arbeiten auf dem Gebiet der Datenanalyse und Predictive Maintenance zusammen. Schwerpunkt der Forschung ist die Zustands- und Qualitätsüberwachung der Rührreibschweißtechnologie. Eine individuell angepasste Analysesoftware von Weidmüller monitort dabei den Schweißvorgang und soll in Zukunft Anomalien des Schweißprozesses automatisch erkennen und erfassen.

mehr lesen
Bild: Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Bild: Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Blinde 
Flecken

Blinde Flecken

Erema ist Weltmarktführer in der Herstellung von Kunststoffrecyclinganlagen. Weltweit verarbeiten die rund 7.500 in Betrieb befindlichen Anlagen mehr als 20 Mio. Tonnen hochwertigem Granulat pro Jahr. Die Anlagen, Maschinen und Systemkomponenten benötigen dafür modernste Hard- und Softwarekonzepte, die den Recycling-Prozess auf ein neues Niveau bringen. Und da kommt Keba ins Spiel.

mehr lesen
Bild: Ing. Büro Roth GmbH
Bild: Ing. Büro Roth GmbH
KI und Siemens Industial Edge bei Krombacher

KI und Siemens Industial Edge bei Krombacher

Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind enorm und betreffen viele Bereiche unseres Lebens. Entsprechend sind die Erwartungen im industriellen Sektor ebenfalls sehr hoch. Gleichzeitig steigen nicht nur die Einsatzmöglichkeiten, sondern auch die Anzahl der umgesetzten Projekte. Das solche Lösungen sehr zuverlässig und flexibel eingesetzt werden können, zeigt eine Anwendung aus der Abfüllung der Krombacher Brauerei.

mehr lesen