Die Belastung einer SPS oder eines Sensors durch eine elektrostatische Entladung (Electrostatic Discharge, ESD) hat nur in seltenen Fällen einen sofort erkennbaren Ausfall zur Folge. Häufiger verbleiben die Defekte unerkannt in den Systemen. Bei einem späteren Ausfall lässt sich der Zusammenhang nicht mehr herstellen. Diese versteckten Fehler sind besonders unangenehm. In der Praxis können die Geräte noch einige Zeit lang gut funktionieren und sogar Funktionstests und Prüfungen bestehen. Nach und nach zeigen sie dann unbestimmte Fehlersymptome und versagen am Ende komplett. Es kommt durchaus vor, dass eine Anlage nach der Übergabe an den Kunden einige Monate einwandfrei läuft – und dann sporadisch unerklärliche Probleme auftreten, obwohl an der Anlagentechnik nichts verändert wurde.
Wie entstehen elektrostatische Entladungen?
Elektrostatische Ladungen entstehen durch die Reibung und anschließende mechanische Trennung zweier Materialien ohne oder mit nur geringer Leitfähigkeit. Man spricht hier auch von Reibungselektrizität oder dem triboelektrischen Effekt. Dadurch wird ein Elektronentransfer von einem Stoff zum anderen ausgelöst, was je nach Material zu positiver oder negativer Aufladung führt. Für die Höhe der Ladung ist die Temperatur, die Luft- und Oberflächenfeuchtigkeit sowie die Geschwindigkeit der Trennung ausschlaggebend. Je schneller die Trennung erfolgt, desto größer ist die entstehende Ladung. Beispiele sind:
- Reibung verschiedener Materialen aneinander
- Trennen von Folien, auch das Abziehen von Klebeband
- Umfüllen von Flüssigkeiten und Schüttgütern
- Mechanische Bearbeitung von Nichtleitern wie Glas, Gummi und Kunststoffen
- Gehen auf Kunststoffböden
Kommt ein leitfähiges Material in die räumliche Nähe, erfolgt ein plötzlicher Ladungsausgleich, bei dem ein kurzer Strom fließt – die elektrostatische Entladung. Während Menschen die Entladung ab einer Spannung von 2.000V spüren, können elektrische Bauteile schon bei einer Spannungsdifferenz von 10V beschädigt werden.
Kunststoffe sind Isolatoren
Speziell schlecht leitende Kunststoffe können sich extrem aufladen. Besonders in der Produktion und Logistik, aber auch in vielen anderen Produktionsbereichen, nimmt der Einsatz von Kunststoffen zu, sei es als hergestelltes Produkt oder als Teil der Anlage. Es gibt zwar sehr viele verschiedene Kunststoffe, aber eines haben die meisten gemeinsam – sie sind nicht leitfähig und können sich statisch auf mehrere 10.000V aufladen. Gleichzeitig führt die fortschreitende Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 in produktions- und fördertechnischen Anlagen zu immer mehr elektronischen Baugruppen. Dazu kommt, dass die Sensoren und Geräte durch die zunehmende Miniaturisierung immer kleiner gebaut werden – und zudem immer dichter an das Geschehen rücken. „Bei der Betrachtung dieser Trends wird klar, dass man dem Thema ESD zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken muss“, sagt Hans-Ludwig Göhringer von IVG Göhringer. „Spätestens dann, wenn man aus unerklärlichen Gründen einen defekten Sensor oder eine kaputte Steuerung zum dritten Mal austauschen muss, drängt sich die Vermutung von elektrostatischen Ursachen auf.“
Beispiel Transportkiste
Auf einer Transportstrecke mit Kunststoffkisten sind immer wieder Sensoren ausgefallen. Bei der Untersuchung durch IVG Göhringer hat sich herausgestellt, dass die Reibung der Transportkisten im Kurvenbereich besonders groß war. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 20 Prozent wurde eine Spannungsdifferenz von bis zu 35.000V gemessen. Das liegt weit außerhalb der Prüfspannung für elektronische Baugruppen. Nachdem die Luftfeuchtigkeit auf 65 Prozent erhöht wurde, sank die Aufladung unter 1.500V. Die Entladung erfolgte über die nächste Rollenbahn. „Der Strom möchte an den Ort seiner Entstehung zurück“, so Göhringer. „Dazu nimmt er im wahrsten Sinne des Wortes den Weg des geringsten Widerstands.“ Das können Feldbusse, Datenleitungen von Sensoren und Kamerasystemen sein, in denen die Transceiver zerstört werden – oder es trifft über die Optik den elektronischen Bildwandler.