Programm-Software im TIA-Portal generieren

Automatisiert zum SPS-Code

Standardisierung und Modularisierung lauten die großen Zauberwörter in der Automatisierung. Für die Programmierung von S7-Steuerungen im TIA Portal bietet ein neues Tool die Lösung dafür im praktischen Einsatz. Code für SPSen lässt sich damit deutlich schneller und einfacher für die jeweilige Anwendung automatisiert erstellen. Das SPS-MAGAZIN hat mit einem Anwender über die Vorteile der Software gesprochen.
Der Prozess im Factory Automation Studio, wie Schäftlmaier ihn für die automatisierte SPS-Code-Erstellung vom Export aus Excel bis zum fertig generierten Projekt nutzt. Bild: Grollmus München GmbH

Das TIA Portal des europäischen Automatisierungsplatzhirsches Siemens hat sich seit dem Launch vor zwölf Jahren zu einer vielseitigen Engineering-Lösung entwickelt, die über die reine SPS-Programmierung weit hinausgeht. Doch wenn es um die standardisierte Erstellung und Nutzung von Bibliotheken und Funktionsbausteinen geht, wird es schnell sehr komplex. Dabei gilt es, dem Schlagwort der Modularisierung folgend, möglichst unkompliziert Standards im SPS-Engineering zu etablieren, um nicht bei jedem Projekt komplett neu anfangen zu müssen.

Genau hier setzt Grollmus mit seinem Factory Automation Studio an: Mit dieser Software kann der Anwender Funktionsbausteine im TIA Portal mit der Eingabe weniger Parameter exakt für die jeweilige Anwendung generieren lassen. Voraussetzung ist, dass bereits Bibliotheken in der Siemens-Software hinterlegt und als Standard im Factory Automation Studio mit den dazu passenden Verschaltungsregeln verknüpft werden. Auf diese Weise erhält der Anwender automatisiert ein maschinenspezifisches SPS-Programm. Sobald der Standard den Großteil der wiederkehrenden Maschinenfunktionen umfasst, lässt sich der Programmieraufwand laut Anbieter um ein Vielfaches reduzieren.

Einsatz in der Praxis

Ein Anwender, der das Factory Automation Studio bereits allumfassend nutzt, ist die Firma Schäftlmaier. Mit einer über 70-jährigen Historie ist das Unternehmen auf Automatisierungslösungen, Elektronikhardware sowie die dazugehörige SPS-Programmierung spezialisiert und verfügt über ein breites Branchenspektrum, das von der Prozessindustrie über den Lebensmittelbereich bis hin zum Sondermaschinenbau reicht.

„In der Regel bewegen wir uns dabei durchgängig in der Siemens-Welt“, erklärt Andreas Schnobrich, Software- und Automatisierungstechniker bei Schäftlmaier. Entsprechend habe man seit vielen Jahren umfangreiche Bibliotheken für das TIA Portal. Auch wenn der Umstieg auf das Engineering-Framework über längere Zeit lief. „Das TIA Portal erschien uns anfangs sehr komplex und unübersichtlich“, lässt Schnobrich durchblicken. „Man braucht einfach etwas, bis man rein kommt.“ Mittlerweile nutze man hingegen die moderne Funktionalität des TIA Portals sowie die Vorteile gegenüber dem Vorgängersystem vollumfänglich. „Doch schon lange war es unser Wunsch, die vielen händischen Eingaben und Prozessschritte in der Siemens-Software zu umgehen.“ Für dieses Ziel kam die Lösung von Grollmus gerade recht. Den Startschuss bildete ein Artikel im SPS-MAGAZIN 7/2021. „Als ich das gelesen habe, war mir gleich klar: Diese Lösung passt für uns ausgezeichnet“, so Schnobrich. „Wir hatten früher für Step7 ein ähnliches selbst programmiertes Tool. Deshalb konnte ich gut einschätzen, welche Vereinfachung das Factory Automation Studio bedeutet.“

Schnelle Umsetzung

„Man muss natürlich bereits über eine entsprechende Bibliothek im TIA Portal verfügen“, betont der Automatisierungstechniker. „Ohne die geht es nicht.“ Bei Schäftlmaier sei der Funktionsbaukasten schon über die letzten 20 Jahre gewachsen. Man hatte sogar schon in Zeiten von Simatic S5 begonnen, Bausteine zu schreiben. Weiter ging es über S7 zum TIA Portal. „So können wir heute aus einem breiten Funktionsspektrum für Automatisierungskomponenten schöpfen: von Motoren über Ventile bis hin zu Wegachsen“, so Schnobrich weiter. Und weil Schäftlmaier in vielen verschiedenen Branchen tätig ist, sei es immens wichtig, einen Standard zu schaffen, der für alle Bereiche passt. „Kurzum: Wir haben unsere SPS-Programme schon seit langem möglichst stark standardisiert.“

Um nun das Potenzial des Grollmus-Tools ausschöpfen zu können, mussten Schnobrich und sein Team die Bibliotheken für das Factory Automation Studio aufbereiten. „Das hat wunderbar funktioniert und der Aufwand war denkbar gering“, blickt Schnobrich zurück. Testweise habe man dann im ersten Schritt Projekte mit überschaubarer Dimension umgesetzt. „Mittlerweile haben wir alle TIA Portal Bibliotheken im Factory Automation Studio vorbereitet.“ Jetzt müssen im Grollmus-Tool nur noch die jeweiligen Komponenten und Paramater für die konkreten Projekte eingegeben werden. Das SPS-Programm wird anschließend vollautomatisch angelegt. Ein händisches Verschalten der Bausteine und das spezifische Anlegen von Datenbausteinen – so wie es bisher im TIA Portal nötig war – entfällt.

„Die Prozesse bei Schäftlmaier passten von vornherein ausgezeichnet zum Ansatz des Factory Automation Studio. Gerade weil die Standardisierung im TIA Portal schon recht weit war“, schildert David Löffler, Sales Consultant bei Grollmus, die Sicht des Softwareanbieters. „Anwender auf diesem Level merken sofort, wie groß der Hebel des Factory Automation Studio ist.“ Die Zusammenarbeit zwischen beiden Firmen bei der Einführung des Tools war eng. „Wir haben Grollmus damals einfach unsere Bibliothek geschickt und umgehend das passende Feedback erhalten“, erinnert sich Schnobrich. „Es brauchte eigentlich nur noch Typisierung und Versionierung. Dann war gleich klar, wie die logische Verschaltung im Factory Automation Studio funktioniert.“

 Für die Firma Geisberger hat Schäftlmaier eine Anlage automatisiert, die Futtermittel aus zwölf Silos individuell zusammenstellt.
Für die Firma Geisberger hat Schäftlmaier eine Anlage automatisiert, die Futtermittel aus zwölf Silos individuell zusammenstellt. Bild: Grollmus München GmbH

Erste Projekte

Im Mai hat Schäftlmaier das erste Großprojekt mit der Software in Angriff genommen – eine Anlage mit rund 250 Sensoren und 40 Wegachsen für ein Unternehmen aus der Baustoffindustrie. Konkret geht es um eine Entlade-Applikation, in der die Blöcke aus Porenbeton nach dem Sägen vereinzelt, sortiert und auf den jeweiligen Paletten gestapelt, verpackt und etikettiert werden. „In drei Tagen haben wir für alle Prozessschritte das komplette Grund-Programm erstellt“, erzählt Schnobrich. „Eine deutliche Zeitersparnis. Denn auf klassischem Wege hätte dieser Prozess zweieinhalb bis drei Wochen in Anspruch genommen. Das Automatik-Programm muss wie immer manuell erstellt werden.“

„In drei Tagen haben wir für alle Prozessschritte das komplette Grund-Programm erstellt.“ sagt Andreas Schnobrich, Schäftlmaier. Bild: Grollmus München GmbH

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