Digitalisierungsstrategien für den Maschinenbau

Ausprobieren statt abwarten!

An der Digitalisierung führt auch im Maschinen- und Betriebsmittelbau kein Weg vorbei. Doch um Produktionsprozesse und Arbeitsabläufe mit Hilfe der neuen Technologien effizienter zu gestalten, müssen sie ganzheitlich betrachtet werden. Das belegt eine neue Studie zu Digitalisierungstrends im Maschinenbau. Frank Piller, Professor an der RWTH Aachen, betont in diesem Kontext: Wer sich nicht traut, neue Prozesse zu definieren oder zu erfinden und Dinge auszuprobieren, wird langfristig vom Markt verschwinden.
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Welche Chancen digitale Arbeitsprozesse dem Maschinenbau eröffnen, ist vielen Verantwortlichen noch nicht bewusst. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sehen in der zunehmenden Digitalisierung eher eine Bedrohung als eine Chance auf eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Doch Welche Veränderungen sind überhaupt zu erwarten? Eine aktuelle Studie von Item benennt die bestehenden sowie künftigen Herausforderungen in der Branche und zeigt mögliche Lösungsansätze. Für die Studie wurde Informationsmaterial analysiert und eine Online-Befragung durchgeführt. Die Befragten sind in unterschiedlich großen Unternehmen tätig und besetzen Positionen in den Bereichen Geschäftsführung, Einkauf und Konstruktion. Darüber hinaus haben Experten Fragen zur Zukunft im Maschinenbau beantwortet und Einschätzungen zur weiteren Entwicklung der Digitalisierung gegeben.

Effiziente Arbeitsabläufe

Die Nutzung von 3D-Daten und CAD im Bereich Konstruktion ist mittlerweile selbstverständlich. Digitalisierung geht aber weit darüber hinaus: So ermöglicht eine Vernetzung von Konstrukteuren und deren Projekten eine Effizienzsteigerung und Prozessverbesserungen. Arbeitsabläufe sind weniger fehleranfällig, da Informationen verschiedenen Bereichen zur Verfügung stehen und damit die doppelte Eingabe von Daten entfällt. Möglich wird das z.B. durch den automatischen Import von Stücklisten oder CAM-Daten. Auch spezielle Konstruktions-Tools und Konfiguratoren sollen Arbeitsabläufe erleichtern und verbessern, indem sie Daten automatisch übertragen und komplexe Aufgaben vereinfachen. Standardaufgaben können schneller umgesetzt werden als in klassischen CAD-Umgebungen und wiederkehrende Tätigkeiten entfallen. Neben dem Zeitgewinn kann sich so eine Steigerung der Arbeitseffizienz ergeben. Darüber hinaus ist es möglich, einfache Konstruktionsaufgaben auf andere Mitarbeiter zu übertragen, um mehr Kapazität zu schaffen und die Konstrukteure in komplexe Aufgaben einzubinden.

Ausgliederung aufwändiger Aufgaben

Konstruktionsabteilungen sind in den letzten Jahren immer kleiner geworden oder wurden komplett aufgelöst. Durch die digitale Erfassung sind Daten jederzeit abrufbar und stehen mehreren Nutzern zur Verfügung. Damit erfolgt eine gute Einbindung externer Spezialisten zur Bewältigung zeitaufwändiger Konstruktionsaufgaben. Wichtig für eine bessere Arbeitsbewältigung sind geeignete Tools sowie umfassende Archive, aus denen Komponenten einer Konstruktion als fertig konfigurierte Einheit herangezogen werden können. Daneben gewinnt die Vernetzung von Mitarbeitern untereinander immer mehr an Bedeutung: Teamarbeit ist gefragt, auch häufig über Ländergrenzen hinweg. „Moderne Konstrukteure erweitern ihre Kompetenzen. Neue Jobprofile entstehen“, sagt Prof. Dr. Frank Piller, Professor für Technologie und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen. „Durch die zunehmende Verzahnung von Mechanik, Elektronik und IT werden Konstrukteure künftig zu Generalisten. Sie erledigen zusätzlich Koordinationsaufgaben und nehmen in einzelnen Bereichen die Rolle eines Projektmanagers ein. Digitalisierung kann dazu beitragen, andere Abteilungen und Bereiche wie Produktion und Aftersales-Service in den Arbeitsablauf von Konstrukteuren zu integrieren.“

Eigeninitiative der Unternehmen

Für die gute Bearbeitung und Umsetzung von Konstruktionsprojekten reicht es nicht aus, Daten jederzeit und bereichsübergreifend zur Verfügung zu stellen: Die Informationen müssen richtig interpretiert und verwendet werden. „Mitarbeiter sind aufgefordert, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wofür Daten und Algorithmen genutzt werden können“, führt Piller weiter aus. „Dazu muss ein mentaler Wandel stattfinden. Ist die Digitalisierung im privaten Bereich schon weit fortgeschritten, so gibt es im beruflichen Umfeld noch Aufholbedarf.“ Hier ist Eigeninitiative der Unternehmen gefragt. Während Berufseinsteiger häufig keine Berührungsängste in Bezug auf Digitalisierungsstrategien haben, müssen die Bedenken der übrigen Mitarbeiter im Unternehmen durch geeignete Workshops und Schulungen abgebaut werden. Die Änderung gelebter Prozesse ist meist mit der Einführung neuer Soft- und Hardware verbunden. Erhalten die Mitarbeiter dabei ausreichend Unterstützung, führt das zu mehr Akzeptanz. Steigt mit der Digitalisierung die Vergleichbarkeit von Angeboten, so entstehen gleichzeitig anonyme Verbindungen zwischen Geschäftspartnern. Auch deshalb äußern knapp 90 Prozent der Studienteilnehmer Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung.

Neue Strategien umsetzen

Zwar sind bereits in einigen Unternehmen Ansätze für eine Digitalisierungsstrategie vorhanden, doch haben laut Umfrage nur 9,2 Prozent solche bereits umgesetzt. Die Kombination aus Branche, Unternehmensgröße und spezifischen Marktgegebenheiten scheint für standardisierter Transformationsprozesse zu individuell zu sein. „Der digitalisierte Maschinenbau führt zu Geschäftsmodellerneuerungen“, prognostiziert Piller. „Künftig entstehen z.B. neue Betreibermodelle. Dabei kauft der Kunde nur eine gewisse Laufzeit als Miete ein, die Maschine selbst bleibt aber Eigentum des Herstellers.“ Durch die permanente Verfügbarkeit der Daten ist eine vorausschauende Wartung möglich. Service-Einsätze sind dadurch besser planbar, Maschinenanomalien fallen frühzeitig auf und Stillstandszeiten werden deutlich reduziert.

Lösungen testen

Digitalisierung ist kein Selbstläufer, sondern erfordert eine bewusste strategische Unternehmensentscheidung. „Um smarte Lösungen für die Zukunft zu finden, muss sich eine Kultur des Ausprobierens etablieren“, fordert Piller. Über Plattformen, wie Adamos, können Maschinenbauern ihren Kunden mit geringem Aufwand erprobte Lösungen für die digital vernetzte Produktion anbieten. Ein Vorteil: Die Lösungen und entsprechenden Services stehen allen Beteiligten zentral zur Verfügung. In Verbänden findet zudem vorwettbewerbliche Forschung statt. Gemeinsam entwickeln die Adamos-Mitglieder ein Grundkonzept, das jedes Unternehmen anschließend für sich nutzt und individuell erweitert. So werden Synergien genutzt. Die Unternehmen vernetzen sich mit passenden Kooperationspartnern und steigern so ihre Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem für KMU bieten sich dabei aufgrund ihrer Strukturen und flachen Hierarchien hohe Chancen. Geschäftsführer sollten frühzeitig technikaffine Mitarbeiter als zentrale Schnittstelle an das Unternehmen binden. Denn bei allen Prozessen und Veränderungen muss der Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. „Im Zeitalter von Industrie 4.0 sollte Ausprobieren ausdrücklich erwünscht sein“, so Piller, „denn falscher Respekt vor Digitalisierung bringt keine Ergebnisse.“

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