Umweltschonende Transformation

Aus Alt mach Neu!

Die Blechwarenfabrik Limburg macht über 25.000t Weißblech zu Eimern, Flaschen, Kanistern und Dosen. Am neuen Standort außerhalb der Stadt wurde auf grüner Wiese eine neue Produktionsstätte geplant und realisiert. Spezielle gestalterische Freiräume machten es möglich, dass nun deutlich effizienter und ressourcenschonender produziert werden kann.

Der alte Standort der Blechwarenfabrik in der Limburger Innenstadt war durch die umliegende Bebauung räumlich stark begrenzt. Dadurch wuchsen mit der Zeit Strukturen, welche zu langen Wegen zwischen den einzelnen Produktionsschritten der Produkte führten. Diese Situation kennen die meisten Industrieunternehmen, da stetig Prozessverbesserungen und neue Produkte mit neuen Anforderungen entstehen, die in existierende Fertigungsumgebungen integriert werden müssen. Das verlangsamt oft die Prozesse. Um diese eingetretenen Pfade verlassen zu können, bedarf es disruptiver Veränderungen. Wie kann jedoch neben Maschinen und Abläufen auch das intellektuelle Kapital aus Mitarbeitenden, Beziehungen und Strukturen in eine digitalisierte Welt überführt werden, ohne wichtige Informationen beim Transfer zu verlieren? Wie können zudem verlässlich die Qualität aufrechterhalten und gleichzeitig die Umwelt geschont werden? Um möglichst viele Mitarbeiter halten zu können, entschied man sich für einen Standort nahe der alten Fabrik. Hier sollte das gemeinsame Miteinander verbessert werden. Etwa wurde statt einzelner Essensbereiche für jede Abteilung ein gemeinsamer Campus errichtet. Er fördert den Austausch auf dem kurzen Dienstweg und trägt gemeinsam mit der flachen Hierarchie sowie einem zentralen digitalen Steuerungssystem zu effizienten Gesprächen bei.

Robuste Maschinen, neue Technik

Nach dem Umzug wurden die Vorteile zweier technischer Generationen miteinander verbunden. Viele der Bestandsmaschinen des alten Standorts wurden mithilfe moderner Sensorik und Vision-Lösungen nachgerüstet. So konnten sie in das MES sowie in ein Business-Intelligence-System (BI) eingebunden werden. Die Kombination aus alt und neu führte dazu, dass die alten Maschinen aufgrund ihrer Robustheit insgesamt weniger ausfallen und bevorstehende Ausfälle aufgrund intelligenter Sensorik rechtzeitig erkannt werden. „Solche robusten Maschinen werden heute leider gar nicht mehr hergestellt“, sagt Geschäftsführer Hugo Trappmann. Oft waren die einzelnen Komponenten untereinander nicht kompatibel oder erfüllten in der Vorkonfiguration nicht den gewünschten Zweck. So war es etwa häufig nicht möglich, Sensordaten in standardisierter Weise aus den Produktionsmaschinen auszulesen und in ein Überwachungs- und Predictive-Maintenance-System einzuspeisen. Die betriebsinterne Anpassung zugekaufter Systeme sowie die eigene Programmierung neuer Software waren daher zentraler Bestandteil für die Konfiguration der Produktionsmaschinen am neuen Standort der Blechwarenfabrik. Die Identifikation und Programmierung der entsprechenden Schnittstellen zur Einbindung in das MES stellten einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand dar, amortisierten sich aber in kurzer Zeit. Durch die hohe Eigenleistung wurde die Maschinenverfügbarkeit verbessert und dadurch die Overall Equipment Efficiency (OEE) erhöht. Das hat auch positive Auswirkungen auf die Ressourceneffizienz. Durch eine geringere Anzahl an Maschinenausfällen wird weniger Ausschuss produziert und somit werden auch natürliche Ressourcen geschont. Eine frühzeitige Erkennung fehlerhafter Produkte wird z.B. durch eine 100-prozentige Druckprüfung ermöglicht. Bei dieser werden schadhafte Bauteile durch Nutzung kameragestützter Bilderkennung aussortiert. So wird die Verschwendung von Ressourcen für die Weiterverarbeitung defekter Vorprodukte vermieden.

Maßnahmen für Nachhaltigkeit

Neben der Digitalisierung der Produktion wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um nachhaltiger und ressourcenschonender zu produzieren: eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die rund ein Drittel des fabrikeigenen Strombedarfs deckt, eine intelligente Lagerhaltung, welche temporär überschüssige Energie aus der Photovoltaik nutzt, um die Sortierung eingelagerter Waren zu verbessern oder die Nutzung der Abwärme aus der Produktion zum Kühlen und Heizen der gesamten Produktion sowie der angrenzenden Büroräume. „Ein zusätzlicher Vorteil in der Nutzung von Prozesswärme zum Heizen aller Gebäude liegt darin, dass ein Stillstand des Betriebs im Winter die Mitarbeiter motiviert, die Fehlerquelle schnell zu identifizieren und zu beheben“, sagt Trappmann scherzhaft. Bisher kam es jedoch nie zu solch einem Vorfall. Die umweltschonenden technologischen Maßnahmen am neuen Standort wurden im Oktober durch die Verleihung des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gewürdigt.

Stete Wissenserweiterung

Neben dem MES und dem BI werden eine Vielzahl weiterer digitaler Systeme eingesetzt, um die Blechwarenfabrik zu steuern. Sie alle sind zentral im Intranet aufrufbar. Was als effizienter Weg für den Informationsaustausch gedacht war, zeigte noch einen ganz anderen Vorteil: So gelang es auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie, effizient aktuelle produktionsspezifische Themen zu besprechen, ohne sich einer gegenseitigen Ansteckungsgefahr auszusetzen. Alle aktuellen Themen und Inhalte der einzelnen Abteilungen werden in einem zentralen Steuerungssystem eingegeben, welches zur Kommunikation und Wissensspeicherung dient. Hier können auch Maschinendaten, Stillstandzeiten und Informationen aus dem MES und BI zentral eingesehen werden. Sollte es zu Maschinenproblemen oder Produktionsschwierigkeiten kommen, sind Mitarbeitende dazu angehalten, Vorkommnisse und die identifizierten Lösungen im Onlinesystem zu hinterlegen (Bottom-up-Approach). In gegenläufiger Richtung werden Mitarbeitende über die aktuelle Unternehmenssituation, Entscheidungen und Maßnahmen durch die Geschäftsleitung auf derselben Plattform informiert (Top-down-Approach). Die Inhalte sind für jeden einsehbar. Neben einer effizienten Kommunikation werden so Transparenz und Vertrauen geschaffen.

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