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Energieeffiziente Antriebstechnik

Was kommt nach IE4?

Nicht erst seit dem Trend zu Nachhaltigkeit wird in der Industrie über Effizienz diskutiert. Mit Blick auf die Antriebstechnik gibt es mit der Ökodesign-Richtlinie - mittlerweile Ökodesign-Verordnung - ein Rahmenwerk für die Mindestansprüche beim Energieverbrauch. Doch es kommen aktuell immer mehr Motoren und Antriebslösungen auf den Markt, die in Sachen Effizienz über die bisher höchste definierte Wirkungsgradklasse IE4 hinausgehen. Wann deren Einsatz Sinn macht und wie der Anwender den Überblick behalten kann, dazu hat das SPS-MAGAZIN bei den in Europa etablierten Antriebsanbietern nachgefragt. Während es im hier vorliegenden, ersten Teil dieser Umfrage um die technologische Entwicklung, die steigende Nachfrage sowie die Vergleichbarkeit der verschiedenen Konzepte auf dem Markt geht, zielt der zweite Umfrageteil im SPS-MAGAZIN 7/2025 auf die konkreten Angebote und die Ausweitung der Effizienzfrage auf den gesamten Antriebsstrang.

SPS-MAGAZIN: Wie stark werden Motoren, die in Sachen Effizienz über die Wirkungsgradklasse IE4 hinausgehen, von Ihren Kunden nachgefragt? Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Markt ein?

Peter Sürig, Lenze: Energieeffizienz wird für Unternehmen immer wichtiger – sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Besonders Kunden mit hohem Bedarf an Antriebssystemen fragen zunehmend nach hocheffizienten Lösungen wie IE5-Motoren. Im Fokus stehen dabei geringere Energiekosten, ein besserer CO2-Fußabdruck und die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen. Staatliche Förderprogramme in vielen Ländern machen Investitionen in IE5-Technik zusätzlich attraktiv. Neben gesetzlichen Vorgaben treiben auch unternehmensinterne Klimastrategien die Nachfrage. Viele Kunden sehen in der Modernisierung ihrer Antriebstechnik einen zentralen Hebel zur CO2-Reduktion – ein Trend, der sich in den kommenden Jahren weiter verstärken dürfte.

Gregor Dietz, SEW-Eurodrive: Wir stehen erst am Anfang der breiten Nutzung von klassischen Motoren mit höheren IE-Klassen als IE4, denn leider geht oft ein entscheidendes Merkmal unter: Man muss zwischen Motoren unterscheiden, die nur am Netz betrieben werden und solchen, die ausschließlich zusammen mit einem Umrichter eingesetzt werden. Bei den Netzmotoren ist normativ die Stufe IE4 die höchste, die im Normenteil IEC60034-30-1 definiert ist. Die Motoren, die sich nur an einem Umrichter betreiben lassen, können jedoch schon bis IE5 gemäß IEC/TS60034-30-2 definiert sein. Normativ gibt es bis dato keine höheren IE-Klassen. Die bisweilen genannten Standards IE6, IE7 oder höher sind reine Markting-Aussagen von Anbietern. Selten werden Angaben gemacht, worauf diese Pseudo-IE basieren. Auch werden öfters Produkte mit einer IE-Klasse beworben, die überhaupt keinen normativen Bezug dazu haben. Die Norm nimmt etwa Servomotoren aus dem Scope raus. Denn die übliche Nutzung dieser Art von Motoren ist der zeitbeschränkte, dynamische Betrieb mit mehrfachen Momenten und Drehzahlen. Die Entwicklungen am Markt berücksichtigen nun auch normativ die Definition höherer IE-Klassen: Beim Netzmotor entsteht eine IE5-Klasse, bei Umrichtermotoren entstehen sogar zwei weitere Klassen mit IE6 und IE7. Damit werden die Wirkungsgradangaben wieder nivelliert und der Nutzer kann die Angaben zwischen den wenigen Herstellern auch fair und gesichert vergleichen. Eine Veröffentlichung dieser neuen Klassen wird aber erst im Jahr 2026 realistisch erfolgen können.

Nicola Babini, Bonfiglioli: In den letzten Jahren ist ein deutlicher und signifikanter Trend zu Motoren zu beobachten, die Effizienzklasse IE4 und darüber hinaus erreichen – wie IE5 oder sogar IE6. Diese Wirkungsgrade lassen sich durch verschiedene Technologien erreichen, darunter Permanentmagnete, magnetunterstützte Reluktanzmotoren und reine Reluktanzmotoren. Der Trend, der zunächst von effizienzsensiblen Sektoren wie HLK oder Pumpen vorangetrieben wurde, weitet sich allmählich auch auf andere Industriebereiche aus. Wir stellen jedoch fest, dass einige große Endnutzer damit beginnen, sehr hohe Effizienzklassen in die Spezifikationen aufzunehmen, selbst bei Anwendungen, bei denen die tatsächlichen Auswirkungen marginal wären. Das führt oft zu Verwirrung, sowohl bei den Kunden als auch bei den Verkaufsteams, wenn die Kosten/Nutzen-Analyse übersehen wird. Bei Bonfiglioli sind wir bestrebt, den Kunden zu einer nachhaltigen und gleichzeitig kosteneffizienten Lösung zu führen, wobei wir seine spezifischen Betriebsbedingungen sorgfältig bewerten.

Christian Senger, Mitsubishi Electric: Nach unserer Einschätzung nimmt die Nachfrage stetig zu. Gerade in typischen Frequenzumrichter-Anwendungen wie Pumpen und Lüfter, welche oft im Dauerbetrieb laufen, können die Motoren ihre Vorteile unter Beweis stellen. Da wären z.B. geringere Energieverluste, so dass der Energieverbrauch und CO2-Ausstoß deutlich reduziert werden kann. Und somit auch die laufenden Kosten. Ein Fakt, der besonders interessant für Branchen mit hohem Energiebedarf ist, denn schon kleine Energie-Einsparungen können hier einen großen Impact haben.

Jörg Niermann, Nord: Wir sehen eine klare Zunahme des Interesses – besonders in Branchen mit langen Betriebszeiten und Teillastanteilen. Nord unterstützt Kunden aktiv bei der Auswahl: Mit Nord Eco analysieren wir die reale Antriebsauslegung vor Ort. Dabei zeigt sich, dass die Kombination aus effizientem Motor, Frequenzumrichter und Getriebe langfristig Kosten und CO2 spart.

SPS-MAGAZIN: Inwieweit macht es für den Anwender Sinn, sich überhaupt schon mit Wirkungsgradklassen oberhalb von IE4 zu beschäftigen? Wie vergleichbar sind solche Angebote auf dem Markt überhaupt?

Christian Senger, Mitsubishi Electric: Im Oktober 2009 verabschiedetet die EU die Richtlinie 2009/125/EG, die die Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte festlegt. Eine weitere geplante Novellierung soll 2027 verabschiedet werden. Sie bezieht sich auf die Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien und deren Lieferketten. Für Motoren bedeutet dies konkret die Vorschrift verbindlicher Mindestwirkungsgrade, die in den Effizienzklassen IE1 bis IE5 festgelegt werden können. Spätestens bis dahin müssen sich die Unternehmen, neben den Vorteilen wie Energieeinsparungspotential, mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Da es aktuell noch an einheitlichen Standards fehlt, die über IE4 hinaus gehen, ist eine Vergleichbarkeit schwierig. Man kann aber sagen, dass es sich für Kunden immer lohnt, auf die aktuellste Technik zu schauen. Weitere Standards werden kommen, die normgerecht erfüllt werden müssen. Somit sind IE5-Motoren eine wichtige Investition in die Zukunft.

Gregor Dietz, SEW-Eurodrive: Wie bereits erläutert sind aktuell IE6 und höhere Klassen reine Marketing-Aussagen. Diese Produkte und Effizienzwerte sind untereinander nicht wirklich vergleichbar. Oft ist auch nicht dargelegt, nach welcher Testnorm die Wirkungsgrade oder die Verlustangaben ermittelt wurden. Höhere Wirkungsgrade einzelner Komponenten können oft über ein konsequentes Anlagen- und Betriebsmanagement um den Faktor 10 und höher bei den Energieeinsparungen übertroffen werden. Daher ist eine Diskussion über höhere IE-Klassen auf Produktebene der Motoren nicht zielförderlich zur Reduzierung der eingesetzten Energie.

Peter Sürig, Lenze: Der Schritt zu hocheffizienten Antriebssystemen wie IE5 und perspektivisch IE6 ist für viele Unternehmen bereits heute sinnvoll – angesichts steigender Anforderungen an Energieeffizienz, CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit. Lenze setzt bewusst nicht auf IE4, sondern direkt auf die nächste Effizienzstufe. Unsere IE5/IE6-Motoren basieren auf bewährter Technik, sind kompakt, leicht integrierbar und auf die sensorlose Regelung der Frequenzumrichter i550/i650 abgestimmt. Das Ergebnis ist ein besonders effizientes, einfach zu handhabendes Antriebssystem mit hoher Performance. IE5 ist international genormt und bietet eine gute Vergleichsbasis. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nicht alle als IE5 beworbenen Produkte dieselben technischen Grundlagen oder die gleiche Systemintegration bieten. Motoren oberhalb von IE5 basieren auf denselben Berechnungen – mit typischerweise rund 20 Prozent höherer Effizienz.

Jörg Niermann, Nord: Ob sich ein Antrieb oberhalb der Klasse IE4 lohnt, hängt vom konkreten Einsatzfall ab – etwa Lastprofil, Laufzeit oder Umgebung. Nord setzt auf fundierte Systembewertung statt isolierter Motoreffizienz. Mit dem Nord-Eco-Service analysieren wir reale Betriebsdaten vor Ort und zeigen konkret auf, wo sich Energie einsparen lässt – nachvollziehbar und praxisnah. Auf dieser Basis beraten unsere Mitarbeiter weltweit zu passenden Lösungen mit hohem Systemwirkungsgrad – technisch wie wirtschaftlich.

Nicola Babini, Bonfiglioli: Es macht durchaus Sinn, höhere Effizienzklassen in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn man eine mittel- bis langfristige Perspektive betrachtet. Dabei geht es nicht nur darum, die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien zu vergleichen, mit denen höhere Wirkungsgrade erreicht werden können, sondern vor allem darum, die Kompetenz und das Knowhow zu haben, um die richtige Lösung effektiv und nachhaltig umzusetzen.

Hier kommt unsere Fähigkeit ins Spiel, hocheffiziente Pakete zu entwickeln, in denen Motoren, Antriebe und mechanische Komponenten integriert sind. Noch wichtiger ist die Fähigkeit, fortschrittliche technologieübergreifende Steuerungen zu verwalten, die auf spezifische Anwendungsanforderungen zugeschnitten sind. Es geht nicht darum, welcher Motor der beste ist, sondern um Lösungen, die auf das Nutzungsprofil des Kunden abgestimmt.

Produkt Marketing

Bonfiglioli

Gregor Dietz

Marktmanager Motoren

SEW-Eurodrive

Jörg Niermann

Bereichsleiter Marketing

Nord Drivesystems

Christian Senger

Senior Product Manager

Drive Systems

Mitsubishi Electric

Peter Sürig

Vice President Electromechanics

Lenze

Bonfiglioli Deutschland GmbH

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