Maschinensicherheit: Die passende Schutzeinrichtung bestimmen

Enge Abstimmung mit Kunden ist unabdingbar

Konstrukteure greifen in der Regel auf jahrelange Erfahrungswerte zurück, um Maschinen sicher zu machen. Das reicht nicht immer aus: Maschinen müssen dem neuesten Stand der Technik entsprechen, der in harmonisierten Normen der EU abgebildet ist. Der Konstruktion geht deswegen eine Normen- und Richtlinienrecherche voraus. Gerade, was die Schutzeinrichtungen von Maschinen betrifft, finden Konstrukteure in den Normen konkrete Hinweise zu Auswahl und Umsetzung. Wichtig dabei ist eine enge Abstimmung mit dem Kunden, sodass am Ende Maschinensicherheit und die Bedürfnisse der Produktion umgesetzt werden.
Normen spiegeln den Stand der Technik wider und unterstützen bei der Auswahl der richtigen Art der Schutzeinrichtung sowie ihrer fachgerechten Installation.
Normen spiegeln den Stand der Technik wider und unterstützen bei der Auswahl der richtigen Art der Schutzeinrichtung sowie ihrer fachgerechten Installation.Bild: CE-Con GmbH

Sichere Maschinen erfordern lesefreudige Konstrukteure. Denn der erste Schritt nach dem Projektstart, das heißt dem Bau, der Erweiterung oder dem Umbau einer Maschine zum Beispiel mit Robotern oder Fördertechnik zu einer neuen Gesamtheit, ist die Richtlinienrecherche. Diese enthalten die allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Die konkrete Umsetzung wird durch die Normenrecherche geklärt: Harmonisierte Normen, also jene, die im Amtsblatt der EG gelistet sind, beinhalten diese Sicherheitsaspekte. Es gibt drei Typen: Die Grundnormen (A) wie die EN ISO 12100:2010 bestimmen die Vorgehensweise der Risikobeurteilung und -minderung. Gruppennormen (B) sind auf viele Produkte anwendbar und befassen sich mit speziellen Schutzeinrichtungen wie Nothalt oder Zweihandbedienung. Die fach- und produktspezifischen Normen (C) gelten für bestimmte Maschinentypen und deren Gefährdungen. Die C-Norm hat Vorrang, wird in der Praxis aber oft vernachlässigt, wie der Bremer Experte für Sicherheit, CE-Con, beobachtet.

In der konstruktionsbegleitenden Risikobeurteilung werden die notwendigen Schutzeinrichtungen festgelegt und dokumentiert, was getan wurde, um die Risiken der identifizierten Gefährdungen zu minimieren. Dem folgen Konstruktion und Bau sowie die technische Dokumentation. Danach wird die Maschine in Betrieb genommen und abschließend in Verkehr gebracht.

Das Besondere dabei: Normenrecherche, Risikobeurteilung, Konstruktion und Bau sowie die technische Dokumentation gehen über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme hinaus: Steht neues Wissen zur Verfügung, haben sich Räumlichkeiten verändert oder müssen andere Schutzeinrichtungen gewählt werden – auch auf Kundenwunsch hin -, erfordert dies Änderungen an der Maschine, die erneut alle Schritte wieder durchlaufen müssen. Erst beim Inverkehrbringen ist dieser Prozess abgeschlossen: Dann gibt der Hersteller die Konformitätserklärung ab und erklärt damit, dass alle Anforderungen der Richtlinien erfüllt wurden.

In enger Abstimmung mit dem Kunden lassen sich die besten Möglichkeiten für eine Maschine finden und nachträgliche, teure Änderungen werden vermieden.
In enger Abstimmung mit dem Kunden lassen sich die besten Möglichkeiten für eine Maschine finden und nachträgliche, teure Änderungen werden vermieden.Bild: CE-Con GmbH

Risikominderung und ergänzende Schutzeinrichtungen

Im Verfahren der Risikominderung, einem Teil der Risikobeurteilung, werden die Grenzen der Maschine bestimmt, Gefährdungen identifiziert, eine Risikoeinschätzung vorgenommen und eine Risikominderung angestrebt. Wenn eine Gefährdung erkannt wurde, die mit einem Risiko einhergeht, muss dieses gemäß dem 3-Stufen-Verfahren (EN ISO 12100) gemindert werden. Der erste Schritt stellt die inhärent sichere Konstruktion dar – hier können Änderungen nur während der Konstruktionsphase erfolgen. Eine sichere Konstruktion wird unter anderem durch eine geometrische äußere Gestaltung, Einsehbarkeit der Arbeitsbereiche oder adäquate Zugänge für Reinigung und Instandhaltung gewährleistet. Sie zielt auch auf die Minimierung von Lärm und Emissionen wie Vibrationen ab und nutzt passende Werkstoffe. In der zweiten Stufe kommen technische und ergänzende Schutzmaßnahmen wie Zäune, Lichtgitter, Laserscanner, Türkontaktschalter und Abdeckungen zum Einsatz, wenn die Maßnahmen in Stufe eins nicht ausreichen. Erst die dritte Stufe umfasst die Benutzerinformation. Hier werden die Rest-Gefährdungen mitgeteilt; typische Maßnahmen sind Betriebsanleitung, Piktogramme, persönliche Schutzausrüstung und Schulung von Mitarbeitenden.

Konstrukteure können in der Regel auf einen großen Erfahrungsschatz zugreifen, wie man Gefährdungen absichern kann.
Konstrukteure können in der Regel auf einen großen Erfahrungsschatz zugreifen, wie man Gefährdungen absichern kann.Bild: CE-Con GmbH

Die Normen geben den Weg zur Schutzeinrichtung vor

Konstrukteure können in der Regel auf einen großen Erfahrungsschatz zugreifen, wie man Gefährdungen absichern kann. Erfahrung allein reicht aber nicht immer aus, denn die Technik schreitet voran und Maschinenbauer müssen auf dem Laufenden bleiben. Die Normen spiegeln den Stand der Technik wider und unterstützen bei der Auswahl der richtigen Art der Schutzeinrichtung sowie ihrer fachgerechten Installation. Zum Beispiel bei Gefährdungen durch bewegliche Kraftübertragung weist die Norm EN ISO 12100:2010 zwei Möglichkeiten aus: Ihnen kann mit feststehenden, trennenden Schutzeinrichtungen oder verriegelten, beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen mit oder ohne Zuhaltung mit automatischer Überwachung begegnet werden. Die Zuhaltung hängt hier von der Nachlaufzeit des Systems ab. Ist die Nachlaufzeit größer als die Zugangszeit, dann sind gemäß EN ISO 14119:2013 verriegelte, trennende Schutzeinrichtungen mit Zuhaltung notwendig. Wichtig: Bei älteren Bauteilen können sich die Nachlaufzeiten verlängern.

Für feste und bewegliche Schutzeinrichtungen gilt nicht nur EN ISO 14120:2015 – „Sicherheit von Maschinen“ mit ihren Anforderungen an Gestaltung und Bau von feststehenden, trennenden Schutzeinrichtungen. Auch die EN ISO 13857:2008 muss berücksichtigt werden. Sie legt die Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen fest. Wie genau die Festlegungen sind, zeigte ein Beispiel aus dem Alltag von CE-Con, wo die Sicherheitszäune hell gestrichen wurden. Vorgegeben ist allerdings eine dunkle Farbe, denn helle Zäune verstellen den Blick und machen damit eine Maschinenbeobachtung unmöglich, womit die Unfallgefahr steigt. Ein weiterer Faktor: Schutzmaßnahmen müssen gewissen Einflüssen standhalten können: Prallt ein Mensch mit 90 Kilogramm Gewicht in Schrittgeschwindigkeit (1,6 m/s) dagegen, darf der Zaun nicht umfallen. Das kann ein Test mit Prüfvorrichtung nachweisen. CE-Con misst in der Praxis auch nach, ob man trotz Zäunen und Lichtgittern in den Gefahrenbereich fassen kann. Die erforderlichen Abstände hängen von der Höhe des Gefährdungsbereichs und der Schutzeinrichtung ab. Gemäß EN ISO 13855:2010 muss auch der Sicherheitsabstand bei optischen Schutzeinrichtungen berücksichtigt werden. Errechnet wird er mit den Faktoren Annäherungsgeschwindigkeit, Nachlaufzeit des gesamten Systems von der Auslösung bis zur stillsetzenden Bewegung sowie der Eindringtiefe. Die Lichtstrahlen von Lichtgittern haben unterschiedliche Abstände und damit steigt oder sinkt der Eindringabstand.

Bei Neu- wie Umbauten sollten Maschinenbauer auf genaue Kenntnisse der Normen und damit den aktuellen Stand der Technik setzen.
Bei Neu- wie Umbauten sollten Maschinenbauer auf genaue Kenntnisse der Normen und damit den aktuellen Stand der Technik setzen.Bild: CE-Con GmbH

Schutzeinrichtungen auswählen und verändern

Sicherheitseinrichtungen sind in der Regel eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen: In einem Schutzzaun gibt es etwa einen Türkontaktschalter, der mit Zuhaltung versehen ist und abhängig von den Maschinenteilen und der Bewegungsart eine Stillstandsüberwachung. Die Kombinationen der Schutzeinrichtung bieten viele Möglichkeiten, um maschinenspezifisch die beste Lösung zu finden, aber auch Kundenwünsche – Zeitersparnis und kurze Stillstandzeiten – zu berücksichtigen. Statt eines Türschalters kann in der Produktion ein Fußpedal installiert werden, sodass der Mitarbeiter die Hände frei hat, um Teile zu entnehmen. Um diese Anforderungen abbilden zu können, sollten Maschinenbauer in enger Abstimmung mit dem Kunden entwickeln. So lassen sich die besten Möglichkeiten für die Maschine finden und nachträgliche, teure Änderungen werden vermieden.

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