Baumer erzielt Rekordumsätze - Interview mit Oliver Vietze

Konzentration auf Sensoren

Die Baumer Group hat erstmals einen Jahresumsatz von über 500 Millionen Euro verkündet. Grund für das SPS-Magazin bei Oliver Vietze, CEO und Chairman der Baumer Group, nachzufragen, wo die Gründe für das Wachstum liegen und wie es weitergehen wird.

Herr Vietze, wie liefen die letzten Jahre umsatztechnisch für Baumer?

Wir konnten in den letzten Jahren sehr erfolgreich wachsen und haben nach einem bereits starken Vorjahr im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 (Oktober bis September) über 20 Prozent zulegen und erstmals die 500 Mio. Euro Marke knacken können.

Wie teilen sich die Umsätze auf die verschiedenen Produktbereiche (Positions-Sensorik, Prozesssensorik, Drehgeber, Vision) auf?

Wir sind sehr breit aufgestellt. Das gilt für das umfassende Produktportfolio wie auch für die Industriesegmente. Erfreulich ist, dass wir in fast allen Industriesegmenten und auch global mit ähnlichen Wachstumsraten unterwegs sind. Das gab es so noch nie.

Wie sieht es mit der Verteilung der Umsätze in der DACH-Region, Europa bzw. weltweit aus und welche Rolle spielen Asien und China bei Ihren zukünftigen Wachstumsplänen?

Historisch stark sind wir in unseren Heimmärkten in Europa. Diese sind mit rund 60 Prozent immer noch dominant. Wir konnten uns aber in den letzten Jahren auch in Asien hervorragend entwickeln. China ist nach Deutschland unser zweitgrößter Markt, aber auch Indien entwickelt sich hervorragend. Wir werden unsere Position in Asien weiter ausbauen. In Amerika haben wir uns in der Vergangenheit etwas schwerer getan. Wir sind hier vor allem mit sehr innovativen, großen OEMs gewachsen. Aber im breiten Markt, den wir als eher konservativ wahrnehmen, konnten wir mit unseren smarten Produkten bislang nicht in der Masse punkten wie in Europa und Asien. Das ändert sich aber derzeit stark. Die USA hatten jetzt die höchsten Wachstumsraten. Wir werden hier weiter investieren und planen dieses Jahr am langjährigen Firmensitz einen komplett neuen Hub.

Wie sieht es aktuell bei Baumer mit der Lieferkettenproblematik aus?

Liefertreue hat für uns als verlässlicher Geschäftspartner eine enorme Bedeutung. Leider konnten auch wir uns der Lieferketten-Problematik nicht entziehen. Wir optimieren zwar laufend unsere Produktionsprozesse zur Kostenoptimierung, aber ein hoher Lagerumschlag und die damit verbundene Verwundbarkeit eben in solchen Situationen ist bei uns kein Fokusthema. Im Gegenteil – wir leisten uns schon immer vergleichsweise hohe Rohmaterial-Bestände, was uns sicher geholfen hat. Weiter sehen wir, dass sich unsere hohe Fertigungstiefe und die sehr flexible Mannschaft als großer Vorteil erweisen. Natürlich haben wir unseren kurzen Draht zu Lieferanten genutzt. Viele Kunden spiegeln uns, dass wir bei der Lieferfähigkeit in dieser schwierigen Zeit gute Arbeit leisten. Aber leider gibt es auch bei uns Artikel, die über längere Zeit nicht lieferbar waren oder ganz abgekündigt werden mussten, weil Komponenten nicht mehr verfügbar waren.

Wird Baumer zukünftig auch durch Akquisitionen wachsen?

Wir haben in den 2000er-Jahren viele Akquisitionen gemacht und sind dadurch auch erfolgreich gewachsen. Aber die Integration von Zukäufen sowie die steigende Komplexität im Portfolio waren immer auch eine große Herausforderung. In den letzten Jahren waren wir mit Akquisitionen zurückhaltend und haben uns auf die Optimierung unserer bestehenden Organisation und Produktlinien fokussiert – und sind sehr erfolgreich organisch gewachsen. Wir verfügen heute über ein sehr vollständiges und leistungsfähiges Produktportfolio basierend auf modernen Plattformen und Technologien und prüfen bei M&A-Optionen genau, ob eine mögliche Akquisition zu uns passt oder uns eher ablenkt.

Was ist die Baumer-Strategie für den Bereich Prozesssensorik?

Die Prozesssensorik ist bei Baumer vergleichsweise jung. Wir haben aber in den letzten Jahren unser Produktportfolio stark verbreitert. Unsere modernen Sensorlösungen gewinnen Industriepreise und bieten in vielen Fällen best-in-class Performance. Die neueste Baumer Innovation in der Prozesssensorik ist unser Bubble Sensor, um Luftblasen in Rohrleitungen zu detektieren. Wir werden von den großen, internationalen Endkunden zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie mittlerweile als innovativer Lösungspartner wahrgenommen und wachsen stetig. Bei der Prozesssensorik sehe ich für uns großes Potential.

Sie haben zahlreiche neue Produkte auf der SPS gezeigt. Ist dies auch ein Erfolg der neuen Innovationszentren und wie geht es hier weiter?

Innovation ist Teil unserer DNA. Wir investieren ständig, um unseren Kunden mit Smarten Sensoren und Sensorlösungen einen Mehrwert zu bieten. Zwölf Prozent Umsatzanteil fließen in Forschung & Entwicklung, 350 R&D Ingenieure arbeiten bei uns an intelligenten Sensorlösungen für die smarte Fertigung. Die angesprochenen neuen Produkte sind die jüngsten Erfolge unserer Innovationsoffensive, zu der auch das 2018 eröffnete High-Tech Center Bodensee gehört. Dieser Standort in Süddeutschland entwickelt eine große Dynamik. Am Hauptsitz Frauenfeld in der Schweiz bauen wir derzeit für 20 Millionen Franken ein weiteres Innovation Center. Frauenfeld ist mit hervorragenden Universitäten und Fachhochschulen in direkter Nachbarschaft ein idealer Standort.

Welche neuen Produkte dürfen wir von Baumer aktuell erwarten?

Die vor rund fünf Jahren gestartete Innovationsoffensive zeigt Früchte. Noch nie hatten wir ein so performantes und breites Produktportfolio über die ganzen Funktionsbereiche – wir nennen das unsere Sensor Solution Toolbox. Es gibt fast keine Sensorapplikationen, für die wir keine leistungsfähige und zuverlässige Lösung bieten können. Unter ‚Baumer Individual‘ entwickeln wir auch speziell für große OEMs spezifische Produkte. Das war schon immer eine Stärke von Baumer. Wir werden unser IO-Link Portfolio weiter ausbauen und die Sensoren noch smarter machen.

Als einer der Pioniere im Bereich der Vision-Sensoren werden wir auch dieses Portfolio erweitern. Unsere neuen 2D-Distanzsensoren der OX-Serie etwa sind einzigartig – super einfach zu parametrieren und sehr gut geeignet für viele Applikationen: Zum Beispiel für die Feinpositionierung bei Robotikanwendungen oder bei AGVs in der Logistik. Unsere Baumer Sensor Suite als einfaches Softwaretool zur Parametrierung und Inbetriebnahme von IO-Link Sensoren und Systemen kommt hervorragend am Markt an. Kontinuierlich steigende Nutzerzahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Diesen Weg werden wir weiter gehen. Unsere Software-Plattform wird neue Funktionen bekommen, unter anderem zur Sensordatenanalyse und Prozessoptimierung.

Die Ideen gehen uns nicht aus. Für die Zukunft sind wir zuversichtlich: Smarte Produktion beginnt beim Sensor. Hier sind wir der Spezialist und deshalb konzentrieren wir uns ganz auf die Sensorik.

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