Die Produktionsstätte von B. Braun Medical in Sempach im Schweizer Kanton Luzern ist spezialisiert auf die Herstellung medizinischer Desinfektionsmittel, Hygieneprodukte und Arzneimittel zur Behandlung chronischer Wunden. Hier werden komplexe Misch- und Abfüllprozesse durchgeführt, bei denen verschiedene chemische Rohstoffe in Tanks gemischt und anschließend abgefüllt werden. Aufgrund stark gestiegener Nachfrage ist das Unternehmen im Begriff, die Produktionskapazitäten zu verdoppeln.
Sicherheit durch Identifikation
Der Kernprozess der neuen Anlagen umfasst im Wesentlichen die Zuführung der verschiedenen chemischen Rohstoffe von den Wiegecontainern in die Mischtanks und die Weiterleitung der Fertigprodukte in die Abfülllinie. Knotenpunkte im System sind zwei Schlauchbahnhöfe, von denen der eine bei der Aufgabestation und der andere an der Schnittstelle zur Abfülllinie platziert ist.
Im Prozess müssen die Schläuche je Charge drei- bis viermal versetzt werden. Damit es nicht zu Verwechslungen mit verhängnisvollen Auswirkungen kommt, sind die Schlauchbahnhöfe ins RFID-System eingebunden, das die gesamte Anlage kontrolliert. Bei jedem Anschluss müssen je ein RFID-Codeträger auf Schlauchseite und ein RFID-Schreib/Lese-Kopf als Gegenüber zusammenspielen. Der Durchlass öffnet sich nur dann, wenn das System das richtige Medium identifiziert hat.
Kommunikationsfähiges Kupplungsrad
Es gibt eine Vielzahl von Schlauchkupplungen mit integriertem RFID-Codeträger auf dem Markt. Angesichts der engen Platzverhältnisse und der schweren Schläuche kam eine Standardlösung in diesem Fall jedoch nicht infrage – eine Steilvorlage für die Tüftler der Firma Bachofen, dem nationalen Vertriebspartner von Turck in der Schweiz. Ihre Vision: eine Schlauchkupplung mit Kupplungsrad, in das die RFID-Tags eingegossen sind. Gemeinsam mit den auf Kupplungstechnik und Schlauchsysteme spezialisierten Firmen Manntek und Schudel setzten sie die unkonventionelle Idee um und entwickelten einen Prototyp, der B. Braun Medical überzeugte.
Die finale Drehradversion enthält drei im Abstand von 120° eingelassene RFID-Tags, deren Signale beim Eindrehen schnell die Verbindung identifizieren und bei einem positiven Ergebnis den Durchfluss freigeben. Für die Integration und die Steuerung der Kupplungslösung nutzte Bachofen Turcks RFID-System BL ident mit TBEN-I/O-Blockmodulen in Schutzart IP67/IP69K. Diese sind mit einem speziellen Schutzgehäusen auch zum Einsatz in Atex-Zone 2 zugelassen, was bei Ethernet-I/O-Modulen eher selten der Fall ist. Die eingesetzten Schreib/Lese-Köpfe können ebenfalls in Zone 2 genutzt werden, der TN-R42TC-EX sogar in Zone 1. Aufgrund der Multiprotokollfähigkeit der TBEN-Module können diese in jedem industriellen Ethernet-Netzwerk mit Profinet, Ethernet/IP oder Modbus TCP zum Einsatz kommen. Zur Kommunikation mit dem übergelagertem Produktionssystem nutzt B.Braun OPC UA.
Präzision bei einfacher Handhabung
Die drei RFID-Tags in jedem Kupplungsrad stellen sicher, dass die Informationen schnell und zuverlässig gelesen werden. Die verwendeten Datenträger des Modells IN TAG 200 sind speziell für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen konzipiert. Der eingesetzte Schreib/Lese-Kopf TN-EM30WD-H1147-EX ist ebenfalls für explosionsgefährdete Bereiche bis Zone 2 zugelassen. Sein Gehäuse aus Edelstahl und Flüssigkristallpolymer erfüllt Schutzart IP69K und widersteht auch harten Reinigungsverfahren.
Sichere Produktion mit reproduzierbare Qualität
Sobald der Schlauch verbunden ist, liest der der Schreib/Lese-Kopf die Informationen der RFID-Tags im Kupplungsrad aus. Die so erfassten Daten werden sofort mit den Informationen zum Tank verglichen. So wird sichergestellt, dass nur die korrekt identifizierten Komponenten miteinander verbunden werden. Falls eine Fehlkupplung festgestellt wird, blockiert das System den Durchfluss. Dieser automatisierte Verifikationsprozess bringt mehrere Vorteile mit sich: Zum einen erhöht er die Sicherheit, zum anderen verbessert er die Effizienz, da der Verifikationsvorgang schnell und zuverlässig erfolgt, ohne dass manuelle Überprüfungen notwendig sind.
Zusätzlich ermöglicht das Modul das Beschreiben der RFID-Tags mit spezifischen Daten über die durchgeführten Prozesse und Materialien. Diese Datenaufzeichnung unterstützt nicht nur die Rückverfolgbarkeit in der Qualitätskontrolle, sondern optimiert auch die Dokumentation und Compliance der Produktionsprozesse. Beispielsweise kann der Zeitpunkt der letzten Reinigung eines Schlauches auf dem RFID-Tag gespeichert werden. Sollte dieser Zeitraum überschritten werden, verhindert das System automatisch den Materialfluss, um die Sterilität und Qualität des Produktionsprozesses sicherzustellen. Dies stellt sicher, dass sowohl die Produktionssicherheit als auch die konstante Qualität der Produkte gewährleistet sind.
Fazit
Die Entwicklung der Sonderlösung mit den drei RFID-Tags in den Kupplungsrädern der Schlauchverbindungen war ein Highlight in der Zusammenarbeit zwischen B. Braun Medical und Bachofen. Auch auf Produktebene konnte Bachofen mit den Automationskomponenten von Turck und Banner Engineering die Anforderungen des Anlagenbetreibers vollumfänglich erfüllen. Neben den RFID-Komponenten wurden zahlreiche I/O-Blockmodule vom Typ TBEN-L5-8IOL verbaut, die unter anderem die Ventile anbinden, sowie alle Ethernet-, Power- und viele Sensor-Aktor-Leitungen von Turck geliefert. „Es ist nicht einfach, Produkte mit Ex-Schutz Zone 1 und 2 zu finden, die auch reinraumtauglich sind“, sagt Thomas Mühlebach, Leiter Unterhalt und Technik am Standort Sempach. „Bachofen hat verstanden, was wir brauchen, und uns mit Beratung und den geeigneten Produkten bei der Evaluation unterstützt.“