
In vielen Unternehmen folgt der Engineering-Prozess einem klassischen Workflow: Eine Anlage wird zunächst geplant und konstruiert, bevor die Erstellung der Schaltpläne und Anlagenelektrik, die Softwareentwicklung, Montage, elektrische Verdrahtung sowie Inbetriebnahme folgt. Im Anschluss wird die entwickelte SPS- und Robotersoftware im Handbetrieb an der realen Anlage getestet beziehungsweise finalisiert, um das definierte Verhalten für den anschließenden Automatikbetrieb sicherzustellen. Dahingehend wird im Hinblick auf das weiter voranschreitende digitale Engineering sowie der damit verbundenen Verbesserung von Workflows und Datenstruktur ein Umdenken in vielen Unternehmen stattfinden müssen, um weiterhin erfolgreich am Markt zu bestehen.

Parallel statt sequenziell bearbeiten
Mit dem Einsatz einer Software für die Erstellung eines digitalen Anlagenzwillings – wie die Anwendung fe.screen-sim des Neunburger Softwareherstellers F.EE – wird der Engineering Workflow von einem sequenziell geprägten Arbeitsablauf in Richtung parallele Bearbeitung verändert. Davon versprechen sich die Unternehmen kürzere Durchlaufzeiten, die Prozessabsicherung in einer frühen Phase der Konstruktion und eine schnelle und kostengünstige Inbetriebnahme auf Basis einer offline mit dem digitalen Zwilling getesteten Software. „Wir stellen häufig fest, dass sich bedingt durch die Abstimmung der am Engineering-Prozess beteiligten Abteilungen auch die interne Kommunikation in den Betrieben während der Implementierung der virtuellen Inbetriebnahme sehr zum Positiven verändert“, sagt Peter Meier, Leiter der Abteilung ‚Softwareentwicklung Simulation und Virtuelle Inbetriebnahme‘ bei F.EE.

Vorhandene Daten nutzen
Doch selbst Fachleute, die die Vorteile der virtuellen Inbetriebnahme für ihre Unternehmen erkannt haben, fürchten mitunter den mit der Implementierung verbundenen Aufwand und fragen sich, wie das Simulations-Tool bestmöglich zu ihren Engineering Workflows passt. „Dabei ergeben sich hier auch hervorragende Möglichkeiten hinsichtlich der Nutzung vorhandener Daten sowie einer automatisierten Modellerstellung“, erklärt Meier.

Datenbestand birgt großes Potenzial
Um das Ziel der virtuellen Inbetriebnahme zu erreichen, nämlich den Aufbau eines weitgehend der physischen Anlage entsprechenden Modells, werden viele Informationen und Daten benötigt. Das reicht von den Anlagen-Layouts bis hin zu Technologie-Schemen der Förderelemente wie auch gegebenenfalls vollständige Roboter-Offline-Programme. Und das 3D-Modell muss in einem für die Simulationssoftware lesbaren Format zur Verfügung gestellt werden. Neben dem Handling großer Datenmengen stellt dabei die häufig fehlende Datendurchgängigkeit der verwendeten Systeme inklusive Informationsverluste und Medienbrüche eine Herausforderung dar. Dennoch ist es sinnvoll, bei der Erstellung digitaler Zwillinge auf bereits im Prozess vorhandenes Datenmaterial zurückzugreifen, da damit unter anderem enorme Zeitersparnisse einhergehen. Die effiziente Nutzung dieser Daten für die Modellerstellung hängt somit vom Funktionsumfang der verwendeten Simulationssoftware ab. „Einen weiteren wichtigen Optimierungsfaktor stellt die durchgängige Datenaufbereitung und -strukturierung während des gesamten Engineering-Prozesses dar“, fügt Meier hinzu. Sollten in einem frühen Stadium des Engineering-Prozesses noch keine für die Modellierung verwendbaren Daten vorliegen, wird zuerst ein idealisiertes Modell – etwa zur ersten Absicherung der SPS-Programmierung – aufgebaut, das im Laufe der Projektumsetzung immer detaillierter wird.
Konstruktionsdaten ohne Konvertierung nutzen
Die Einbindung bereits vorhandener CAD-Daten aus der mechanischen Konstruktion in ein Simulations-Tool bildet – bedingt durch die damit verbundene Zeitersparnis – einen entscheidenden Baustein, um den digitalen Zwilling effizient zu erstellen. Zur Vermeidung von Informationsverlusten ist eine native Anbindung gängiger CAD-Systeme an die Simulationssoftware von Vorteil. Dadurch entfällt die häufig verlustbehaftete Konvertierung in ein Zwischenformat und es wird sichergestellt, dass der digitale Zwilling alle Daten zur Anlage enthält. Weitere Nebeneffekte des direkten Datenimports sind die damit einhergehende Verbesserung interner Abläufe sowie die Reduzierung des abteilungsübergreifenden Abstimmungsaufwandes mit gleichzeitiger Sicherstellung eines bestmöglichen Informationsflusses. Für die Anbindung der verwendeten Komponenten an die SPS-Steuerung wird die I/O-Konfiguration der elektrischen Konstruktion an die SPS und von dort an das Modell übergeben. Eine sinnvolle Namensgebung erleichtert das Mapping der SPS-Variablen mit dem Modell enorm und ermöglicht auch hier die Implementierung automatischer Abläufe.
Automatisierung mittels API
Um Aufgaben der virtuellen Inbetriebnahme zu automatisieren, bringt die Anwendung fe.screen-sim eine Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, API) mit. Die wohl meisten im Engineering Workflow eingesetzten Programme verfügen heute über eine Makro-Schnittstelle, die einen Datenaustausch über die API ermöglicht – und zwar nicht mittels Filetransfer, sondern über eine bidirektionale Kommunikation zwischen zwei verschiedenen Programmen. „Durch die API können eigene Makros, Anwendungen, Tools sowie Informationen in die Simulationslösung eingebunden und Modelle automatisiert erstellt werden“, betont Meier. Neben der direkten makrobasierten Datenübernahme aus einem CAD-System in die F.EE-Anwendung lässt sich auch das Interface in Excel mittels Visual Basic for Applications-Code (VBA) einbinden. Das ermöglicht die automatische Durchführung sich wiederholender Arbeitsschritte in der Simulation. Ist z.B. ein Bezeichnungssystem etabliert, das die Herstellung eines Algorithmus zwischen mechanischer Konstruktion und Elektroplanung ermöglicht, können auch darauf basierend Modelle automatisiert erstellt werden.
Zentrale Datenhaltung entscheidend
Neben der Möglichkeit des Datenaustausches über die API kommt zunehmend auch einer übergreifenden Infrastruktur zur zentralisierten Datenhaltung eine entscheidende Bedeutung zu. Ziel ist, alle im Engineering-Prozess anfallenden Informationen zentral zu halten und für die Modellerstellung zu nutzen. Diese zentrale Digitalisierungsplattform dient somit als Informationsquelle für den digitalen Zwilling und stellt das Produkt- und Prozesswissen im Unternehmen dar. „F.EE hat bereits eine Vielzahl von Betrieben erfolgreich bei der Einführung der virtuellen Inbetriebnahme und der Integration von Simulations-Tools in den Engineering Workflow unterstützt“, resümiert Peter Meier. So können Unternehmen vom Knowhow im Umgang mit Simulations-Tools verschiedener Hersteller sowie den Vorteilen der virtuellen Inbetriebnahme in Verbindung mit einem besseren digitalen Engineering Workflow profitieren.