
Die Lage in der deutschen Industrie ist aktuell nicht gerade erfreulich. Macht sich die Stimmung mit Blick auf die Automatica 2025 bemerkbar?
Anja Schneider: Glücklicherweise nicht bei der Ausstellerakquise. Der Zuspruch in der Community für die diesjährige Veranstaltung ist enorm. Dass die gesamte Branche der Automatica freudig entgegen sieht, liegt vor allem an ihrem guten Ruf. Schließlich konnte die letzte Ausgabe der Messe mit einem sehr soliden Aussteller-Niveau überzeugen und bei den Besucherzahlen sogar an Vor-Corona-Zeiten anknüpfen. Diese Tatsache hat die Anmeldungen zur Automatica 2025 durchaus beflügelt. Alle Keyplayer sind wieder dabei. Zudem sind auch einige Aussteller zurück an Bord, die nach der Pandemie ausgesetzt hatten. Über ein Drittel der angemeldeten Unternehmen werden in diesem Jahr sogar zum ersten Mal dabei sein. Insgesamt also ein sehr rundes Bild.
Wie international wird die Messe in diesem Jahr?
Mit einem internationalen Anteil der Aussteller von aktuell über 37 Prozent dürfen wir von einer steigenden Internationalität ausgehen. Das zeigt allein der Blick auf die erwähnten Neuaussteller bzw. Rückkehrer: Dazu zählen Namen wie Delta Electronics, Doosan, Estun, Hanwha Robotics, Hyundai Robotics, JR Automation, Realtime Robotics oder Shenyang Siasun. Eine endgültige Zahl lässt sich aber noch nicht nennen, da – gerade mit Blick auf die Gemeinschaftsstände – aktuell noch weitere Anmeldungen aus dem Ausland bei uns eingehen. Es wird auf jeden Fall mehr Länder-Pavillons geben – z.B. neben Korea und China auch wieder aus Italien sowie erstmals Litauen, Österreich und wahrscheinlich Frankreich – sowie auch mehr eigenständige, große Messestände von Unternehmen aus China und Korea.
Das Standing der Automatica ist also unverändert hoch?
So ist es. Das Commitment der globalen Robotik-Community bildet das Fundament für den nachhaltigen Erfolg der Automatica. Die allermeisten Aussteller betrachten die Automatica als Plattform, die sie aktiv mitgestalten können. Das spiegelt sich in einer unglaublich engen Zusammenarbeit mit unserem fachlichen Träger, dem VDMA-Fachverband Robotik & Automation wider – für die ich sehr dankbar bin. Gemeinsam mit allen beteiligten Seiten haben wir wieder viele spannende Angebote für die Messe entwickelt.
Was ist denn neu auf der Automatica in diesem Jahr?
Wir haben ja 2023 den Turnus der Automatica in die ungeraden Jahre verschoben. Der treibende Faktor dabei war eine Erweiterung des technologischen Angebots durch die parallel stattfindenden Messen Laser World of Photonics und World of Quantum. Schon direkt nach der Premiere 2023 ließ sich ablesen, wie gut diese Kombination funktioniert. Das Angebit wird in diesem Jahr auch inhaltlich miteinander verzahnt – und bietet den Besuchern damit einen echten Mehrwert.
Adressiert die Messe in diesem Jahr ein breiteres Besucherspektrum?
Traditionell kommt der Großteil unserer Besucher aus den Segmenten Automotive, Metall sowie Elektrotechnik und Elektronik. In diesem Jahr ist es in der Tat das Ziel, noch mehr in die Breite zu gehen und attraktive Akzente für neue Besuchergruppen zu setzen. So starten wir etwa eine regelrechte Healthtech-Offensive, um der Medizintechnik-Community das aktuelle Angebot an Robotik und Automation näher zu bringen. Denn ob in Laboren, Apotheken oder in der Logistik von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen: Unsere Gesundheitswirtschaft ist immer stärker auf Robotik und Automation angewiesen.
Was haben Sie konkret vor?
Der wichtigste Ansatzpunkt ist das hohe Engagement der Aussteller bei diesem Thema. Sowohl auf der Automatica als auch auf der Laser World of Photonics werden hochspannende Exponate aus dem Medtech-/Healthtech-Bereich zu sehen sein. Als zweites sind unsere Kooperation mit der Fachmesse MedTec Live und der daraus resultierende Themenpavillon zu nennen – ein Gemeinschaftsstand, der das Angebot aus der medizintechnischen Zulieferindustrie über die gesamte Wertschöpfungskette abbildet. Dazu kommt als dritter Baustein der MedtecSummit, der sich am zweiten und dritten Messetag insbesondere den Bereichen Logistik und klinischer Robotik widmet. Die Teilnahme ist im Messeticket enthalten.
Haben Sie weitere neue Zielgruppen im Visier?
Durchaus. Eine Zielgruppe, die wir in diesem Jahr verstärkt ansprechen, ist der Mittelstand. Hier wollen wir eine Brücke bauen zwischen potenziellen Anwendern, die vor der Komplexität der Robotik bisher noch zurückschrecken, und modernen Lösungen für Fertigungs- und Handwerksbetriebe, die sich einfach unkompliziert einsetzen lassen. Die Automatica soll Barrieren einreißen, z.B. mit einer ‚Robotik im Mittelstand‘-Testzone, die als Hands-on-Praxisformat ausgerichtet ist. Auch unser Automatica Forum wird am Messe-Freitag einen entsprechenden Fokus setzen, indem dort Erstanwender mit eigenen Learnings Mut für den Einstieg in die Robotik machen.
Jetzt sind wir schon mitten im Rahmenprogramm. Von welchen Technologien und Trends wird dieses Jahr hauptsächlich geprägt sein?
Ganz vorne ist hier sicherlich die Kombination von KI und Robotik zu nennen. Ihr hat sich der begleitende Hightech Summit unserer Munich_i-Initiative erneut verschrieben. Er findet am ersten Tag statt mit einem eigenen Kongressformat und hochkarätigen Speakern aus Industrie und Forschung. Damit einher gehen weitere Angebote wie die Leistungsschau AI Society oder der digitale Robothon im Vorfeld der Messe. Wir planen zudem ein interaktives Format zur Leistungsfähigkeit von KI in Robotik und Photonik mit einer Mischung aus Vorträgen und Exponaten. Ein weiteres Thema, das kontinuierlich an Gewicht gewinnt, ist die mobile Robotik. Folglich wird es in diesem Jahr wieder das Mesh-Up geben. Die Teilnehmer stehen bereits fest und die technische Umsetzung wird deutlich anspruchsvoller als bei der Premiere 2023. Basis bleibt unverändert VDA5050, aber auch andere Schnittstellen spielen auf der Automatica eine wichtige Rolle.
Nämlich?
Die Industrie bewegt sich beständig in Richtung Interoperabilität und Konnektivität. Entsprechend sind die verschiedenen OPC-UA-Spezifizierungen auf der Messe sehr präsent, z.B. Umati. Wie 2023 wird es dazu einen dezentralen Showcase geben. Diesmal sind messeübergreifend kompatible Maschinen in das Umati-Dashboard eingebunden. Zudem gibt es einen Gemeinschaftsstand, auf dem sich die OPC Foundation und weitere relevante Organisationen präsentieren und insgesamt sechs Companion Specifications praxisnah vorgestellt werden.
Seit der Pandemie haben viele Messen ein digitales Zusatzprogramm angeboten, so auch die Automatica. Soll es das in diesem Jahr auch wieder geben?
Alle Veranstalter, die sich in den letzten Jahren mit digitalen Erweiterungen beschäftigt haben, mussten feststellen: Echtes Messe-Feeling kommt nur live und vor Ort auf. Das bedeutet aber nicht, dass man Besuchern und Interessenten über digitale Kanäle keinen Mehrwert liefern kann. Allerdings sollten dabei ein digitales Erlebnis und Möglichkeiten der Vernetzung im Vordergrund stehen. Entsprechend setzen wir, statt langwieriger Livestreams von den Messeforen, dieses Mal vor allem auf attraktiven, kurzweiligen Social Media Content als Bewegtbild und live von der Messe – zusammen mit den Ausstellern, aber auch mit der Unterstützung von Fachmedien und Branchen-Influencern.
Bitte ziehen Sie abschließend nochmal ein Fazit, Frau Schneider: Warum sollte man die Automatica 2025 auf gar keinen Fall verpassen?
Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sind für Unternehmen – vom Mittelständler bis zum Großkonzern – Robotik und Automation unverzichtbare Hebel für Wettbewerbsfähigkeit. Sie bietenAntworten auf die großen globalen Herausforderungen wie Lieferketten-Resilienz, Fachkräftemangel, Klimaschutz und die Digitalisierung. Klar ist dabei: Nur intelligent automatisiert und digital vernetzt lässt sich wirtschaftlich und nachhaltig produzieren – ohne riskante Abhängigkeiten einzugehen. Dabei geht es um nichts geringeres als Wettbewerbsfähigkeit, das eigentliche Top-Thema der Automatica. So ist die Automatica ein Pflichttermin für alle in der Industrie, die sich mit Robotik, Automation und KI auseinander setzten müssen. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt dafür.