Der Krieg in der Ukraine wird sich im Maschinen- und Anlagenbau deutlich auswirken und die noch nicht überwundenen Schwierigkeiten in den Lieferketten abermals verschärfen. Laut einer aktuellen Umfrage des VDMA unter seinen Mitgliedsfirmen, die Anfang März durchgeführt wurde, sehen 85% der knapp 550 Teilnehmer den Krieg als gravierendes oder merkliches Risiko für ihre Geschäfte. Hier stehen insbesondere die indirekten Auswirkungen im Fokus: Knapp 80% der Maschinen- und Anlagenbauer erwarten gravierende oder merkliche Folgen z.B. durch eine weitere Energieverteuerung, die allgemeine Verunsicherung von Kunden oder die Rubel-Abwertung. Gefragt nach direkten Auswirkungen der russischen Aggression sprechen 45% der Firmen von gravierenden oder merklichen Auswirkungen durch die Sanktionen, die Verschiebung von Projekten oder generell weniger Umsatz in Russland oder in der Ukraine.
„Für den Maschinen- und Anlagenbau ist die Geschäftstätigkeit mit Russland zwar nicht existenziell, aber die Unternehmen werden für den russischen Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist, einen Preis zahlen müssen“, sagt VDMA-Präsident Karl Haeusgen. Vorrangig geht es jetzt für viele Firmen darum, die Sicherheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine und auch in Russland zu gewährleisten. Zugleich müssen sie sich auch auf weitere Lücken in den Lieferketten einstellen. Das zieht sich durch die gesamte Produktion bis hin zur Auslieferung und Inbetriebnahme. „Es braucht daher mehr denn je einen schnellen Friedensschluss unter Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine. Dies gilt umso mehr als beide Länder eine ganz wichtige Rolle in der Versorgung der Welt mit Lebensmitteln wie Getreide spielen und dabei auf Lieferungen aus dem deutschen und europäischen Maschinen- und Anlagenbau angewiesen sind“, betont Haeusgen.
Produktion 2021 um 6,4% gewachsen
Laut revidierter Zahlen des Statistischen Bundesamts hat die Produktion im Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland im Jahr 2021 um real 6,4% zugelegt. Das entspricht nahezu der Schätzung der VDMA-Volkswirte. Für das laufende Jahr birgt der Ukraine-Krieg – neben anderen Risiken wie Inflation, neuen Pandemiewellen oder der Auseinandersetzung China-USA – jedoch nicht abschätzbare Gefahren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Handelsunterbrechungen und die stark gestiegenen Energiepreise werden die wirtschaftliche Erholung zumindest bremsen. Zwar rangiert Russland inzwischen nur noch auf Platz neun im Exportranking des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (Ukraine: Platz 31, Belarus: Rang 53). Doch immerhin entfällt auf alle drei Länder zusammen ein Exportvolumen von 7Mrd.€ (2021). „Hiervon werden wir aller Voraussicht nach deutliche Abstriche bis zum weitgehenden Ausfall machen müssen. Unsere Umfrage zeigt zudem: Noch schwerer wiegen die indirekten Folgen des Ukraine-Kriegs, also die gegenseitigen Sanktionen, der Abbruch von Geschäftsbeziehungen bis hin zu grundlegend veränderten geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen“, erläutert Haeusgen.
Schwaches viertes Quartal 2021 drückt die Prognose
Als Konsequenz daraus korrigieren die VDMA-Volkswirte die bisherige Jahresprognose zum realen Produktionswachstum. „Statt eines ursprünglich erwarteten Zuwachses von real 7% rechnen wir nun für das laufende Jahr nur noch mit einem Produktionsplus von 4%“, sagt der VDMA-Präsident. Der Rückgang hat seine Ursache zum einen im vergleichsweise schwachen vierten Quartal 2021. Der Maschinenbau ist dadurch von einer niedrigeren Ausgangsbasis ins Jahr 2022 gestartet, was die Wachstumsrate drückt. Hinzu kommen die direkten Kriegsfolgen und die schon jetzt spürbare Verunsicherung der Maschinen- und Anlagenbauer und ihrer Kunden. Stützend dürften sich die vollen Auftragsbücher erweisen. Diese Prognose deckt Extremszenarien wie die Ausweitung der kriegerischen Handlungen auf andere Länder, deren Folgen sich nicht vorhersehen lassen, nicht ab.
Anhaltende Engpässe in den Lieferketten
Das vorherrschende Problem der Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau sind laut Umfrage die gestörten Lieferketten. 32% der Firmen sehen sich hier mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert, 42% sprechen von merklichen Behinderungen. Dabei dürften sich die ganz aktuelle Kriegsentwicklung und ihre Folgen noch gar nicht in diesem Urteil niedergeschlagen haben. Folgerichtig sind die befragten Firmen mit Blick auf die kommenden drei Monate in dieser Frage pessimistisch. Mit 53% erwartet die Mehrheit der Befragten eine Verschärfung der Schwierigkeiten in den Lieferketten, weitere 43% gehen von einer gleichbleibend angespannten Situation aus.