... und wie Industrie-4.0-Technologie dazu beitragen kann

Produktion mit Netto-Null-CO2

Die weltweiten Kohlendioxidemissionen haben im Jahr 2019 einen neuen Höchststand von 36,7 Milliarden Tonnen erreicht. Die Emissionen waren durch wirtschaftliche Expansion bedingt 60 Prozent höher als 1990. Nun besteht zunehmender Druck, die Emissionen unter Kontrolle zu bringen. Die Industrie kann dabei eine führende Rolle spielen, denn das im Rahmen von Herstellungsprozessen entstehende Kohlendioxid macht einen erheblichen Anteil der globalen Gesamtemissionen aus. Eine Reihe von Organisationen, die Industrieerzeuger vertreten, haben bereits erklärt, bis spätestens zur Mitte des Jahrhunderts zum Netto-Null-Betrieb überzugehen.
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Nach dem Netto-Null-Grundsatz verpflichtet sich die Industrie, keine Treibhausgasemissionen zu erzeugen, die nicht auf irgendeine Weise kompensiert werden können. Das wird ein anspruchsvolles Unterfangen sein und das Engagement von jedem einzelnen Teil der Lieferkette erfordern. Es gibt klare Quellen für Einsparungen, nicht zuletzt beim Energieverbrauch, der häufig für den größten Teil der Treibhausgasemissionen in der Fertigungslieferkette verantwortlich ist. Ein gewisser Energieverbrauch ist unvermeidlich. Wenn dieser allerdings auf erneuerbare Energiequellen verlagert werden kann, kann das Netto-Null-Ziel leichter erreicht werden. Obwohl in den letzten Jahren der industriellen Produktion das Just-in-time-Liefermanagement (JIT) ein zentrales Thema war, kann die Netto-Null-Rechnung die Kalkulation dessen, was maximale Effizienz bedeutet, verändern. Wenn eine Produktionsanlage eine große eigene Erzeugungskapazität auf Wind- oder Solarbasis installiert, kann sie die Energie direkt in ihrer Gesamtheit nutzen oder teilweise an das öffentliche Netz verkaufen. Beim Verkauf von Energie an das Netz besteht jedoch ein zentrales Problem der Erzeugung erneuerbarer Energien darin, dass die Energieerzeugung selten der Nachfrage entspricht. Dies kann dazu führen, dass überschüssige Energie nicht an die Netzbetreiber verkauft werden kann und entweder gespeichert werden muss oder die Generatoren vorübergehend abgeschaltet werden müssen. Wenn alternativ energieintensive Prozesse in Zeiten von Energieüberschüssen beschleunigt werden, können Hersteller ihre Fähigkeit verbessern, die gesamten Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, und erhalten im Austausch dafür zusätzliche laufende Erzeugnisse, die vor der Verwendung gelagert werden müssen.

Rolle von Cloud- und Edge-Computing

Der Betrieb der Steuerungssysteme für wichtige Prozesse kann in eine großflächige Rückkopplungsschleife eingebunden werden, die die enorme Rechenleistung nutzt, die heute durch Cloud- und Edge-Computing zur Verfügung steht. Cloud-Server können KI-Modelle (künstliche Intelligenz) ausführen, die lernen, wie man sich am besten auf Energieveränderungen vorbereitet und auf Wetter- und andere Umweltveränderungen reagiert. Die Notwendigkeit hoher Temperaturen bei einigen der kohlenstoffintensiveren Prozesse kann die Reaktionsgeschwindigkeit von Systemen begrenzen, wenn es darum geht, etwas bei den Gesamtemissionen zu bewegen. Dies kann die Fähigkeit einschränken, auf Änderungen bei der Energieversorgung zu reagieren. Zumindest liefert die genaue Überwachung des verwendeten Energiemixes an jeder Stelle wertvolle Informationen für die Planung des Einsatzes von Kohlenstoffgutschriften und CO2-Abscheidungslösungen. Integratoren und Betreiber von Industriesteuerungen können verschiedene Strategien verfolgen, um einen nahtlosen Übergang von bestehenden Architekturen zu einer Architektur zu ermöglichen, die die Vorteile von Edge-Computing in solchen Umgebungen voll ausschöpft.

Bedeutung der Prozesssteuerung in Anwendungen

Es gibt viele andere Möglichkeiten, das Netto-Null-Ziel schneller zu erreichen. Ein Beispiel dafür liefert die Zementherstellung. Die chemische Reaktion beim Zementprozess ist für etwa die Hälfte der Gesamtemissionen bei der Produktion verantwortlich. Obwohl die Zementindustrie ihre Energieeffizienz weltweit verbessert hat, berichtete die Internationale Energieagentur im Jahr 2021, dass die Produzenten in einigen Gebieten hinterherhinkten. Forscher, die die Ursache dieser Ungleichheit untersucht haben, wiesen darauf hin, dass das Problem in einer schlechteren Kontrolle der Reaktionsbedingungen bei der Herstellung der wichtigsten Bestandteile von Zement besteht. Eine genauere Prozesskontrolle würde das Problem angehen und Möglichkeiten bieten, die Kohlendioxidemissionen zu senken. Es gibt zweifellos viele weitere Branchen, in denen eine bessere Prozesssteuerung die Gesamtenergieeffizienz auf verschiedenen Ebenen verbessern wird. Durch stärker kontrollierte Prozesse können unnötige Abwärme oder Nebenprodukte reduziert werden. Eine bessere Vorhersage von Materialbewegungen wird den transportbedingten Energieverbrauch verringern.

Höhere Wirkungsgrade nutzen

Der Einsatz von effektiveren Steuerungen reicht bis hinunter zu einzelnen Stellgliedern und Motoren. Motoren machen etwa 70 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in einer Prozessanlage aus. Bisher war es üblich, relativ ineffiziente Asynchron-Wechselstrommotoren in der industriellen Produktion einzusetzen, da sie geringere Investitionskosten verursachen und wartungsfreundlich sind. Neuere Motorentechnologien bieten einen weitaus höheren elektrischen Wirkungsgrad durch die Reduzierung von Problemen wie Schlupf sowie ein viel höheres Steuerungsniveau. Anstatt einen Wechselstrommotor durchgängig laufen zu lassen, um ein hohes Drehmoment für den Fall aufrechtzuerhalten, dass dieses benötigt und durch Ankuppeln mit einem Getriebe aufgenommen wird, kann ein elektronisch gesteuerter Synchronmotor so programmiert werden, dass er nur bei Bedarf startet und genau jenes Drehmoment bzw. jene Drehzahl liefert, das/die der Steueralgorithmus vorgibt. Der Einsatz von elektronischen Reglern und Motorantrieben von Anbietern wie Eaton und Maxon zahlt sich nicht nur durch einen reduzierten Stromverbrauch, sondern auch durch weniger Verschleiß und Wärme aus.

Kommunikation mit kurzer und großer Reichweite

Zu wissen, wann und wie Maschinen zu betreiben sind, ist ein zentraler Aspekt bei der Maximierung der Energie- und Materialeffizienz. Dabei rücken Industrie-4.0-Technologien in den Fokus. Ein wesentliches Element der Industrie-4.0-Architektur liegt in der Nutzung von Kommunikation mit kurzer und großer Reichweite, um lokalen Steuerungssystemen den Informationsaustausch zu ermöglichen. Solche Systeme können sicherstellen, dass Förderer nur dann aktiv sind, wenn Produkte von einem Ort zum anderen bewegt werden müssen, und dass Werkzeugmaschinen abgeschaltet werden können, wenn keine Teile verarbeitet werden müssen. Umgekehrt können sie in einen Bereitschaftszustand übergehen, kurz bevor ein neues Teil bei ihrer Produktionszelle ankommt. Weit verteilte Sensoren und Rechenplattformen spielen eine zentrale Rolle beim Empfang von Daten aus der gesamten Produktionsumgebung und dabei, Entscheidungen – manchmal mit Unterstützung von Remote-Servern, basierend auf dem, was sie in Echtzeit wahrnehmen – zu treffen. Der zunehmende Einsatz von drahtlosen Protokollen wie Bluetooth, Wi-Fi und LoRaWAN erleichtert den Einsatz von Sensoren dort, wo sie am meisten gebraucht werden, sodass bestehende Werkzeugmaschinen und Systeme, die diese verwalten, Daten von immer mehr Geräten empfangen. Die Integration solcher Sensoren und Cloud-Unterstützung erfordert keine vollständige Überholung der Steuerungssysteme. In vielen Fällen können SPSen, die einzelne Werkzeugmaschinen verwalten, für viele Jahre geeignet sein. Sie können jedoch durch Industriecomputer ergänzt werden, die als Module zur DIN-Schienenmontage implementiert werden, um die Integration in die Werksumgebungen zu vereinfachen. Fortschrittliche SPSen wie jene von Industrial Shields und Kunbus können als leistungsfähigere Upgrades bestehender SPSen fungieren, wenn ausgeklügeltere Steuerungsalgorithmen erforderlich sind. Mittels Ethernet und ähnlicher Konnektivität mit hoher Bandbreite können Edge-Server Eingaben von den zahlreichen SPSen und Steuerungssystemen aufnehmen und in fortschrittliche Modelle integrieren, die eine enge Koordination in der gesamten Fertigungsstätte gewährleisten und Systeme im laufenden Betrieb aktivieren bzw. deaktivieren, sodass keine überschüssige Energie verschwendet wird.

Intelligente Sensoren: eine kritische Komponente

Dank des weit verbreiteten Einsatzes von Sensoren, die mit intelligenten Überwachungssystemen gekoppelt sind, ist es möglich, einen Maschinenbetrieb mit mehr Effizienz zu gewährleisten und Verschwendung zu vermeiden. Wenn die Systeme bei der Prüfung und Inspektion eine Abweichung von normalen Betriebsparametern feststellen, können die verantwortlichen Geräte außer Betrieb genommen und schnell überprüft werden. Auf diese Weise werden Verschrottungen und Nachbesserungen vermieden, die sich ansonsten negativ auf die Emissionsberichte auswirken und direkte Kosten für das Unternehmen verursachen würden. Außerdem können Hersteller die Vorteile der vorausschauenden Wartung nicht nur nutzen, um sicherzustellen, dass Werkzeugmaschinen und andere mechanische Systeme mit maximaler Effizienz arbeiten, sondern auch dazu, die Wartung zu Zeiten zu planen, die sich in Bezug auf Ziele wie Kohlenstoffemissionen am besten eignen. Früher wäre die Entscheidung, Maschinen stillzusetzen, von traditionellen Arbeitsmustern geleitet gewesen. Heute hingegen kann ein Analyseprogramm bestimmen, dass die kostengünstigste Möglichkeit darin besteht, die Wartung genau dann zu planen, wenn kohlenstoffarme Energiequellen in einem geringeren Maß verfügbar sind als zu anderen Zeiten. Auf Erfahrung basierende KI-Modelle können die vielen Eingaben von Systemen in der Fertigungsstätte dazu nutzen, die beste Vorgehensweise zu bestimmen.

Zusammenfassung

Einzelne Änderungen oder Upgrades können nur begrenzt dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen der Industrie zu reduzieren. Durch die Nutzung von Industrie 4.0 können Hersteller viele verschiedene Techniken einsetzen, um Quellen für überschüssige Kohlenstoffemissionen und übermäßigen Energieverbrauch zu beseitigen, die alle zu einem Ziel beitragen, nämlich einen Netto-Null-Betrieb möglich zu machen. High-Service-Distributoren von elektronischen Bauelementen wie Farnell spielen eine zentrale Rolle bei der Umstellung von Unternehmen auf Industrie 4.0. Distributoren, die technischen Support anbieten, können die bereits vorhandene Infrastruktur berücksichtigen und Unternehmen bei der Bereitstellung von Hardware wie fortschrittlichen SPSen, Sensormodulen, Industriecomputern und vielen anderen Teilsystemen beraten, welche kombiniert werden müssen, um einen effektiven Netto-Null-Plan auszuarbeiten.

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