Die weltweite Wirtschaftslage fordert auch gestandene Unternehmen heraus, und Phoenix Contact bildet da keine Ausnahme. Während die Jahre 2021 und 2022 von einer außergewöhnlich starken Nachfrage und entsprechendem Unternehmenswachstum geprägt waren, machte sich in den letzten Monaten 2023 bereits eine spürbare Abschwächung bemerkbar. COO Ulrich Leidecker erläutert: „Das erste Halbjahr 2023 war nach wie vor herausragend. Das zweite Halbjahr 2023 hat uns gezeigt, wie schnell eine Rücksetzbewegung gehen kann. Wir sehen jetzt eine Stabilisierung auf einem Niveau von minus 12% vom Vorjahr. Das ist eine Rücksetzbewegung in dann zwei Jahren, die wir bisher in dem Maße noch nicht gekannt haben.“ Er warnt davor, dass in der Zukunft das globale Gleichschrittverhalten vieler Unternehmen in Bezug auf das Lieferketten- und Bestandsmanagement wieder [wie bereits in den Jahren 2021 und 2022] zum Problem werden kann. Dieses Verhalten habe dazu geführt, dass Schwankungen in Angebot und Nachfrage verstärkt wurden. Die Synchronisation moderner ERP-Systeme und gleichzeitige Maßnahmen wie Bestandsreduktionen hätten übertriebene Ausschläge zur Folge, die sich auch in Zukunft wiederholen könnten.
Regionale Unterschiede und Wachstumsfelder
Trotz der Herausforderungen gebe es positive Signale, erklärt Leidecker. Der Markt in Indien zeige weiterhin starke Dynamik, und auch Südostasien werde zunehmend als Schlüsselregion betrachtet. „Der Markt [Indien] hat riesige Potenziale und riesige Bedarfe. Unsere Organisation läuft in dem Markt sehr gut und hat damit auch einen Stellenwert für die Phoenix Contact Gruppe erarbeitet, der signifikant ist. Das sind wirklich alles positive Signale. Der sonstige Teil der Emerging Markets, wo wir im Moment positive Trends sehen, ist Südostasien. Das war für viele die erste Antwort auf eine Erhöhung der Resilienz.“ Auch die USA bleiben ein relevanter Markt, nicht zuletzt durch Initiativen wie den Chips Act und andere Förderprogramme. Hier sieht Phoenix Contact großes Potenzial, insbesondere in den Bereichen Rechenzentren und Halbleiterfertigung. Leidecker betont: „Diese Programme bringen uns in neue Applikationsfelder.“ In Europa hingegen hemmt die Regulierungsdichte die Wettbewerbsfähigkeit. Themen wie die Lieferkettengesetzgebung oder der EU Data Act führen zu erheblichen administrativen Belastungen, auch wenn die Absichten dahinter eigentlich gut für alle wären. Im weltweiten Wettbewerb seien diese Aufgaben eine deutliche Belastung.
Virtual PLCnext Control erklärt
Unser Beitrag erläutert, wie sich gegenwärtig ein Wandel zur virtuellen SPS zu zeigen beginnt und was Anwender davon haben. Mehr dazu hier: https://tedo.link/WSFpUn
Nachhaltigkeit, Investitionen und Zusammenarbeit
Trotz des schwierigen Umfelds investiert Phoenix Contact weiter in die Zukunft. Mit einem Investitionsvolumen von 200 Millionen Euro agiert das Unternehmen weiterhin auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet. 100 Millionen Euro allein gehen in das neue vollautomatische Logistikzentrum am Standort Blomberg, das das Lagervolumen des Unternehmens um 220.000m³ erhöhen wird. Gleichzeitig setzt Phoenix Contact im Rahmen seiner All-Electric-Society-Aktivitäten stark auf nachhaltige Technologien, insbesondere im Energiesektor, wo Projekte rund um Batteriespeichersysteme und Sektorenkopplung realisiert werden. Der wirtschaftliche Druck bleibt jedoch hoch. „Wir hoffen, dass sich die globalen Märkte ab 2025 stabilisieren,“ so Leidecker und ruft zu einer stärkeren Kooperation und Kollaboration europäischer Unternehmen auf, insbesondere im Bereich der Automatisierungstechnik. Er sieht in einer gemeinschaftlichen Entwicklung und Pflege von Plattformen wie PLCnext Technology, kombiniert mit Sicherheits- und Cybersecurity-Standards, ein potenzielles Erfolgs- und Exportmodell für Europa. „Die Differenzierung liegt an anderen Stellen,“ betont Leidecker, und durch eine stärkere Zusammenarbeit an diesen Stellen könnten Unternehmen ihre Ressourcen auf ihre innovativen Fachdomänen konzentrieren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
PLCnext Technology und die KI
Ein Blick in die Zukunft der Automatisierung
Die PLCnext Technology ist Phoenix Contacts Technologie-Backbone und Automatisierungs-Ökosystem in einem. Es ist eine leistungsstarke offene Plattform für Automatisierungslösungen aller Art und gleichzeitig das Herz in nahezu allen neuen intelligenten Produkten des Unternehmens. Hans-Jürgen Koch, Executive Vice President of Industry Management & Automation, gibt einen Einblick in die neuesten Entwicklungen und die zunehmende Integration von künstlicher Intelligenz in die Plattform.
Kurze Zusammenfassung: PLCnext Technology ist mehr als nur eine Steuerung – das Ökosystem bildet das Rückgrat für eine breite Palette intelligenter, kommunikationsfähiger Geräte im Portfolio von Phoenix Contact. Koch erklärt: „Wir sehen PLCnext Technology nicht nur als Steuerungslösung, vielmehr wird die Basissoftware, die wir Core OS nennen, in unterschiedlichsten Geräten eingesetzt – von Energiemessgeräten bis hin zu HMIs.“ Diese Modularität und Offenheit ermöglichen eine flexible Anpassung an Kundenanforderungen und machen die Plattform zukunftssicher. Neben der Technologie selbst sind Partnerschaften ein zentraler Bestandteil der Strategie. „Wir arbeiten eng mit Partnern wie Festo oder Yaskawa zusammen, um Synergien zu schaffen,“ erläutert Koch. Dieser offene Ansatz fördert Innovation und hilft, die Plattform weiter voranzutreiben und Sicherheits- und Wartungsstandards gemeinschaftlich weiterzuentwickeln.
PLCnext Technology als Automatisierungssystem
Für Automatisierungsanwender steht natürlich die Entwicklung eigener Anwendungen auf der Basis von PLCnext Engineer und mittlerweile auch mit Codesys immer noch im Mittelpunkt. Dafür steht eine breite Palette an Steuerungsmodulen inklusive Safety, Redundanz und zahlreichen IO-Modul-Varianten zur Verfügung. Hans-Jürgen Koch dazu: „Ich glaube, in der Hardwareentwicklung haben wir auf der I/O-Seite das Portfolio nahezu komplettiert.“ Zuletzt kamen noch IO-Link und IO-Link Safety als Master hinzu. Besonders hebt Koch das sogenannte KI-Modul hervor, das Künstliche Intelligenz direkt ins Feld bringt und auf das wir im nächsten Absatz ausführlich eingehen werden. Auch wichtig: „Kunden können die Funktionalität von PLCnext Technology erweitern, indem sie Applikationen über unseren PLCnext Store hinzufügen,“ so Koch. Dabei ist die Bandbreite dieser Anwendungen groß: von Machine-Learning-Modulen über Cloud-Integrationen bis hin zu branchenspezifischen Lösungen wie Energieeinspeisereglern. Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung vorgefertigter Funktionalitäten und Applikationen weiter steigen wird.
Künstliche Intelligenz: Von der Vision zur Realität
„Die bedeutenden Entwicklungen finden heute in der Software statt“, erläutert Koch. Ein Highlight der jüngsten Entwicklungen sei demzufolge die wachsende Rolle von KI in der PLCnext Technology. Koch erläutert: „Mit unserem Machine-Learning-Framework MLnext machen wir KI-Modelle für klassische Industrieanwender zugänglich.“ Das Framework sei so gestaltet, dass es auch ohne tiefgreifende Kenntnisse in der KI-Entwicklung genutzt werden könne. Unternehmen könnten so datenbasierte Modelle einsetzen, um Prozesse zu optimieren, vorausschauende Wartung zu implementieren oder Energieeffizienz zu steigern. Ein Beispiel ist die Integration von KI in Sektorenkopplungsanwendungen. Hierbei werden Daten aus Energiespeichern, Ladeinfrastruktur und Verbrauchsquellen intelligent verknüpft, um eine optimale Nutzung von Ressourcen sicherzustellen.
Virtuelle Steuerungen und Cybersecurity im Fokus
Mit der (Linux basierten) PLCnext Technology hat Phoenix Contact eine weitestgehende Abstraktion von der Hardware erreicht. Dieser Technologievorteil kann für Innovationen genutzt werden. Folgerichtig ist daher ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung von PLCnext Technology die Einführung virtueller Steuerungen. Diese ermöglichen es, Automatisierungslösungen unabhängig von physischer Hardware zu betreiben. „Die Virtualisierung eröffnet neue Optionen, bestehende Infrastruktur zu nutzen und gleichzeitig Steuerungsinstanzen zu skalieren,“ so Koch. Ein zentrales Thema bleibt die Sicherheit. Phoenix Contact investiert bereits seit langem in die Weiterentwicklung von Cybersecurity-Features – besonders wichtig auch im Hinblick auf den Cyber Resilience Act (CRA). „Die Anforderungen an Sicherheit und Datenintegrität steigen kontinuierlich,“ erklärt Koch. Die Einführung des Software Bill of Materials (SBOM), die detaillierte Auflistung aller in einem System genutzten Softwarekomponenten, sei ein zwar sehr aufwendiger, aber nutzbringender Schritt. „Damit können wir gezielt reagieren, wenn Sicherheitslücken auftreten,“ so Koch weiter.
Ausblick: Wohin führt die Reise?
Die nächsten Schritte für PLCnext Technology sind bereits klar definiert. Koch kündigt an: „Wir werden auf der Hannover Messe 2025 unsere bekannten Steuerungen PLCnext Control mit Profinet-Kommunikation auf TSN-Mechanismen präsentieren.“ Diese neue Architektur, die auf Profinet TSN aufsetzt, ermöglicht eine noch präzisere Synchronisierung von Achsen und Prozessen und eröffnet neue Möglichkeiten, Prozessdaten- und Bildverarbeitung in einem konvergenten Netzwerk zu realisieren. Auch das Thema Cloud-Integration wird weiter vorangetrieben, um Wartungs- und Updatemechanismen bis hinunter zur Sensor- und Aktorebene bereitzustellen. Phoenix Contact hat die Weiterentwicklung der PLCnext Technology in den vergangenen Jahren konsequent vorangetrieben. Herausgekommen ist eines der sicherlich modernsten Steuerungssysteme auf dem Markt mit viel Zukunftssicherheit. Es ist nicht eine Komponente, die den Unterschied ausmacht, es ist vielmehr das komplette Ökosystem bestehend aus Software, Hardware, Store, Partnern und Community.
MLnext
Für einen schnellen und einfachen Überblick über die Daten eignet sich für Hochsprachenprogrammierer das MLnext Framework. Nutzer profitieren dadurch ebenso von einer schnellen Auswahl der relevanten Daten. Unter Einhaltung aktuell gültiger Data-Security-Normen bietet das MLnext Framework eine Open Source Basis, die auf PLCnext Technology oder anderen hardwareunabhängigen Plattformen ausgeführt werden kann. Die Programmierbibliothek implementiert stetig eine Vielzahl an (neuen) Ansätzen aus der Forschung, die in der PLCnext Factory eingesetzt werden und bereits zu einer Produktivitätssteigerung in Höhe von 10% geführt haben. Ebenso konnten kürzere Umsetzungszyklen realisiert werden. Alle Erkenntnisse fließen in die zukünftige Ausgestaltung der Lösungen rund um MLnext ein.